Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.Anerkennung ist zwar das leer Absolute der Eßnothwendigkeit, Sollten die Nationen ewig in dieser Bornitur verharren, Ein passionirter Kunst- und Menschenfreund, kann ich den Bekanntlich sieht die Natur gerade so aus, wie man sie Eine lebendigere, freundlichere, höhere und jedenfalls appe- 1*
Anerkennung iſt zwar das leer Abſolute der Eßnothwendigkeit, Sollten die Nationen ewig in dieſer Bornitur verharren, Ein paſſionirter Kunſt- und Menſchenfreund, kann ich den Bekanntlich ſieht die Natur gerade ſo aus, wie man ſie Eine lebendigere, freundlichere, hoͤhere und jedenfalls appe- 1*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0017" n="3"/> Anerkennung iſt zwar das leer Abſolute der Eßnothwendigkeit,<lb/> als gemeiner Nothdurft, ſchlechthin zugeſtanden, aber das Eſſen<lb/> weder in ſeiner Natur- noch Kunſt-Bedeutung irgend begriffen.</p><lb/> <p>Sollten die Nationen ewig in dieſer Bornitur verharren,<lb/> ſoll es nie tagen, ſoll der Inſtinkt ſich nie zum Bewußtſein<lb/> verklaͤren?</p><lb/> <p>Ein paſſionirter Kunſt- und Menſchenfreund, kann ich den<lb/> Jammer nicht laͤnger mit anſehen, und entledige mich dieſes<lb/> Dranges, indem ich der Nachſicht einer ſehr verehrten Verſamm-<lb/> lung das ergebenſt empfehle, was ich uͤber dieſen Gegenſtand<lb/> erfahren und gedacht, und mitzutheilen eben im Begriff ſtehe.</p><lb/> <p>Bekanntlich ſieht die Natur gerade ſo aus, wie man ſie<lb/> anſchaut. Welt und Weltanſchauung ſind zwar zwei ganz ver-<lb/> ſchiedene Dinge, aber trotz dem iſt die Welt relativ um kein<lb/> Haar anders, als ſie angeſchaut wird, ja fuͤr den Einzelnen ge-<lb/> nau ſo, wie er dreſſirt wurde, ſie zu betrachten. Als ich ein<lb/> Knabe war, ſah ich, wie mir’s vom Schulmeiſter geſagt worden<lb/> war, in der Natur Stein-, Pflanzen- und Thierreich oder, wie<lb/> es hieß, Weſen, welche nicht leben und nicht empfinden, Weſen,<lb/> welche leben aber nicht empfinden und Weſen, welche leben und<lb/> empfinden. Welche Beſchraͤnktheit, welche Unrichtigkeiten, welche<lb/> Trivialitaͤten! Fuͤr die Weltanſchauung des Eſſers iſt dergleichen<lb/> voͤllig unfruchtbar, hoͤchſtens geht daraus, in Beziehung auf<lb/> das Menſchenreich, das wenig troͤſtliche Reſultat hervor, daß<lb/> ſehr viele Mitglieder derſelben weder zu empfinden noch zu leben<lb/> wiſſen.</p><lb/> <p>Eine lebendigere, freundlichere, hoͤhere und jedenfalls appe-<lb/> titliche Lebensanſicht ſieht die Natur zunaͤchſt als genießbar an.<lb/> Die ungenießbare Natur kommt dabei kaum in Betracht.<lb/> Denn die Sache ſcheint durch die nicht unbetraͤchtliche Anzahl<lb/> derer, welche im Entwicklungsgange des Menſchengeſchlechts<lb/> auf dem Wege des Experiments zur Ermittlung des Genießba-<lb/> ren zufaͤllig in Ungenießbares biſſen und deßhalb ins Gras beißen<lb/> <fw place="bottom" type="sig">1*</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [3/0017]
Anerkennung iſt zwar das leer Abſolute der Eßnothwendigkeit,
als gemeiner Nothdurft, ſchlechthin zugeſtanden, aber das Eſſen
weder in ſeiner Natur- noch Kunſt-Bedeutung irgend begriffen.
Sollten die Nationen ewig in dieſer Bornitur verharren,
ſoll es nie tagen, ſoll der Inſtinkt ſich nie zum Bewußtſein
verklaͤren?
Ein paſſionirter Kunſt- und Menſchenfreund, kann ich den
Jammer nicht laͤnger mit anſehen, und entledige mich dieſes
Dranges, indem ich der Nachſicht einer ſehr verehrten Verſamm-
lung das ergebenſt empfehle, was ich uͤber dieſen Gegenſtand
erfahren und gedacht, und mitzutheilen eben im Begriff ſtehe.
Bekanntlich ſieht die Natur gerade ſo aus, wie man ſie
anſchaut. Welt und Weltanſchauung ſind zwar zwei ganz ver-
ſchiedene Dinge, aber trotz dem iſt die Welt relativ um kein
Haar anders, als ſie angeſchaut wird, ja fuͤr den Einzelnen ge-
nau ſo, wie er dreſſirt wurde, ſie zu betrachten. Als ich ein
Knabe war, ſah ich, wie mir’s vom Schulmeiſter geſagt worden
war, in der Natur Stein-, Pflanzen- und Thierreich oder, wie
es hieß, Weſen, welche nicht leben und nicht empfinden, Weſen,
welche leben aber nicht empfinden und Weſen, welche leben und
empfinden. Welche Beſchraͤnktheit, welche Unrichtigkeiten, welche
Trivialitaͤten! Fuͤr die Weltanſchauung des Eſſers iſt dergleichen
voͤllig unfruchtbar, hoͤchſtens geht daraus, in Beziehung auf
das Menſchenreich, das wenig troͤſtliche Reſultat hervor, daß
ſehr viele Mitglieder derſelben weder zu empfinden noch zu leben
wiſſen.
Eine lebendigere, freundlichere, hoͤhere und jedenfalls appe-
titliche Lebensanſicht ſieht die Natur zunaͤchſt als genießbar an.
Die ungenießbare Natur kommt dabei kaum in Betracht.
Denn die Sache ſcheint durch die nicht unbetraͤchtliche Anzahl
derer, welche im Entwicklungsgange des Menſchengeſchlechts
auf dem Wege des Experiments zur Ermittlung des Genießba-
ren zufaͤllig in Ungenießbares biſſen und deßhalb ins Gras beißen
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