Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.Hypochondristen Zimmermann, welcher selbst Teufelsdreck Nun folgte ein sonderbar und abenteuerlich gestalteter brei- Hypochondriſten Zimmermann, welcher ſelbſt Teufelsdreck Nun folgte ein ſonderbar und abenteuerlich geſtalteter brei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0074" n="60"/> Hypochondriſten <hi rendition="#g">Zimmermann</hi>, welcher ſelbſt Teufelsdreck<lb/> mit wahrer Wolluſt kaute, wie er verſichert, war nicht im<lb/> Stande, mich zu troͤſten und zu ermuntern. Da ich weder an<lb/> Zahnſchmerzen, noch am Stein, noch an Wuͤrmern litt, fruch-<lb/> teten auch des <hi rendition="#g">Borellus, Felix Plater, Riverius, Hoff-<lb/> mann’s, Zuͤckert</hi>’s und anderer beruͤhmten Aerzte Empfeh-<lb/> lungen dieſes dagegen bewaͤhrten Mittels nicht das Mindeſte.<lb/> Ich wußte zwar, daß zur Beſeitigung des ſonderbaren Geruches<lb/><hi rendition="#g">Menander</hi> eine in gluͤhender Aſche gebratene Betaruͤbe, <hi rendition="#g">Hie-<lb/> ronymus Trogus</hi> Raute, und <hi rendition="#g">Aemilius Macer</hi> die Ze-<lb/> doaria dazu zu eſſen rathen; das Traurigſte war aber, daß der<lb/> beruͤhmte <hi rendition="#g">Gratarolus</hi> ausdruͤcklich verlangt, der Knoblauch<lb/> muͤſſe gekocht verſpeiſet werden. Das war gerade mein Un-<lb/> gluͤck; denn kalt unter der Cervelatwurſt hatte er viel weniger<lb/> Ueberwindung gekoſtet. Am meiſten encouragirte die Reminis-<lb/> cenz an die zarten Damen des <hi rendition="#g">Boccaccio</hi>, welche auch Lu-<lb/> pinen und Knoblauch zu ſpeiſen pflegten, und ſo gelang es<lb/> endlich, da ich mir nun einmal feſt vorgenommen hatte, alle<lb/> Schwierigkeiten zu uͤberwinden. Das folgende Rindfleiſch war<lb/> ſo gut, als gekochtes Rindfleiſch uͤberhaupt zu ſein vermag;<lb/> von ausgezeichneter Zartheit aber zeigte ſich gedaͤmpftes Lamm-<lb/> fleiſch, welches mit Broccoli gegeben wurde. Zwar kuͤndigte<lb/> eine Kalbscotelette nur zu deutlich ihre innige Vermaͤhlung<lb/> und Saͤttigung mit Knoblauch an, der beigemiſchte Sardellen-<lb/> geſchmack uͤberwog jedoch ſo bedeutend, daß ſie ohne ſonderliche<lb/> Schwierigkeit zu genießen war.</p><lb/> <p>Nun folgte ein ſonderbar und abenteuerlich geſtalteter brei-<lb/> ter Fiſch mit gehackten Sardellen gefuͤllt und in Oel gebraten,<lb/> der mir zwar wohlſchmeckte, wobei jedoch die Unwiſſenſchaftlich-<lb/> keit, mit der ich ihn aß, da mir deſſen ſyſtematiſcher Name<lb/> gaͤnzlich unbekannt war, einigermaßen ſtoͤrend einwirkte. Freude<lb/> machte es dagegen, in einem demnaͤchſt und zwar in ſeiner<lb/> Schale ſervirten Mollusken die Pilgermuſchel (<hi rendition="#aq">Pecten Jaco-<lb/></hi></p> </div> </body> </text> </TEI> [60/0074]
Hypochondriſten Zimmermann, welcher ſelbſt Teufelsdreck
mit wahrer Wolluſt kaute, wie er verſichert, war nicht im
Stande, mich zu troͤſten und zu ermuntern. Da ich weder an
Zahnſchmerzen, noch am Stein, noch an Wuͤrmern litt, fruch-
teten auch des Borellus, Felix Plater, Riverius, Hoff-
mann’s, Zuͤckert’s und anderer beruͤhmten Aerzte Empfeh-
lungen dieſes dagegen bewaͤhrten Mittels nicht das Mindeſte.
Ich wußte zwar, daß zur Beſeitigung des ſonderbaren Geruches
Menander eine in gluͤhender Aſche gebratene Betaruͤbe, Hie-
ronymus Trogus Raute, und Aemilius Macer die Ze-
doaria dazu zu eſſen rathen; das Traurigſte war aber, daß der
beruͤhmte Gratarolus ausdruͤcklich verlangt, der Knoblauch
muͤſſe gekocht verſpeiſet werden. Das war gerade mein Un-
gluͤck; denn kalt unter der Cervelatwurſt hatte er viel weniger
Ueberwindung gekoſtet. Am meiſten encouragirte die Reminis-
cenz an die zarten Damen des Boccaccio, welche auch Lu-
pinen und Knoblauch zu ſpeiſen pflegten, und ſo gelang es
endlich, da ich mir nun einmal feſt vorgenommen hatte, alle
Schwierigkeiten zu uͤberwinden. Das folgende Rindfleiſch war
ſo gut, als gekochtes Rindfleiſch uͤberhaupt zu ſein vermag;
von ausgezeichneter Zartheit aber zeigte ſich gedaͤmpftes Lamm-
fleiſch, welches mit Broccoli gegeben wurde. Zwar kuͤndigte
eine Kalbscotelette nur zu deutlich ihre innige Vermaͤhlung
und Saͤttigung mit Knoblauch an, der beigemiſchte Sardellen-
geſchmack uͤberwog jedoch ſo bedeutend, daß ſie ohne ſonderliche
Schwierigkeit zu genießen war.
Nun folgte ein ſonderbar und abenteuerlich geſtalteter brei-
ter Fiſch mit gehackten Sardellen gefuͤllt und in Oel gebraten,
der mir zwar wohlſchmeckte, wobei jedoch die Unwiſſenſchaftlich-
keit, mit der ich ihn aß, da mir deſſen ſyſtematiſcher Name
gaͤnzlich unbekannt war, einigermaßen ſtoͤrend einwirkte. Freude
machte es dagegen, in einem demnaͤchſt und zwar in ſeiner
Schale ſervirten Mollusken die Pilgermuſchel (Pecten Jaco-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |