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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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stern aus Taranto zur See in Behältern kommen und ver-
mehrte sie in dem See Fusaro, der von Alters her durch einen
Canal Zusammenhang mit dem See hat und deßwegen Salz-
wasser ist, mit dem glücklichsten Erfolg. In den Monaten, wo
kein r ist, als vom Mai an bis September, durfte keine Auster
angerührt werden, weil sie sich in den heißen Monaten vermeh-
ren. Die Lieblingsspeise des Königs, kleine Würste von Schne-
pfen mit Schweinfleisch vermischt zu einem guten Glas Bur-
gunder, der vortreffliche mit Fasanen gekochte Reis, die Combi-
nation von Sauerkraut und Fasan, die Behandlung des delica-
ten Schwertfisches und Anderes, welches in Hackert's Leben
nachzulesen Niemand gereuen wird, verdient alle Achtung, --
der Wildschweine, rothen Rebhühner, wilden Enten etc. gar nicht
zu gedenken.

Nach diesen Berichten ist vom Kirchenstaat und Rom kaum
etwas zu sagen. Winckelmann schreibt klagend: "Die Luft
in Rom erfordert und befiehlt, sehr mäßig zu sein und dieses
wird verdrießlich und zur Last. -- Ich werde mit Casanova
das Ufer des adriatischen Meeres bis Urbino bestreichen, um
uns mit Kapaunen, das Paar zu einem Paolo, zu mästen.
Eine herrliche Aussicht in's Leben!"

Ich kann mir es nicht versagen, wie in der ersten Vorle-
sung, so auch hier ein Tagbuchfragment mitzutheilen:

-- Mit tiefbewegtem Gemüthe betrat ich in Venedig zuerst
Italienisches Gebiet. Welche Erinnerungen wurden in mir
wach!

Ich war auf die drei bekannten Venetianischen Leiden:
schlechtes Brod, schlechten Wein und schlechten Caffee -- gefaßt.
Ich brannte aber vor Verlangen, die Italienische Käse- und
Knoblauchkocherei, von der ich schon so viel gehört hatte, per-
sönlich kennen zu lernen. Geflissentlich hatte ich mich in einen
Gasthof zweiten Ranges (luna) bringen lassen, von dem ich ge-
hört, daß die Nationaleigenthümlichkeit der Kochkunst noch

ſtern aus Taranto zur See in Behaͤltern kommen und ver-
mehrte ſie in dem See Fuſaro, der von Alters her durch einen
Canal Zuſammenhang mit dem See hat und deßwegen Salz-
waſſer iſt, mit dem gluͤcklichſten Erfolg. In den Monaten, wo
kein r iſt, als vom Mai an bis September, durfte keine Auſter
angeruͤhrt werden, weil ſie ſich in den heißen Monaten vermeh-
ren. Die Lieblingsſpeiſe des Koͤnigs, kleine Wuͤrſte von Schne-
pfen mit Schweinfleiſch vermiſcht zu einem guten Glas Bur-
gunder, der vortreffliche mit Faſanen gekochte Reis, die Combi-
nation von Sauerkraut und Faſan, die Behandlung des delica-
ten Schwertfiſches und Anderes, welches in Hackert’s Leben
nachzuleſen Niemand gereuen wird, verdient alle Achtung, —
der Wildſchweine, rothen Rebhuͤhner, wilden Enten ꝛc. gar nicht
zu gedenken.

Nach dieſen Berichten iſt vom Kirchenſtaat und Rom kaum
etwas zu ſagen. Winckelmann ſchreibt klagend: „Die Luft
in Rom erfordert und befiehlt, ſehr maͤßig zu ſein und dieſes
wird verdrießlich und zur Laſt. — Ich werde mit Caſanova
das Ufer des adriatiſchen Meeres bis Urbino beſtreichen, um
uns mit Kapaunen, das Paar zu einem Paolo, zu maͤſten.
Eine herrliche Ausſicht in’s Leben!“

Ich kann mir es nicht verſagen, wie in der erſten Vorle-
ſung, ſo auch hier ein Tagbuchfragment mitzutheilen:

— Mit tiefbewegtem Gemuͤthe betrat ich in Venedig zuerſt
Italieniſches Gebiet. Welche Erinnerungen wurden in mir
wach!

Ich war auf die drei bekannten Venetianiſchen Leiden:
ſchlechtes Brod, ſchlechten Wein und ſchlechten Caffee — gefaßt.
Ich brannte aber vor Verlangen, die Italieniſche Kaͤſe- und
Knoblauchkocherei, von der ich ſchon ſo viel gehoͤrt hatte, per-
ſoͤnlich kennen zu lernen. Gefliſſentlich hatte ich mich in einen
Gaſthof zweiten Ranges (luna) bringen laſſen, von dem ich ge-
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[58/0072] ſtern aus Taranto zur See in Behaͤltern kommen und ver- mehrte ſie in dem See Fuſaro, der von Alters her durch einen Canal Zuſammenhang mit dem See hat und deßwegen Salz- waſſer iſt, mit dem gluͤcklichſten Erfolg. In den Monaten, wo kein r iſt, als vom Mai an bis September, durfte keine Auſter angeruͤhrt werden, weil ſie ſich in den heißen Monaten vermeh- ren. Die Lieblingsſpeiſe des Koͤnigs, kleine Wuͤrſte von Schne- pfen mit Schweinfleiſch vermiſcht zu einem guten Glas Bur- gunder, der vortreffliche mit Faſanen gekochte Reis, die Combi- nation von Sauerkraut und Faſan, die Behandlung des delica- ten Schwertfiſches und Anderes, welches in Hackert’s Leben nachzuleſen Niemand gereuen wird, verdient alle Achtung, — der Wildſchweine, rothen Rebhuͤhner, wilden Enten ꝛc. gar nicht zu gedenken. Nach dieſen Berichten iſt vom Kirchenſtaat und Rom kaum etwas zu ſagen. Winckelmann ſchreibt klagend: „Die Luft in Rom erfordert und befiehlt, ſehr maͤßig zu ſein und dieſes wird verdrießlich und zur Laſt. — Ich werde mit Caſanova das Ufer des adriatiſchen Meeres bis Urbino beſtreichen, um uns mit Kapaunen, das Paar zu einem Paolo, zu maͤſten. Eine herrliche Ausſicht in’s Leben!“ Ich kann mir es nicht verſagen, wie in der erſten Vorle- ſung, ſo auch hier ein Tagbuchfragment mitzutheilen: — Mit tiefbewegtem Gemuͤthe betrat ich in Venedig zuerſt Italieniſches Gebiet. Welche Erinnerungen wurden in mir wach! Ich war auf die drei bekannten Venetianiſchen Leiden: ſchlechtes Brod, ſchlechten Wein und ſchlechten Caffee — gefaßt. Ich brannte aber vor Verlangen, die Italieniſche Kaͤſe- und Knoblauchkocherei, von der ich ſchon ſo viel gehoͤrt hatte, per- ſoͤnlich kennen zu lernen. Gefliſſentlich hatte ich mich in einen Gaſthof zweiten Ranges (luna) bringen laſſen, von dem ich ge- hoͤrt, daß die Nationaleigenthuͤmlichkeit der Kochkunſt noch

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/72>, abgerufen am 17.05.2024.