Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.Sein Vater zu dem Herrn hinging, Sprach: "Gebt mir los den Gefangnen, "Drey hundert Gulden geben wir, "Wohl für des Knaben Leben." "Drey hundert Gulden die helfen euch nicht, "Der Knabe der muß sterben, "Er trägt von Gold eine Kett' am Hals, "Die bringt ihn um sein Leben." "Trägt er von Gold eine Kett' am Hals, "Die hat er nicht gestohlen, "Hat ihm ein zart Jungfrau verehrt; "Dabey sie ihn erzogen." Man bracht den Knaben aus dem Thurm, Gab ihm die Sakramente: "Hilf reicher Christ vom Himmel hoch, "Es geht mit mir am Ende." Man bracht ihn zum Gericht hinaus, Die Leiter muß er steigen: "Ach Meister, liebster Meister mein, "Laß mir eine kleine Weile!" "Eine kleine Weile laß ich dir nicht, "Du möchtest mir entrinnen, "Langt mir ein seiden Tüchlein her, "Daß ich seine Augen verbinde." "Ach meine Augen verbinde mir nicht, "Ich muß die Welt anschauen, Sein Vater zu dem Herrn hinging, Sprach: „Gebt mir los den Gefangnen, „Drey hundert Gulden geben wir, „Wohl fuͤr des Knaben Leben.“ „Drey hundert Gulden die helfen euch nicht, „Der Knabe der muß ſterben, „Er traͤgt von Gold eine Kett' am Hals, „Die bringt ihn um ſein Leben.“ „Traͤgt er von Gold eine Kett' am Hals, „Die hat er nicht geſtohlen, „Hat ihm ein zart Jungfrau verehrt; „Dabey ſie ihn erzogen.“ Man bracht den Knaben aus dem Thurm, Gab ihm die Sakramente: „Hilf reicher Chriſt vom Himmel hoch, „Es geht mit mir am Ende.“ Man bracht ihn zum Gericht hinaus, Die Leiter muß er ſteigen: „Ach Meiſter, liebſter Meiſter mein, „Laß mir eine kleine Weile!“ „Eine kleine Weile laß ich dir nicht, „Du moͤchteſt mir entrinnen, „Langt mir ein ſeiden Tuͤchlein her, „Daß ich ſeine Augen verbinde.“ „Ach meine Augen verbinde mir nicht, „Ich muß die Welt anſchauen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0230" n="221"/> <lg n="5"> <l>Sein Vater zu dem Herrn hinging,</l><lb/> <l>Sprach: „Gebt mir los den Gefangnen,</l><lb/> <l>„Drey hundert Gulden geben wir,</l><lb/> <l>„Wohl fuͤr des Knaben Leben.“</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>„Drey hundert Gulden die helfen euch nicht,</l><lb/> <l>„Der Knabe der muß ſterben,</l><lb/> <l>„Er traͤgt von Gold eine Kett' am Hals,</l><lb/> <l>„Die bringt ihn um ſein Leben.“</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>„Traͤgt er von Gold eine Kett' am Hals,</l><lb/> <l>„Die hat er nicht geſtohlen,</l><lb/> <l>„Hat ihm ein zart Jungfrau verehrt;</l><lb/> <l>„Dabey ſie ihn erzogen.“</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Man bracht den Knaben aus dem Thurm,</l><lb/> <l>Gab ihm die Sakramente:</l><lb/> <l>„Hilf reicher Chriſt vom Himmel hoch,</l><lb/> <l>„Es geht mit mir am Ende.“</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Man bracht ihn zum Gericht hinaus,</l><lb/> <l>Die Leiter muß er ſteigen:</l><lb/> <l>„Ach Meiſter, liebſter Meiſter mein,</l><lb/> <l>„Laß mir eine kleine Weile!“</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>„Eine kleine Weile laß ich dir nicht,</l><lb/> <l>„Du moͤchteſt mir entrinnen,</l><lb/> <l>„Langt mir ein ſeiden Tuͤchlein her,</l><lb/> <l>„Daß ich ſeine Augen verbinde.“</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>„Ach meine Augen verbinde mir nicht,</l><lb/> <l>„Ich muß die Welt anſchauen,</l><lb/> <l/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0230]
Sein Vater zu dem Herrn hinging,
Sprach: „Gebt mir los den Gefangnen,
„Drey hundert Gulden geben wir,
„Wohl fuͤr des Knaben Leben.“
„Drey hundert Gulden die helfen euch nicht,
„Der Knabe der muß ſterben,
„Er traͤgt von Gold eine Kett' am Hals,
„Die bringt ihn um ſein Leben.“
„Traͤgt er von Gold eine Kett' am Hals,
„Die hat er nicht geſtohlen,
„Hat ihm ein zart Jungfrau verehrt;
„Dabey ſie ihn erzogen.“
Man bracht den Knaben aus dem Thurm,
Gab ihm die Sakramente:
„Hilf reicher Chriſt vom Himmel hoch,
„Es geht mit mir am Ende.“
Man bracht ihn zum Gericht hinaus,
Die Leiter muß er ſteigen:
„Ach Meiſter, liebſter Meiſter mein,
„Laß mir eine kleine Weile!“
„Eine kleine Weile laß ich dir nicht,
„Du moͤchteſt mir entrinnen,
„Langt mir ein ſeiden Tuͤchlein her,
„Daß ich ſeine Augen verbinde.“
„Ach meine Augen verbinde mir nicht,
„Ich muß die Welt anſchauen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |