Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.Daß dich dein Feind der Tod im Tod bewundernd zier, Ja wir fühlen es, wie die Sprache unter dem gewaltigen *) Es wäre mir leicht einige zu nennen, bey denen recht gute kräftige alte Bücher verboten, die seichtesten dafür eingeführt, doch hilft das nichts, vielleicht hilft ihnen diese Betrachtung, um schlechte moralische Komö- dien-Lieder und Schriften dem Volke nicht weiter aufzudringen, daß keiner über das Heiligste schlecht schreiben kann, der nicht selbst schlecht ist, sie werden dann auch den Widerstand des Volks gegen neue Gesang- bücher verstehen lernen. **) Warum Tiek vor allen frühern Bearbeitern und Herausgebern ein un-
sterbliches Verdienst zukommt, das wird jedem mitfühlenden Leser seine herrliche Einl[e]itung zu den Calenbürgern bewähren; nicht Neugierde, sondern reiner Sinn für ihren Werth bestimmte ihn, er hielt das Große Daß dich dein Feind der Tod im Tod bewundernd zier, Ja wir fuͤhlen es, wie die Sprache unter dem gewaltigen *) Es waͤre mir leicht einige zu nennen, bey denen recht gute kraͤftige alte Buͤcher verboten, die ſeichteſten dafuͤr eingefuͤhrt, doch hilft das nichts, vielleicht hilft ihnen dieſe Betrachtung, um ſchlechte moraliſche Komoͤ- dien-Lieder und Schriften dem Volke nicht weiter aufzudringen, daß keiner uͤber das Heiligſte ſchlecht ſchreiben kann, der nicht ſelbſt ſchlecht iſt, ſie werden dann auch den Widerſtand des Volks gegen neue Geſang- buͤcher verſtehen lernen. **) Warum Tiek vor allen fruͤhern Bearbeitern und Herausgebern ein un-
ſterbliches Verdienſt zukommt, das wird jedem mitfuͤhlenden Leſer ſeine herrliche Einl[e]itung zu den Calenbuͤrgern bewaͤhren; nicht Neugierde, ſondern reiner Sinn fuͤr ihren Werth beſtimmte ihn, er hielt das Große <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="3"> <pb facs="#f0469" n="450[460]"/> <l>Daß dich dein Feind der Tod im Tod bewundernd zier,</l><lb/> <l>Dein Vater im Geſicht dein ernſtes Leben ſpuͤr.</l><lb/> <l>Mein Sohn, wer Tyrannei geuͤbriget will leben,</l><lb/> <l>Muß ſeines Lebens ſich freiwillig vor begeben,</l><lb/> <l>Wer nur des Tods begehrt, wer nur friſch geht dahin,</l><lb/> <l>Der hat den Sieg und dann das Leben zu Gewinn.</l> </lg> </lg><lb/> <p>Ja wir fuͤhlen es, wie die Sprache unter dem gewaltigen<lb/> Triebe in ſolchen Punkten ſich weitet, wir ſehen dagegen die<lb/> ruhige ſinkende Erde aſiatiſcher Steppen in der ſtillen Verſteine-<lb/> rung (Steinfermentation) allmaͤhlig allem lebenden Eindrucke<lb/> ſich verſchließen, jene Freiheit alter Sprache, die Starrheit der<lb/> heutigen, ſie ſagen mehr, als ich ſagen mag. Doch dieſes wie<lb/> ſo manches andere wunderbare Lied iſt aus den Ohren des Vol-<lb/> kes verklungen, den Gelehrten allein uͤbrig blieben, die es nicht<lb/> verſtehen, alle Volksbuͤcher ſind ſo fortdauernd blos von unwiſ-<lb/> ſenden Speculanten beſorgt, von Regierungen willkuͤhrlich leicht-<lb/> ſinnig <note place="foot" n="*)">Es waͤre mir leicht einige zu nennen, bey denen recht gute kraͤftige alte<lb/> Buͤcher verboten, die ſeichteſten dafuͤr eingefuͤhrt, doch hilft das nichts,<lb/> vielleicht hilft ihnen dieſe Betrachtung, um ſchlechte moraliſche Komoͤ-<lb/> dien-Lieder und Schriften dem Volke nicht weiter aufzudringen, daß<lb/> keiner uͤber das Heiligſte ſchlecht ſchreiben kann, der nicht ſelbſt ſchlecht<lb/> iſt, ſie werden dann auch den Widerſtand des Volks gegen neue Geſang-<lb/> buͤcher verſtehen lernen.