Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.nicht gar zu schüchtern prüfen und tasten, sondern in Gottes Ich hatte einen guten Freund, der, mit Ausnahme von Noch hätte ich von dem Verhältnisse der Speisen je nach Rousseau macht seine Julie "un peu gourmande." Das nicht gar zu ſchuͤchtern pruͤfen und taſten, ſondern in Gottes Ich hatte einen guten Freund, der, mit Ausnahme von Noch haͤtte ich von dem Verhaͤltniſſe der Speiſen je nach Rouſſeau macht ſeine Julie „un peu gourmande.“ Das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0151" n="137"/> nicht gar zu ſchuͤchtern pruͤfen und taſten, ſondern in Gottes<lb/> Namen friſch einbeißen.</p><lb/> <p>Ich hatte einen guten Freund, der, mit Ausnahme von<lb/> Neunaugen, niemals einen Fiſch zu eſſen ſich getraute, ſo gern<lb/> er auch davon gegeſſen haͤtte, aus Furcht, es moͤchte ihm eine<lb/> Graͤte im Halſe ſtecken bleiben, und der ſich ſpaͤter erſchoß. —<lb/> So giebt’s auch Leute, die niemals Schwaͤmme eſſen, um ja<lb/> auf keine giftigen zu ſtoßen, und nun alle jene beſeeligenden<lb/> Augenblicke fuͤr immer entbehren, welche die lieblichen goldfar-<lb/> bigen Braͤtlinge, die zarten kleinen Eierſchwaͤmmlein, Morcheln<lb/> und andere Champignons mit jungen Bohnen und Haͤhnchen<lb/> oder ſonſtigen Verbindungen den Sterblichen immer gewaͤhren<lb/> koͤnnen. Wenn Peterſilie wohlſchmecken ſoll, darf man keine<lb/> Angſt vor Schierling haben. „Vor Lerchen und Zucker, ſagt<lb/><hi rendition="#g">Jean Paul</hi>, braucht man nicht zu warnen, wenn nicht jeder<lb/> Genießende ein mediziniſcher Polizeibeamter werden ſoll, der<lb/> jeder ankommenden Freude erſt Reiſepaß und Geburtsbrief ab-<lb/> verlangt, ehe er ſie einlaͤßt. Auch wagen ſoll der Menſch und<lb/> kuͤhn ſein, um frei zu ſein.“ — Selbſt der trockne Arzt <hi rendition="#g">Zuͤckert</hi><lb/> bemerkt ganz ruhig: „Einem geſunden Menſchen rechnet man es<lb/> billig als eine Kleinmuͤthigkeit und als eine von Einbildung<lb/> und unedler Furcht geleitete Thorheit an, wenn er eine aͤngſt-<lb/> liche Wahl der Speiſen anſtellet.“ — Schon <hi rendition="#g">Celſus</hi> gab auch<lb/> im erſten Buche, erſten Kapitel, ſeines Werkes von der Heil-<lb/> kunde diaͤtetiſche Rathſchlaͤge im aͤhnlichen freien Sinne.</p><lb/> <p>Noch haͤtte ich von dem Verhaͤltniſſe der Speiſen je nach<lb/> dem Geſchlecht, und, da ich bisher fortwaͤhrend Maͤnner im<lb/> Auge hatte, zum ſchoͤnen Geſchlecht abzuhandeln. Bekanntlich<lb/> war dieſe zartere, leichtverletzliche Haͤlfte von den Gaſtmaͤhlern<lb/> der aͤlteren Griechen und Roͤmer ausgeſchloſſen. —</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Rouſſeau</hi> macht ſeine Julie <hi rendition="#aq">„un peu gourmande.“</hi> Das<lb/> kann nun Lord <hi rendition="#g">Byron</hi> nicht leiden, der es uͤberhaupt nicht<lb/> liebt, Frauen eſſen zu ſehen. Auch <hi rendition="#g">Novalis</hi> ſagt: Empfangen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [137/0151]
nicht gar zu ſchuͤchtern pruͤfen und taſten, ſondern in Gottes
Namen friſch einbeißen.
Ich hatte einen guten Freund, der, mit Ausnahme von
Neunaugen, niemals einen Fiſch zu eſſen ſich getraute, ſo gern
er auch davon gegeſſen haͤtte, aus Furcht, es moͤchte ihm eine
Graͤte im Halſe ſtecken bleiben, und der ſich ſpaͤter erſchoß. —
So giebt’s auch Leute, die niemals Schwaͤmme eſſen, um ja
auf keine giftigen zu ſtoßen, und nun alle jene beſeeligenden
Augenblicke fuͤr immer entbehren, welche die lieblichen goldfar-
bigen Braͤtlinge, die zarten kleinen Eierſchwaͤmmlein, Morcheln
und andere Champignons mit jungen Bohnen und Haͤhnchen
oder ſonſtigen Verbindungen den Sterblichen immer gewaͤhren
koͤnnen. Wenn Peterſilie wohlſchmecken ſoll, darf man keine
Angſt vor Schierling haben. „Vor Lerchen und Zucker, ſagt
Jean Paul, braucht man nicht zu warnen, wenn nicht jeder
Genießende ein mediziniſcher Polizeibeamter werden ſoll, der
jeder ankommenden Freude erſt Reiſepaß und Geburtsbrief ab-
verlangt, ehe er ſie einlaͤßt. Auch wagen ſoll der Menſch und
kuͤhn ſein, um frei zu ſein.“ — Selbſt der trockne Arzt Zuͤckert
bemerkt ganz ruhig: „Einem geſunden Menſchen rechnet man es
billig als eine Kleinmuͤthigkeit und als eine von Einbildung
und unedler Furcht geleitete Thorheit an, wenn er eine aͤngſt-
liche Wahl der Speiſen anſtellet.“ — Schon Celſus gab auch
im erſten Buche, erſten Kapitel, ſeines Werkes von der Heil-
kunde diaͤtetiſche Rathſchlaͤge im aͤhnlichen freien Sinne.
Noch haͤtte ich von dem Verhaͤltniſſe der Speiſen je nach
dem Geſchlecht, und, da ich bisher fortwaͤhrend Maͤnner im
Auge hatte, zum ſchoͤnen Geſchlecht abzuhandeln. Bekanntlich
war dieſe zartere, leichtverletzliche Haͤlfte von den Gaſtmaͤhlern
der aͤlteren Griechen und Roͤmer ausgeſchloſſen. —
Rouſſeau macht ſeine Julie „un peu gourmande.“ Das
kann nun Lord Byron nicht leiden, der es uͤberhaupt nicht
liebt, Frauen eſſen zu ſehen. Auch Novalis ſagt: Empfangen
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