Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

zu baden und den gegenschlagenden Wogen anzukämpfen! Ich
konnte länger als eine Stunde nicht satt werden, gegen die
Wellen anzustreben, und mich immer auf's Neue zurückwerfen
zu lassen.

Welches Wollustgefühl durchströmte alle Glieder nach dem
Baden und welcher unschätzbare Appetit hatte sich eingestellt!
Mein Gondolier hatte von Porto franco aus für eine gute
Flasche Cyprier gesorgt, meine Salzburger Zunge wurde ent-
wickelt und enthüllte, in zierliche Scheiben zerschnitten, ihren
schönen Purpur, ein saftiger Granatapfel gesellte sich harmo-
nisch dazu, der azurblaue Himmel lächelte hernieder, lieblich
kühlte der Ostwind, -- und ich genoß in paradiesischer Un-
schuld ein Abendbrod, welches, trotz seiner Frugalität, meinem
Herzen ewig unvergeßlich bleiben wird.

Bei einem etwas längeren Aufenthalte in Italien gewöhnt
man sich so ziemlich an den Knoblauch, der für Italien eben
so charakteristisch ist, als das, freilich etwas übertriebene, Zumi-
schen von Käse an die Speisen; ja man findet wohl in dem
Knoblauch später eine sehr reizende Staffage, die nur mit Be-
dacht und Oekonomie angebracht sein will, um die eigentliche
Landschaft nicht zu bedecken. Was die Käsebeimischungen be-
trifft, so werden sie durch die sanfte Milde des dazu verwen-
deten Parmigiano so glücklich-temperirt, daß sie um so frü-
her ihre anfängliche Fremdartigkeit verlieren. Der so eben be-
zeichnete etwas fade Charakter des Parmesankäses macht es auch
erklärlich, wie er sich mit Apfel, Pfirsche und Feigen verträgt.
Uebrigens verdienen diese Käsebeimischungen schon als Remi-
niscenzen des Homerischen Weinmuses versucht zu werden.

Da unser Weg noch weit ist, sei hiermit vom schönen Ita-
lien geschieden!

Ueber das frugale und steife Spanien, dessen Unglück nicht
hierher gehört, mag es wenig zu sagen genügen. Hr. von
Rumohr
, welcher das Gasthaus zum Bären in Aranjuez be-

zu baden und den gegenſchlagenden Wogen anzukaͤmpfen! Ich
konnte laͤnger als eine Stunde nicht ſatt werden, gegen die
Wellen anzuſtreben, und mich immer auf’s Neue zuruͤckwerfen
zu laſſen.

Welches Wolluſtgefuͤhl durchſtroͤmte alle Glieder nach dem
Baden und welcher unſchaͤtzbare Appetit hatte ſich eingeſtellt!
Mein Gondolier hatte von Porto franco aus fuͤr eine gute
Flaſche Cyprier geſorgt, meine Salzburger Zunge wurde ent-
wickelt und enthuͤllte, in zierliche Scheiben zerſchnitten, ihren
ſchoͤnen Purpur, ein ſaftiger Granatapfel geſellte ſich harmo-
niſch dazu, der azurblaue Himmel laͤchelte hernieder, lieblich
kuͤhlte der Oſtwind, — und ich genoß in paradieſiſcher Un-
ſchuld ein Abendbrod, welches, trotz ſeiner Frugalitaͤt, meinem
Herzen ewig unvergeßlich bleiben wird.

Bei einem etwas laͤngeren Aufenthalte in Italien gewoͤhnt
man ſich ſo ziemlich an den Knoblauch, der fuͤr Italien eben
ſo charakteriſtiſch iſt, als das, freilich etwas uͤbertriebene, Zumi-
ſchen von Kaͤſe an die Speiſen; ja man findet wohl in dem
Knoblauch ſpaͤter eine ſehr reizende Staffage, die nur mit Be-
dacht und Oekonomie angebracht ſein will, um die eigentliche
Landſchaft nicht zu bedecken. Was die Kaͤſebeimiſchungen be-
trifft, ſo werden ſie durch die ſanfte Milde des dazu verwen-
deten Parmigiano ſo gluͤcklich-temperirt, daß ſie um ſo fruͤ-
her ihre anfaͤngliche Fremdartigkeit verlieren. Der ſo eben be-
zeichnete etwas fade Charakter des Parmeſankaͤſes macht es auch
erklaͤrlich, wie er ſich mit Apfel, Pfirſche und Feigen vertraͤgt.
Uebrigens verdienen dieſe Kaͤſebeimiſchungen ſchon als Remi-
niscenzen des Homeriſchen Weinmuſes verſucht zu werden.

Da unſer Weg noch weit iſt, ſei hiermit vom ſchoͤnen Ita-
lien geſchieden!

