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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

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be anfängt; noch wahner der Streit über Kunst *), welche nur
ein Ausdruck des ewigen Daseyns. Wo Kugel auf Kugel
trift, da sinken beyde einträchtig zusammen, wie die Hexame-
ter zweyer Homeriden. -- Wen die Musik nur einmal wirklich
berührt, den drängt und treibt sie etwas aufzusuchen, was nicht
Musik **), worin sie ihre verübereilende Macht binden kann.
Im Alterthume scheint die Musik der Plastik näher verbunden,
vor den Götterbildern tönend zu erscheinen, war ein Fest, die
Memnonseule ist uns ein Symbol dafür; vielleicht war Musik
eben so in der Zeit der Mahlerey dieser sehr wahr; allgemeiner
ist Musik und ursprünglicher (bey uns besonders an den Ufern
der Donau) dem Tanze, (am Rheine) dem Worte verbun-
den ***). Der deutsche Tanz, das einfache Zeichen der Annähe-
rung, Verbindung und Aneignung wächst an den Ufern der

*) Assonanz und andre Aeußerungen der Spracheinigung sind den Gebilde-
ten bis auf unsre Zeit fremd gewesen, von den simpeln Recensenten
verspottet, von ihren Freunden geheimnißvoll angepriesen, das Volks-
lied hat sie ohne Anmaßung, erkennt sie ohne Zwang, und zeigt sogar
ihren besseren Gebrauch in Werken, die nicht für die Assonanz gewirkt
sind, sondern nur in der Assonanz werden konnten.
**) Sie hat in der Erfindung der Harmonie ein eichenfestes Haus sich er-
baut, nicht in der Harmonie, wie sie in Büchern steht, sondern wie sie
im Kopfe guter Instrumental-Komponisten, oder solcher Tonkünstler
klingt, welche die Stimme als Instrument gebraucht haben, in Kirchen-
musiken. Daraus folgt aber nicht die Nothwendigkeit dieser Harmonie,
wo die Musik wieder im Worte gebunden erscheint.
***) Aus einem sehr erklärlichen Misverständnisse bey denen, die einer der
Künste nur mächtig sich gern gnügen wollten, entstand musikalische
Poesie und poetische Musik, wenn aber etwas Poesie werden könnte,
wäre es nicht Musik geworden, und umgekehrt. Diese beyden edlen
Sinne des Geistes befinden sich dabey wie in der Fabel Storch und
Fuchs bey gleicher Schüssel.

be anfaͤngt; noch wahner der Streit uͤber Kunſt *), welche nur
ein Ausdruck des ewigen Daſeyns. Wo Kugel auf Kugel
trift, da ſinken beyde eintraͤchtig zuſammen, wie die Hexame-
ter zweyer Homeriden. — Wen die Muſik nur einmal wirklich
beruͤhrt, den draͤngt und treibt ſie etwas aufzuſuchen, was nicht
Muſik **), worin ſie ihre veruͤbereilende Macht binden kann.
Im Alterthume ſcheint die Muſik der Plaſtik naͤher verbunden,
vor den Goͤtterbildern toͤnend zu erſcheinen, war ein Feſt, die
Memnonſeule iſt uns ein Symbol dafuͤr; vielleicht war Muſik
eben ſo in der Zeit der Mahlerey dieſer ſehr wahr; allgemeiner
iſt Muſik und urſpruͤnglicher (bey uns beſonders an den Ufern
der Donau) dem Tanze, (am Rheine) dem Worte verbun-
den ***). Der deutſche Tanz, das einfache Zeichen der Annaͤhe-
rung, Verbindung und Aneignung waͤchſt an den Ufern der

