Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.wird am natürlichsten und ungezwungensten zu essen scheinen, Um nun auf die einzelnen Künste zu kommen, so hat sich Diese Tafelmusiken sind uralt. Homer, der die Sache Der erhabene Platon hat eine ähnliche schwärmerische wird am natuͤrlichſten und ungezwungenſten zu eſſen ſcheinen, Um nun auf die einzelnen Kuͤnſte zu kommen, ſo hat ſich Dieſe Tafelmuſiken ſind uralt. Homer, der die Sache Der erhabene Platon hat eine aͤhnliche ſchwaͤrmeriſche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0091" n="77"/> wird am natuͤrlichſten und ungezwungenſten zu eſſen ſcheinen,<lb/> ja er wird ſchoͤn eſſen, ohne es zu wiſſen und zu wollen. Das<lb/> iſt Gipfel und Bluͤthe der Eßkunſt. Wohlgemerkt, gilt das<lb/> Geſagte vom Eßvirtuoſen; denn kein Kuͤnſtler iſt in groͤßerer<lb/> Gefahr, in’s Uebertriebene und Unſchoͤne zu fallen, als der Eß-<lb/> kuͤnſtler.</p><lb/> <p>Um nun auf die einzelnen Kuͤnſte zu kommen, ſo hat ſich<lb/> keine andere Kunſt mit der Eßkunſt ſo innig zu verſchwiſtern<lb/> geſucht, als die Muſik, was ſchon das Wort: „Tafelmuſik“ be-<lb/> zeugt. Wir haben zwar faktiſch auch eine Tafelpoeſie; aber<lb/> der Name iſt noch nicht uͤblich.</p><lb/> <p>Dieſe Tafelmuſiken ſind uralt. Homer, der die Sache<lb/> verſtand, ſagt, daß die Harfe dem Mahle zur Freundin die<lb/> Goͤtter gegeben. Nun kommen die lieben Ausleger und erwei-<lb/> ſen, es habe bei den Gaſtmaͤhlern der alten Helden haͤufig Pruͤ-<lb/> gel gegeben, und deßhalb, — naͤmlich um dem vorzubeugen<lb/> und die durch Wein aufgeregten Gemuͤther zu beſaͤnftigen, zu<lb/> beſchwichtigen, mild zu ſtimmen, ſo daß ſie nicht an’s Raufen<lb/> und Schlagen daͤchten, oder entſtehende leichtere Zerwuͤrfniſſe,<lb/> Rippenſtoͤße und dergleichen abzuleiten oder zu verſoͤhnen (<hi rendition="#aq">ut ea,<lb/> quae a liberaliori compotatione obvenire solent, incommoda<lb/> averterent</hi>) und nicht zur Luſt und Ergoͤtzung (<hi rendition="#aq">non animi<lb/> causa et ad fovendas voluptates</hi>) — deßhalb haben die Alten<lb/> Tafelmuſik gemacht. Dieß ſagt <hi rendition="#g">Albrecht</hi> in ſeiner 1734 zu<lb/> Leipzig erſchienenen Abhandlung uͤber die Wirkungen der Mu-<lb/> ſik auf den beſeelten Koͤrper, und ſagt, daß dieß <hi rendition="#g">Plutarch</hi> ge-<lb/> ſagt habe, welcher ſagt, daß dieß <hi rendition="#g">Ariſtoxenus</hi> geſagt habe.</p><lb/> <p>Der erhabene <hi rendition="#g">Platon</hi> hat eine aͤhnliche ſchwaͤrmeriſche<lb/> Idee von der Muſik uͤberhaupt, indem er meint, nicht zur ſinn-<lb/> lichen Luſt ſei die Muſik gegeben, ſondern um die Menſchen in<lb/> geſellige Zuſtaͤnde zu bannen, zu zaͤhmen, und vor Verirrun-<lb/> gen, Leidenſchaften und Exzeſſen zu bewahren. Das iſt ganz<lb/> die Poeſie eines Polizeidieners. Der klare <hi rendition="#g">Sirach</hi> iſt hier viel<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [77/0091]
wird am natuͤrlichſten und ungezwungenſten zu eſſen ſcheinen,
ja er wird ſchoͤn eſſen, ohne es zu wiſſen und zu wollen. Das
iſt Gipfel und Bluͤthe der Eßkunſt. Wohlgemerkt, gilt das
Geſagte vom Eßvirtuoſen; denn kein Kuͤnſtler iſt in groͤßerer
Gefahr, in’s Uebertriebene und Unſchoͤne zu fallen, als der Eß-
kuͤnſtler.
Um nun auf die einzelnen Kuͤnſte zu kommen, ſo hat ſich
keine andere Kunſt mit der Eßkunſt ſo innig zu verſchwiſtern
geſucht, als die Muſik, was ſchon das Wort: „Tafelmuſik“ be-
zeugt. Wir haben zwar faktiſch auch eine Tafelpoeſie; aber
der Name iſt noch nicht uͤblich.
Dieſe Tafelmuſiken ſind uralt. Homer, der die Sache
verſtand, ſagt, daß die Harfe dem Mahle zur Freundin die
Goͤtter gegeben. Nun kommen die lieben Ausleger und erwei-
ſen, es habe bei den Gaſtmaͤhlern der alten Helden haͤufig Pruͤ-
gel gegeben, und deßhalb, — naͤmlich um dem vorzubeugen
und die durch Wein aufgeregten Gemuͤther zu beſaͤnftigen, zu
beſchwichtigen, mild zu ſtimmen, ſo daß ſie nicht an’s Raufen
und Schlagen daͤchten, oder entſtehende leichtere Zerwuͤrfniſſe,
Rippenſtoͤße und dergleichen abzuleiten oder zu verſoͤhnen (ut ea,
quae a liberaliori compotatione obvenire solent, incommoda
averterent) und nicht zur Luſt und Ergoͤtzung (non animi
causa et ad fovendas voluptates) — deßhalb haben die Alten
Tafelmuſik gemacht. Dieß ſagt Albrecht in ſeiner 1734 zu
Leipzig erſchienenen Abhandlung uͤber die Wirkungen der Mu-
ſik auf den beſeelten Koͤrper, und ſagt, daß dieß Plutarch ge-
ſagt habe, welcher ſagt, daß dieß Ariſtoxenus geſagt habe.
Der erhabene Platon hat eine aͤhnliche ſchwaͤrmeriſche
Idee von der Muſik uͤberhaupt, indem er meint, nicht zur ſinn-
lichen Luſt ſei die Muſik gegeben, ſondern um die Menſchen in
geſellige Zuſtaͤnde zu bannen, zu zaͤhmen, und vor Verirrun-
gen, Leidenſchaften und Exzeſſen zu bewahren. Das iſt ganz
die Poeſie eines Polizeidieners. Der klare Sirach iſt hier viel
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