Ueber das frugale und ſteife Spanien, deſſen Ungluͤck nicht
hierher gehoͤrt, mag es wenig zu ſagen genuͤgen. Hr. von
Rumohr
, welcher das Gaſthaus zum Baͤren in Aranjuez be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0076" n="62"/>
zu baden und den gegen&#x017F;chlagenden Wogen anzuka&#x0364;mpfen! Ich<lb/>
konnte la&#x0364;nger als eine Stunde nicht &#x017F;att werden, gegen die<lb/>
Wellen anzu&#x017F;treben, und mich immer auf&#x2019;s Neue zuru&#x0364;ckwerfen<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Welches Wollu&#x017F;tgefu&#x0364;hl durch&#x017F;tro&#x0364;mte alle Glieder nach dem<lb/>
Baden und welcher un&#x017F;cha&#x0364;tzbare Appetit hatte &#x017F;ich einge&#x017F;tellt!<lb/>
Mein Gondolier hatte von <hi rendition="#g">Porto franco</hi> aus fu&#x0364;r eine gute<lb/>
Fla&#x017F;che Cyprier ge&#x017F;orgt, meine Salzburger Zunge wurde ent-<lb/>
wickelt und enthu&#x0364;llte, in zierliche Scheiben zer&#x017F;chnitten, ihren<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Purpur, ein &#x017F;aftiger Granatapfel ge&#x017F;ellte &#x017F;ich harmo-<lb/>
ni&#x017F;ch dazu, der azurblaue Himmel la&#x0364;chelte hernieder, lieblich<lb/>
ku&#x0364;hlte der O&#x017F;twind, &#x2014; und ich genoß in paradie&#x017F;i&#x017F;cher Un-<lb/>
&#x017F;chuld ein Abendbrod, welches, trotz &#x017F;einer Frugalita&#x0364;t, meinem<lb/>
Herzen ewig unvergeßlich bleiben wird.</p><lb/>
        <p>Bei einem etwas la&#x0364;ngeren Aufenthalte in Italien gewo&#x0364;hnt<lb/>
man &#x017F;ich &#x017F;o ziemlich an den Knoblauch, der fu&#x0364;r Italien eben<lb/>
&#x017F;o charakteri&#x017F;ti&#x017F;ch i&#x017F;t, als das, freilich etwas u&#x0364;bertriebene, Zumi-<lb/>
&#x017F;chen von Ka&#x0364;&#x017F;e an die Spei&#x017F;en; ja man findet wohl in dem<lb/>
Knoblauch &#x017F;pa&#x0364;ter eine &#x017F;ehr reizende Staffage, die nur mit Be-<lb/>
dacht und Oekonomie angebracht &#x017F;ein will, um die eigentliche<lb/>
Land&#x017F;chaft nicht zu bedecken. Was die Ka&#x0364;&#x017F;ebeimi&#x017F;chungen be-<lb/>
trifft, &#x017F;o werden &#x017F;ie durch die &#x017F;anfte Milde des dazu verwen-<lb/>
deten <hi rendition="#g">Parmigiano</hi> &#x017F;o glu&#x0364;cklich-temperirt, daß &#x017F;ie um &#x017F;o fru&#x0364;-<lb/>
her ihre anfa&#x0364;ngliche Fremdartigkeit verlieren. Der &#x017F;o eben be-<lb/>
zeichnete etwas fade Charakter des Parme&#x017F;anka&#x0364;&#x017F;es macht es auch<lb/>
erkla&#x0364;rlich, wie er &#x017F;ich mit Apfel, Pfir&#x017F;che und Feigen vertra&#x0364;gt.<lb/>
Uebrigens verdienen die&#x017F;e Ka&#x0364;&#x017F;ebeimi&#x017F;chungen &#x017F;chon als Remi-<lb/>
niscenzen des Homeri&#x017F;chen Weinmu&#x017F;es ver&#x017F;ucht zu werden.</p><lb/>
        <p>Da un&#x017F;er Weg noch weit i&#x017F;t, &#x017F;ei hiermit vom &#x017F;cho&#x0364;nen Ita-<lb/>
lien ge&#x017F;chieden!</p><lb/>
        <p>Ueber das frugale und &#x017F;teife Spanien, de&#x017F;&#x017F;en Unglu&#x0364;ck nicht<lb/>
hierher geho&#x0364;rt, mag es wenig zu &#x017F;agen genu&#x0364;gen. Hr. <hi rendition="#g">von<lb/>
Rumohr</hi>, welcher das Ga&#x017F;thaus zum Ba&#x0364;ren in Aranjuez be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0076] zu baden und den gegenſchlagenden Wogen anzukaͤmpfen! Ich konnte laͤnger als eine Stunde nicht ſatt werden, gegen die Wellen anzuſtreben, und mich immer auf’s Neue zuruͤckwerfen zu laſſen. Welches Wolluſtgefuͤhl durchſtroͤmte alle Glieder nach dem Baden und welcher unſchaͤtzbare Appetit hatte ſich eingeſtellt! Mein Gondolier hatte von Porto franco aus fuͤr eine gute Flaſche Cyprier geſorgt, meine Salzburger Zunge wurde ent- wickelt und enthuͤllte, in zierliche Scheiben zerſchnitten, ihren ſchoͤnen Purpur, ein ſaftiger Granatapfel geſellte ſich harmo- niſch dazu, der azurblaue Himmel laͤchelte hernieder, lieblich kuͤhlte der Oſtwind, — und ich genoß in paradieſiſcher Un- ſchuld ein Abendbrod, welches, trotz ſeiner Frugalitaͤt, meinem Herzen ewig unvergeßlich bleiben wird. Bei einem etwas laͤngeren Aufenthalte in Italien gewoͤhnt man ſich ſo ziemlich an den Knoblauch, der fuͤr Italien eben ſo charakteriſtiſch iſt, als das, freilich etwas uͤbertriebene, Zumi- ſchen von Kaͤſe an die Speiſen; ja man findet wohl in dem Knoblauch ſpaͤter eine ſehr reizende Staffage, die nur mit Be- dacht und Oekonomie angebracht ſein will, um die eigentliche Landſchaft nicht zu bedecken. Was die Kaͤſebeimiſchungen be- trifft, ſo werden ſie durch die ſanfte Milde des dazu verwen- deten Parmigiano ſo gluͤcklich-temperirt, daß ſie um ſo fruͤ- her ihre anfaͤngliche Fremdartigkeit verlieren. Der ſo eben be- zeichnete etwas fade Charakter des Parmeſankaͤſes macht es auch erklaͤrlich, wie er ſich mit Apfel, Pfirſche und Feigen vertraͤgt. Uebrigens verdienen dieſe Kaͤſebeimiſchungen ſchon als Remi- niscenzen des Homeriſchen Weinmuſes verſucht zu werden. Da unſer Weg noch weit iſt, ſei hiermit vom ſchoͤnen Ita- lien geſchieden! Ueber das frugale und ſteife Spanien, deſſen Ungluͤck nicht hierher gehoͤrt, mag es wenig zu ſagen genuͤgen. Hr. von Rumohr, welcher das Gaſthaus zum Baͤren in Aranjuez be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/76
Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/76>, abgerufen am 24.11.2024.