*) Aſſonanz und andre Aeußerungen der Spracheinigung ſind den Gebilde-
ten bis auf unſre Zeit fremd geweſen, von den ſimpeln Recenſenten
verſpottet, von ihren Freunden geheimnißvoll angeprieſen, das Volks-
lied hat ſie ohne Anmaßung, erkennt ſie ohne Zwang, und zeigt ſogar
ihren beſſeren Gebrauch in Werken, die nicht fuͤr die Aſſonanz gewirkt
ſind, ſondern nur in der Aſſonanz werden konnten.
**) Sie hat in der Erfindung der Harmonie ein eichenfeſtes Haus ſich er-
baut, nicht in der Harmonie, wie ſie in Buͤchern ſteht, ſondern wie ſie
im Kopfe guter Inſtrumental-Komponiſten, oder ſolcher Tonkuͤnſtler
klingt, welche die Stimme als Inſtrument gebraucht haben, in Kirchen-
muſiken. Daraus folgt aber nicht die Nothwendigkeit dieſer Harmonie,
wo die Muſik wieder im Worte gebunden erſcheint.
***) Aus einem ſehr erklaͤrlichen Misverſtaͤndniſſe bey denen, die einer der
Kuͤnſte nur maͤchtig ſich gern gnuͤgen wollten, entſtand muſikaliſche
Poeſie und poetiſche Muſik, wenn aber etwas Poeſie werden koͤnnte,
waͤre es nicht Muſik geworden, und umgekehrt. Dieſe beyden edlen
Sinne des Geiſtes befinden ſich dabey wie in der Fabel Storch und
Fuchs bey gleicher Schuͤſſel.
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[453[463]/0472] be anfaͤngt; noch wahner der Streit uͤber Kunſt *), welche nur ein Ausdruck des ewigen Daſeyns. Wo Kugel auf Kugel trift, da ſinken beyde eintraͤchtig zuſammen, wie die Hexame- ter zweyer Homeriden. — Wen die Muſik nur einmal wirklich beruͤhrt, den draͤngt und treibt ſie etwas aufzuſuchen, was nicht Muſik **), worin ſie ihre veruͤbereilende Macht binden kann. Im Alterthume ſcheint die Muſik der Plaſtik naͤher verbunden, vor den Goͤtterbildern toͤnend zu erſcheinen, war ein Feſt, die Memnonſeule iſt uns ein Symbol dafuͤr; vielleicht war Muſik eben ſo in der Zeit der Mahlerey dieſer ſehr wahr; allgemeiner iſt Muſik und urſpruͤnglicher (bey uns beſonders an den Ufern der Donau) dem Tanze, (am Rheine) dem Worte verbun- den ***). Der deutſche Tanz, das einfache Zeichen der Annaͤhe- rung, Verbindung und Aneignung waͤchſt an den Ufern der *) Aſſonanz und andre Aeußerungen der Spracheinigung ſind den Gebilde- ten bis auf unſre Zeit fremd geweſen, von den ſimpeln Recenſenten verſpottet, von ihren Freunden geheimnißvoll angeprieſen, das Volks- lied hat ſie ohne Anmaßung, erkennt ſie ohne Zwang, und zeigt ſogar ihren beſſeren Gebrauch in Werken, die nicht fuͤr die Aſſonanz gewirkt ſind, ſondern nur in der Aſſonanz werden konnten. **) Sie hat in der Erfindung der Harmonie ein eichenfeſtes Haus ſich er- baut, nicht in der Harmonie, wie ſie in Buͤchern ſteht, ſondern wie ſie im Kopfe guter Inſtrumental-Komponiſten, oder ſolcher Tonkuͤnſtler klingt, welche die Stimme als Inſtrument gebraucht haben, in Kirchen- muſiken. Daraus folgt aber nicht die Nothwendigkeit dieſer Harmonie, wo die Muſik wieder im Worte gebunden erſcheint. ***) Aus einem ſehr erklaͤrlichen Misverſtaͤndniſſe bey denen, die einer der Kuͤnſte nur maͤchtig ſich gern gnuͤgen wollten, entſtand muſikaliſche Poeſie und poetiſche Muſik, wenn aber etwas Poeſie werden koͤnnte, waͤre es nicht Muſik geworden, und umgekehrt. Dieſe beyden edlen Sinne des Geiſtes befinden ſich dabey wie in der Fabel Storch und Fuchs bey gleicher Schuͤſſel.

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 453[463]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/472>, abgerufen am 21.11.2024.