Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.verschluckten Bissen, die Gabel immer auf's Neue von der rech- Es ist kaum zu begreifen, wie eine so unbeholfene und täp- Hier könnte Erziehung viel thun. Wie kann man aber er- "Man könnte erzogne Kinder gebären, Wenn die Eltern erzogen wären." Handelte es sich um Ausrottung von Vorurtheilen, so verſchluckten Biſſen, die Gabel immer auf’s Neue von der rech- Es iſt kaum zu begreifen, wie eine ſo unbeholfene und taͤp- Hier koͤnnte Erziehung viel thun. Wie kann man aber er- „Man koͤnnte erzogne Kinder gebaͤren, Wenn die Eltern erzogen waͤren.“ Handelte es ſich um Ausrottung von Vorurtheilen, ſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0182" n="168"/> verſchluckten Biſſen, die Gabel immer auf’s Neue von der rech-<lb/> ten Hand zur linken und von der linken Hand zur rechten, und<lb/> das Meſſer wird ſtets von Neuem ergriffen und weggelegt.</p><lb/> <p>Es iſt kaum zu begreifen, wie eine ſo unbeholfene und taͤp-<lb/> piſche, plumbe und ſchwerfaͤllige Manier, wodurch ſelbſt die zar-<lb/> teſten, feinſten, kuͤſſenswertheſten Damenhaͤndchen hufſchmied-<lb/> artig grob erſcheinen, nicht laͤngſt aufgegeben wurde, da doch<lb/> die Engliſche Encheireſe, die Gabel ſtets und fortwaͤhrend mit<lb/> der linken Hand zu fuͤhren, als ſo nachahmungswuͤrdiges Bei-<lb/> ſpiel nahe liegt. Aber das Ungeſchickte wird immer eher nach-<lb/> geahmt, als das Geſcheidte. Kommt ein vernuͤnftiger Eßkuͤnſtler<lb/> nun mit ſolchen rechts die Gabel fuͤhrenden Menſchenkindern<lb/> zuſammen, und fuͤhrt dieſelbe, wie es geſcheidt, zweckmaͤßig und<lb/> ſchoͤn iſt, mit der linken Hand, ſo ſtoͤßt er immer an den linken<lb/> Nachbar an, der die Gabel rechts fuͤhrt, und nun ſtatt ſeinen<lb/> eigenen Fehler einzuſehen, im Gegentheil den richtig Eſſenden<lb/> fuͤr unrichtig, links und unbequem haͤlt. Dergleichen iſt nun<lb/> wahrhaft bedauerlich, und allgemeine Aenderung und Beſſerung<lb/> ſehr zu wuͤnſchen. Moͤchten dieſe Vorleſungen etwas dazu bei-<lb/> zutragen im Stande ſein! Und wenn ſie auch ſonſt nichts leiſte-<lb/> ten, als nur dieſes Einzige, ſo haͤtten ſie wahrlich mehr gethan,<lb/> als hundert andere, die gar nichts wirken.</p><lb/> <p>Hier koͤnnte Erziehung viel thun. Wie kann man aber er-<lb/> warten, daß ein Vater, ein Hofmeiſter oder ſonſtiger Mann,<lb/> mit Ernſt und Erfolg, Fuͤhrung der Gabel mit der linken Hand<lb/> einſchaͤrfen wird, der ſie ſelber nur mit der rechten zu handha-<lb/> ben weiß? Die Beſſerung muß von den Erziehern ſelbſt aus-<lb/> gehen, bei ihnen ſelbſt anfangen.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Man koͤnnte erzogne Kinder gebaͤren,</l><lb/> <l>Wenn die Eltern erzogen waͤren.“</l> </lg><lb/> <p>Handelte es ſich um Ausrottung von Vorurtheilen, ſo<lb/> wollte ich ſchweigen, weil alle Vorleſungen der Welt hier nichts<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [168/0182]
verſchluckten Biſſen, die Gabel immer auf’s Neue von der rech-
ten Hand zur linken und von der linken Hand zur rechten, und
das Meſſer wird ſtets von Neuem ergriffen und weggelegt.
Es iſt kaum zu begreifen, wie eine ſo unbeholfene und taͤp-
piſche, plumbe und ſchwerfaͤllige Manier, wodurch ſelbſt die zar-
teſten, feinſten, kuͤſſenswertheſten Damenhaͤndchen hufſchmied-
artig grob erſcheinen, nicht laͤngſt aufgegeben wurde, da doch
die Engliſche Encheireſe, die Gabel ſtets und fortwaͤhrend mit
der linken Hand zu fuͤhren, als ſo nachahmungswuͤrdiges Bei-
ſpiel nahe liegt. Aber das Ungeſchickte wird immer eher nach-
geahmt, als das Geſcheidte. Kommt ein vernuͤnftiger Eßkuͤnſtler
nun mit ſolchen rechts die Gabel fuͤhrenden Menſchenkindern
zuſammen, und fuͤhrt dieſelbe, wie es geſcheidt, zweckmaͤßig und
ſchoͤn iſt, mit der linken Hand, ſo ſtoͤßt er immer an den linken
Nachbar an, der die Gabel rechts fuͤhrt, und nun ſtatt ſeinen
eigenen Fehler einzuſehen, im Gegentheil den richtig Eſſenden
fuͤr unrichtig, links und unbequem haͤlt. Dergleichen iſt nun
wahrhaft bedauerlich, und allgemeine Aenderung und Beſſerung
ſehr zu wuͤnſchen. Moͤchten dieſe Vorleſungen etwas dazu bei-
zutragen im Stande ſein! Und wenn ſie auch ſonſt nichts leiſte-
ten, als nur dieſes Einzige, ſo haͤtten ſie wahrlich mehr gethan,
als hundert andere, die gar nichts wirken.
Hier koͤnnte Erziehung viel thun. Wie kann man aber er-
warten, daß ein Vater, ein Hofmeiſter oder ſonſtiger Mann,
mit Ernſt und Erfolg, Fuͤhrung der Gabel mit der linken Hand
einſchaͤrfen wird, der ſie ſelber nur mit der rechten zu handha-
ben weiß? Die Beſſerung muß von den Erziehern ſelbſt aus-
gehen, bei ihnen ſelbſt anfangen.
„Man koͤnnte erzogne Kinder gebaͤren,
Wenn die Eltern erzogen waͤren.“
Handelte es ſich um Ausrottung von Vorurtheilen, ſo
wollte ich ſchweigen, weil alle Vorleſungen der Welt hier nichts
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |