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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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wisse, und lieber schweigen. Und soll sich nicht den Herren
gleich achten, und wenn ein Alter redet, nicht drein waschen.

Von den Bewegungen und Zuständen des Gemüthes, die
man vermeiden soll in sich selbst oder in Anderen während des
Essens anzuregen, oder zu unterhalten, ist im schon oft belobten
Geist der Kochkunst, Seite 173 u. folg. der zweiten Auflage, so
erschöpfend gesprochen, daß ich bitte, diese Stelle nachzulesen.

Der angehende Eßkünstler wird aber wohl thun, auf Rei-
sen seine weitere Ausbildung zu completiren. Da es kaum
möglich ist, sich mit der Küchenterminologie der verschiedenen
Völker vorher irgend genügend bekannt zu machen, so müssen
vorläufig die allgemeinen Sprachkenntnisse genügen. Hat der
Eßkünstler viel Geld, so hat er freilich um so weniger Sprach-
kenntnisse nöthig; incommodiren aber werden sie ihn keinenfalls.
Mir begegnete in Italien ein Kunstgenosse, welcher wußte, daß
Aglio Knoblauch heißt, den er nicht leiden konnte. Kam er in
ein Gasthaus, so schüttelte er mit dem Kopfe und sagte nix
(nichts) Aglio! -- Damit versicherte er, käme er recht gut fort.
Doch ist's bedenklich. In Paris lockte schnöder Uebermuth einige
Kunstgenossen, welche schon etwas längere Zeit da verweilt hat-
ten, einem neuen Ankömmling, der kaum so viel Französisch ver-
stand, als der oben erwähnte Italienische Reisende Italienisch,
manchen Streich zu spielen. Da er sich durch seine Freunde
die einzelnen Speisen nach der Karte bestellen lassen mußte, so
war die Gelegenheit doch gar zu verführerisch, ihm statt der ge-
wünschten Suppe: Salat, statt des erwarteten Kalbsbratens:
Schweizerkäse etc. zu bestellen und mit der Suppe schließen zu
lassen, wobei dann der hilflose Zorn des Wackeren in deutscher,
sehr verständlicher und eindringlicher Sprache, mit vielem Aus-
druck auf das Anmuthigste und Ergötzlichste sich zu äußern
Anlaß fand.

Kommt der reisende Eßkünstler nach Berlin, so sage er
nicht: Sauerkraut, Kartoffel etc., sondern Erdtoffel, Sauerkohl,

wiſſe, und lieber ſchweigen. Und ſoll ſich nicht den Herren
gleich achten, und wenn ein Alter redet, nicht drein waſchen.

Von den Bewegungen und Zuſtaͤnden des Gemuͤthes, die
man vermeiden ſoll in ſich ſelbſt oder in Anderen waͤhrend des
Eſſens anzuregen, oder zu unterhalten, iſt im ſchon oft belobten
Geiſt der Kochkunſt, Seite 173 u. folg. der zweiten Auflage, ſo
erſchoͤpfend geſprochen, daß ich bitte, dieſe Stelle nachzuleſen.

Der angehende Eßkuͤnſtler wird aber wohl thun, auf Rei-
ſen ſeine weitere Ausbildung zu completiren. Da es kaum
moͤglich iſt, ſich mit der Kuͤchenterminologie der verſchiedenen
Voͤlker vorher irgend genuͤgend bekannt zu machen, ſo muͤſſen
vorlaͤufig die allgemeinen Sprachkenntniſſe genuͤgen. Hat der
Eßkuͤnſtler viel Geld, ſo hat er freilich um ſo weniger Sprach-
kenntniſſe noͤthig; incommodiren aber werden ſie ihn keinenfalls.
Mir begegnete in Italien ein Kunſtgenoſſe, welcher wußte, daß
Aglio Knoblauch heißt, den er nicht leiden konnte. Kam er in
ein Gaſthaus, ſo ſchuͤttelte er mit dem Kopfe und ſagte nix
(nichts) Aglio! — Damit verſicherte er, kaͤme er recht gut fort.
Doch iſt’s bedenklich. In Paris lockte ſchnoͤder Uebermuth einige
Kunſtgenoſſen, welche ſchon etwas laͤngere Zeit da verweilt hat-
ten, einem neuen Ankoͤmmling, der kaum ſo viel Franzoͤſiſch ver-
ſtand, als der oben erwaͤhnte Italieniſche Reiſende Italieniſch,
manchen Streich zu ſpielen. Da er ſich durch ſeine Freunde
die einzelnen Speiſen nach der Karte beſtellen laſſen mußte, ſo
war die Gelegenheit doch gar zu verfuͤhreriſch, ihm ſtatt der ge-
wuͤnſchten Suppe: Salat, ſtatt des erwarteten Kalbsbratens:
Schweizerkaͤſe ꝛc. zu beſtellen und mit der Suppe ſchließen zu
laſſen, wobei dann der hilfloſe Zorn des Wackeren in deutſcher,
ſehr verſtaͤndlicher und eindringlicher Sprache, mit vielem Aus-
druck auf das Anmuthigſte und Ergoͤtzlichſte ſich zu aͤußern
Anlaß fand.

Kommt der reiſende Eßkuͤnſtler nach Berlin, ſo ſage er
nicht: Sauerkraut, Kartoffel ꝛc., ſondern Erdtoffel, Sauerkohl,

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[187/0201] wiſſe, und lieber ſchweigen. Und ſoll ſich nicht den Herren gleich achten, und wenn ein Alter redet, nicht drein waſchen. Von den Bewegungen und Zuſtaͤnden des Gemuͤthes, die man vermeiden ſoll in ſich ſelbſt oder in Anderen waͤhrend des Eſſens anzuregen, oder zu unterhalten, iſt im ſchon oft belobten Geiſt der Kochkunſt, Seite 173 u. folg. der zweiten Auflage, ſo erſchoͤpfend geſprochen, daß ich bitte, dieſe Stelle nachzuleſen. Der angehende Eßkuͤnſtler wird aber wohl thun, auf Rei- ſen ſeine weitere Ausbildung zu completiren. Da es kaum moͤglich iſt, ſich mit der Kuͤchenterminologie der verſchiedenen Voͤlker vorher irgend genuͤgend bekannt zu machen, ſo muͤſſen vorlaͤufig die allgemeinen Sprachkenntniſſe genuͤgen. Hat der Eßkuͤnſtler viel Geld, ſo hat er freilich um ſo weniger Sprach- kenntniſſe noͤthig; incommodiren aber werden ſie ihn keinenfalls. Mir begegnete in Italien ein Kunſtgenoſſe, welcher wußte, daß Aglio Knoblauch heißt, den er nicht leiden konnte. Kam er in ein Gaſthaus, ſo ſchuͤttelte er mit dem Kopfe und ſagte nix (nichts) Aglio! — Damit verſicherte er, kaͤme er recht gut fort. Doch iſt’s bedenklich. In Paris lockte ſchnoͤder Uebermuth einige Kunſtgenoſſen, welche ſchon etwas laͤngere Zeit da verweilt hat- ten, einem neuen Ankoͤmmling, der kaum ſo viel Franzoͤſiſch ver- ſtand, als der oben erwaͤhnte Italieniſche Reiſende Italieniſch, manchen Streich zu ſpielen. Da er ſich durch ſeine Freunde die einzelnen Speiſen nach der Karte beſtellen laſſen mußte, ſo war die Gelegenheit doch gar zu verfuͤhreriſch, ihm ſtatt der ge- wuͤnſchten Suppe: Salat, ſtatt des erwarteten Kalbsbratens: Schweizerkaͤſe ꝛc. zu beſtellen und mit der Suppe ſchließen zu laſſen, wobei dann der hilfloſe Zorn des Wackeren in deutſcher, ſehr verſtaͤndlicher und eindringlicher Sprache, mit vielem Aus- druck auf das Anmuthigſte und Ergoͤtzlichſte ſich zu aͤußern Anlaß fand. Kommt der reiſende Eßkuͤnſtler nach Berlin, ſo ſage er nicht: Sauerkraut, Kartoffel ꝛc., ſondern Erdtoffel, Sauerkohl,

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/201>, abgerufen am 17.05.2024.