</note> beſchraͤnkt und verboten, daß es faſt nur ein Zufall,<lb/> oder ein hohes Schickſal, wie uns ſo manches Wunderſchoͤne in<lb/> dieſen Tagen angemahnt hat, zu fuͤhlen und zu wiſſen, zu ahn-<lb/> den, zu traͤumen was Volkslied iſt und wieder werden kann,<lb/> das Hoͤchſte und das Einzige zugleich durch Stadt und Land <note xml:id="note-0469" next="#note-0470" place="foot" n="**)">Warum Tiek vor allen fruͤhern Bearbeitern und Herausgebern ein un-<lb/> ſterbliches Verdienſt zukommt, das wird jedem mitfuͤhlenden Leſer ſeine<lb/> herrliche Einl<supplied>e</supplied>itung zu den Calenbuͤrgern bewaͤhren; nicht Neugierde,<lb/> ſondern reiner Sinn fuͤr ihren Werth beſtimmte ihn, er hielt das Große</note>.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [450[460]/0469]
Daß dich dein Feind der Tod im Tod bewundernd zier,
Dein Vater im Geſicht dein ernſtes Leben ſpuͤr.
Mein Sohn, wer Tyrannei geuͤbriget will leben,
Muß ſeines Lebens ſich freiwillig vor begeben,
Wer nur des Tods begehrt, wer nur friſch geht dahin,
Der hat den Sieg und dann das Leben zu Gewinn.
Ja wir fuͤhlen es, wie die Sprache unter dem gewaltigen
Triebe in ſolchen Punkten ſich weitet, wir ſehen dagegen die
ruhige ſinkende Erde aſiatiſcher Steppen in der ſtillen Verſteine-
rung (Steinfermentation) allmaͤhlig allem lebenden Eindrucke
ſich verſchließen, jene Freiheit alter Sprache, die Starrheit der
heutigen, ſie ſagen mehr, als ich ſagen mag. Doch dieſes wie
ſo manches andere wunderbare Lied iſt aus den Ohren des Vol-
kes verklungen, den Gelehrten allein uͤbrig blieben, die es nicht
verſtehen, alle Volksbuͤcher ſind ſo fortdauernd blos von unwiſ-
ſenden Speculanten beſorgt, von Regierungen willkuͤhrlich leicht-
ſinnig *) beſchraͤnkt und verboten, daß es faſt nur ein Zufall,
oder ein hohes Schickſal, wie uns ſo manches Wunderſchoͤne in
dieſen Tagen angemahnt hat, zu fuͤhlen und zu wiſſen, zu ahn-
den, zu traͤumen was Volkslied iſt und wieder werden kann,
das Hoͤchſte und das Einzige zugleich durch Stadt und Land **).
*) Es waͤre mir leicht einige zu nennen, bey denen recht gute kraͤftige alte
Buͤcher verboten, die ſeichteſten dafuͤr eingefuͤhrt, doch hilft das nichts,
vielleicht hilft ihnen dieſe Betrachtung, um ſchlechte moraliſche Komoͤ-
dien-Lieder und Schriften dem Volke nicht weiter aufzudringen, daß
keiner uͤber das Heiligſte ſchlecht ſchreiben kann, der nicht ſelbſt ſchlecht
iſt, ſie werden dann auch den Widerſtand des Volks gegen neue Geſang-
buͤcher verſtehen lernen.
**) Warum Tiek vor allen fruͤhern Bearbeitern und Herausgebern ein un-
ſterbliches Verdienſt zukommt, das wird jedem mitfuͤhlenden Leſer ſeine
herrliche Einleitung zu den Calenbuͤrgern bewaͤhren; nicht Neugierde,
ſondern reiner Sinn fuͤr ihren Werth beſtimmte ihn, er hielt das Große
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