Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.In Beziehung auf das Vorschneiden will ich aber noch, Ich hatte einst die Verpflichtung übernommen, für noch Daß man die Transchirübungen nicht bei schwierigen In Beziehung auf das Vorſchneiden will ich aber noch, Ich hatte einſt die Verpflichtung uͤbernommen, fuͤr noch Daß man die Tranſchiruͤbungen nicht bei ſchwierigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0214" n="200"/> <p>In Beziehung auf das Vorſchneiden will ich aber noch,<lb/> einer eigenen ſchmerzlichen Erfahrung gedenkend, der Cautele<lb/> erwaͤhnen, das Geſicht ſo wie die Naſe dem zu zerſchneiden-<lb/> den Objekte nicht zu nahe zu bringen. Es gilt fuͤr unſchicklich,<lb/> hat aber noch viel wichtigere Gruͤnde gegen ſich.</p><lb/> <p>Ich hatte einſt die Verpflichtung uͤbernommen, fuͤr noch<lb/> zwei Freunde ein Spanferkel zu zerlegen. Das zarte Geſchoͤpf<lb/> war im Braten beſonders gegluͤckt, und unſere geſammte Er-<lb/> wartung hoͤchſt geſteigert. Dadurch zu nie zu billigendem,<lb/> etwas haſtigem Eifer angeſpornt, brachte ich ungeſchickt Naſe<lb/> und Mund der duftenden Oberflaͤche, eben als ich den Kopf<lb/> abgeſchnitten, zu nahe. Ein gluͤhend heißer, in ſolcher Naͤhe<lb/> unangenehm riechender und ſchmeckender Dampf entſtroͤmte<lb/> dem geoͤffneten Koͤrper, faſt mich betaͤubend, und raubte wie<lb/> mit einem Zauberſchlag allen Appetit. Bis ich mich wieder<lb/> erholt, geſammelt und gefaßt hatte, waren die beſten Biſſen<lb/> von meinen Freunden verzehrt und mir blieb nur noch die<lb/> traurige Wahl einer, nicht mehr ganz warmen, vorderen und<lb/> einer hinteren Extremitaͤt. — <hi rendition="#aq">Felix quem faciunt aliena<lb/> pericula cautum!</hi></p><lb/> <p>Daß man die Tranſchiruͤbungen nicht bei ſchwierigen<lb/> Objekten, wie Truthahn, Gans, Auerhahn, Kalbskopf ꝛc., ſon-<lb/> dern bei leichteren, Rindfleiſch, Rebhuhn ꝛc. zu beginnen habe,<lb/> iſt klar. Bekannt iſt’s, wie die Hauptſache darin liegt, bei<lb/> Gefluͤgel, Wildpret ꝛc. die Gelenkverbindungen zu kennen und<lb/> zu treffen. Dieß Alles aber wird, wie geſagt, nicht durch Wort<lb/> und Bild klar, ſondern durch unmittelbare Anſchauung und<lb/> Uebung. Uebrigens giebt es bei Zerlegung einzelner Objekte<lb/> ſehr viel willkuͤhrliche Regeln, welche, mit unbedingter Ver-<lb/> werfung anderer, von manchen Meiſtern eigenſinnig und aus-<lb/> ſchließlich feſtgehalten werden. Hier waͤre Manches zu verein-<lb/> fachen. Moͤchte uͤberhaupt der ſehr vernachlaͤſſigten Vorſchneide-<lb/> kunſt, in welcher noch im vorigen Jahrhunderte beſonders die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [200/0214]
In Beziehung auf das Vorſchneiden will ich aber noch,
einer eigenen ſchmerzlichen Erfahrung gedenkend, der Cautele
erwaͤhnen, das Geſicht ſo wie die Naſe dem zu zerſchneiden-
den Objekte nicht zu nahe zu bringen. Es gilt fuͤr unſchicklich,
hat aber noch viel wichtigere Gruͤnde gegen ſich.
Ich hatte einſt die Verpflichtung uͤbernommen, fuͤr noch
zwei Freunde ein Spanferkel zu zerlegen. Das zarte Geſchoͤpf
war im Braten beſonders gegluͤckt, und unſere geſammte Er-
wartung hoͤchſt geſteigert. Dadurch zu nie zu billigendem,
etwas haſtigem Eifer angeſpornt, brachte ich ungeſchickt Naſe
und Mund der duftenden Oberflaͤche, eben als ich den Kopf
abgeſchnitten, zu nahe. Ein gluͤhend heißer, in ſolcher Naͤhe
unangenehm riechender und ſchmeckender Dampf entſtroͤmte
dem geoͤffneten Koͤrper, faſt mich betaͤubend, und raubte wie
mit einem Zauberſchlag allen Appetit. Bis ich mich wieder
erholt, geſammelt und gefaßt hatte, waren die beſten Biſſen
von meinen Freunden verzehrt und mir blieb nur noch die
traurige Wahl einer, nicht mehr ganz warmen, vorderen und
einer hinteren Extremitaͤt. — Felix quem faciunt aliena
pericula cautum!
Daß man die Tranſchiruͤbungen nicht bei ſchwierigen
Objekten, wie Truthahn, Gans, Auerhahn, Kalbskopf ꝛc., ſon-
dern bei leichteren, Rindfleiſch, Rebhuhn ꝛc. zu beginnen habe,
iſt klar. Bekannt iſt’s, wie die Hauptſache darin liegt, bei
Gefluͤgel, Wildpret ꝛc. die Gelenkverbindungen zu kennen und
zu treffen. Dieß Alles aber wird, wie geſagt, nicht durch Wort
und Bild klar, ſondern durch unmittelbare Anſchauung und
Uebung. Uebrigens giebt es bei Zerlegung einzelner Objekte
ſehr viel willkuͤhrliche Regeln, welche, mit unbedingter Ver-
werfung anderer, von manchen Meiſtern eigenſinnig und aus-
ſchließlich feſtgehalten werden. Hier waͤre Manches zu verein-
fachen. Moͤchte uͤberhaupt der ſehr vernachlaͤſſigten Vorſchneide-
kunſt, in welcher noch im vorigen Jahrhunderte beſonders die
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