Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Heinrich Hart. Verhurt den Leib und kriecht in Koth und StaubUnd steht wie Tiger über einem Raub Euch lauernd gegenüber, jeder wägt, Wie er den andren rückwärts niederschlägt. Und dennoch scheidet edel und gemein Und bös und gut ihr, scheidet groß und klein -- Ich: Das Große ist die Liebe, die uns eint, Das Mitleid, das den Weinenden beweint, Der Glaube, daß kein ander Wirken lebt, Als Treue, die im Dienst der Menschheit strebt -- Er: Das ist das Große, ihr verhehlt's euch nicht, Das ist es, was den Bann des Ichs durchbricht. Ich: Dein Wort wühlt wie mit Flammen durch mein Herz, Sag', was mich rettet von des Daseins Schmerz. Er: Blick auf zu mir und frage; was Du siehst, Verkündet Dir, wie Du dem Ich entfliehst. Ich: Was deutet dieser Stern Dir überm Haupt? Er: Selig der Mann, deß Sinne nie bestaubt. Ich: Und was der Tropfen Bluts auf Deiner Brust? Er: Selig, wem Wunden schlug der Erde Lust. Ich: Und was der Schein, der kränzend Dich umwebt? Er: Selig, wer lebend stirbt und sterbend lebt. Ich: So ist das Leben Tod, Du aber bist Der Keim, in dem des Lebens Fülle ist. Er: Ich war's, der beim Gekreuzigten einst stand, Der ihn mit Gott, dem Kern des Alls verband, Die Liebe hatte aufgezehrt sein Ich, Drum verschmolz mit Gott sein Ewiges sich. 13*
Heinrich Hart. Verhurt den Leib und kriecht in Koth und StaubUnd ſteht wie Tiger über einem Raub Euch lauernd gegenüber, jeder wägt, Wie er den andren rückwärts niederſchlägt. Und dennoch ſcheidet edel und gemein Und bös und gut ihr, ſcheidet groß und klein — Ich: Das Große iſt die Liebe, die uns eint, Das Mitleid, das den Weinenden beweint, Der Glaube, daß kein ander Wirken lebt, Als Treue, die im Dienſt der Menſchheit ſtrebt — Er: Das iſt das Große, ihr verhehlt’s euch nicht, Das iſt es, was den Bann des Ichs durchbricht. Ich: Dein Wort wühlt wie mit Flammen durch mein Herz, Sag’, was mich rettet von des Daſeins Schmerz. Er: Blick auf zu mir und frage; was Du ſiehſt, Verkündet Dir, wie Du dem Ich entfliehſt. Ich: Was deutet dieſer Stern Dir überm Haupt? Er: Selig der Mann, deß Sinne nie beſtaubt. Ich: Und was der Tropfen Bluts auf Deiner Bruſt? Er: Selig, wem Wunden ſchlug der Erde Luſt. Ich: Und was der Schein, der kränzend Dich umwebt? Er: Selig, wer lebend ſtirbt und ſterbend lebt. Ich: So iſt das Leben Tod, Du aber biſt Der Keim, in dem des Lebens Fülle iſt. Er: Ich war’s, der beim Gekreuzigten einſt ſtand, Der ihn mit Gott, dem Kern des Alls verband, Die Liebe hatte aufgezehrt ſein Ich, Drum verſchmolz mit Gott ſein Ewiges ſich. 13*
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Heinrich Hart.
Verhurt den Leib und kriecht in Koth und Staub
Und ſteht wie Tiger über einem Raub
Euch lauernd gegenüber, jeder wägt,
Wie er den andren rückwärts niederſchlägt.
Und dennoch ſcheidet edel und gemein
Und bös und gut ihr, ſcheidet groß und klein —
Ich: Das Große iſt die Liebe, die uns eint,
Das Mitleid, das den Weinenden beweint,
Der Glaube, daß kein ander Wirken lebt,
Als Treue, die im Dienſt der Menſchheit ſtrebt —
Er: Das iſt das Große, ihr verhehlt’s euch nicht,
Das iſt es, was den Bann des Ichs durchbricht.
Ich: Dein Wort wühlt wie mit Flammen durch mein Herz,
Sag’, was mich rettet von des Daſeins Schmerz.
Er: Blick auf zu mir und frage; was Du ſiehſt,
Verkündet Dir, wie Du dem Ich entfliehſt.
Ich: Was deutet dieſer Stern Dir überm Haupt?
Er: Selig der Mann, deß Sinne nie beſtaubt.
Ich: Und was der Tropfen Bluts auf Deiner Bruſt?
Er: Selig, wem Wunden ſchlug der Erde Luſt.
Ich: Und was der Schein, der kränzend Dich umwebt?
Er: Selig, wer lebend ſtirbt und ſterbend lebt.
Ich: So iſt das Leben Tod, Du aber biſt
Der Keim, in dem des Lebens Fülle iſt.
Er: Ich war’s, der beim Gekreuzigten einſt ſtand,
Der ihn mit Gott, dem Kern des Alls verband,
Die Liebe hatte aufgezehrt ſein Ich,
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