Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.Donau, bis zur reichsten inneren Bedeutsamkeit im oberöster- Es ist nit lang, daß es g'regnet hat, Die Bäumli tröpfle noch, Ich hab einmal ein Schätzl gehabt, Ich wollt ich hätt es noch. Dagegen singen wohl die Jungen: In dem Wasser schnalzt der Fisch, Lustig wer noch ledig ist. Was von den Sizilianern erzählt wird, die spielende Freu- *) Wie nur sehr große Künstler andre fremde Meisterwerke lieben können,
so hat auch der Haufe dort eine Abneigung gegen fremdartige Musik. So lieb es mir wäre, wenn der gute Geist der Zeit am Wiedermusiziren der Volkslieder sich rechtschaffen übte, so traurig ist mir, daß ich viele der besten Volksmelodieen aus: Unkenntniß nicht mittheilen kann, weil doch vielleicht nur eine große innere Melodie für jedes vorhanden, ob die früher oder später einem Menschen ins Ohr fällt, das kann keiner sagen, aufhorchen kann jeder. Donau, bis zur reichſten inneren Bedeutſamkeit im oberoͤſter- Es iſt nit lang, daß es g'regnet hat, Die Baͤumli troͤpfle noch, Ich hab einmal ein Schaͤtzl gehabt, Ich wollt ich haͤtt es noch. Dagegen ſingen wohl die Jungen: In dem Waſſer ſchnalzt der Fiſch, Luſtig wer noch ledig iſt. Was von den Sizilianern erzaͤhlt wird, die ſpielende Freu- *) Wie nur ſehr große Kuͤnſtler andre fremde Meiſterwerke lieben koͤnnen,
ſo hat auch der Haufe dort eine Abneigung gegen fremdartige Muſik. So lieb es mir waͤre, wenn der gute Geiſt der Zeit am Wiedermuſiziren der Volkslieder ſich rechtſchaffen uͤbte, ſo traurig iſt mir, daß ich viele der beſten Volksmelodieen aus: Unkenntniß nicht mittheilen kann, weil doch vielleicht nur eine große innere Melodie fuͤr jedes vorhanden, ob die fruͤher oder ſpaͤter einem Menſchen ins Ohr faͤllt, das kann keiner ſagen, aufhorchen kann jeder. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0473" n="454[464]"/> Donau, bis zur reichſten inneren Bedeutſamkeit im oberoͤſter-<lb/> reichiſchen Laͤndriſchen, die Muſik waͤchſt und wetteifert mit ihm<lb/> in hoher Erfindſamkeit und der Sinn beſchraͤnkt ſich immer feſter<lb/> auf die gemeinſchaftliche eigne Bildung des Volks <note place="foot" n="*)">Wie nur ſehr große Kuͤnſtler andre fremde Meiſterwerke lieben koͤnnen,<lb/> ſo hat auch der Haufe dort eine Abneigung gegen fremdartige Muſik.<lb/> So lieb es mir waͤre, wenn der gute Geiſt der Zeit am Wiedermuſiziren<lb/> der Volkslieder ſich rechtſchaffen uͤbte, ſo traurig iſt mir, daß ich viele der<lb/> beſten Volksmelodieen aus: Unkenntniß nicht mittheilen kann, weil<lb/> doch vielleicht nur eine große innere Melodie fuͤr jedes vorhanden, ob die<lb/> fruͤher oder ſpaͤter einem Menſchen ins Ohr faͤllt, das kann keiner ſagen,<lb/> aufhorchen kann jeder.</note>. Es iſt<lb/> nicht jene wohlige frohmuͤthige Zaͤrtlichkeit durch Schwaben und<lb/> Oeſterreich, die uns in den unzerriſſenen Gegenden des Rheins<lb/> ergreift, es iſt oͤfter ein Spott der Liebe in der Liebe, ein<lb/> Uebermuth, der ſich verzagt ſtellt, ein Kind das ſich vor unſern<lb/> Augen hinter einen Strauch ſtellt, heraus rufend: Wo bin ich?<lb/> So iſt Melodie und auch ihr Wort, wo ſie zu Worten kommt,<lb/> in der Liebe (die ſich ſelbander Einſamkeit iſt), beym Weine,<lb/> beym Jagdtreiben, auf Wallfahrten, oder wo das Alter die<lb/> Sehnen der Fuͤße abſpannt:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Es iſt nit lang, daß es g'regnet hat,</l><lb/> <l>Die Baͤumli troͤpfle noch,</l><lb/> <l>Ich hab einmal ein Schaͤtzl gehabt,</l><lb/> <l>Ich wollt ich haͤtt es noch.</l> </lg><lb/> <p>Dagegen ſingen wohl die Jungen:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>In dem Waſſer ſchnalzt der Fiſch,</l><lb/> <l>Luſtig wer noch ledig iſt.</l> </lg><lb/> <p>Was von den Sizilianern erzaͤhlt wird, die ſpielende Freu-<lb/> digkeit, in der alles zum Liede wird und ohne die Nichts ein<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [454[464]/0473]
Donau, bis zur reichſten inneren Bedeutſamkeit im oberoͤſter-
reichiſchen Laͤndriſchen, die Muſik waͤchſt und wetteifert mit ihm
in hoher Erfindſamkeit und der Sinn beſchraͤnkt ſich immer feſter
auf die gemeinſchaftliche eigne Bildung des Volks *). Es iſt
nicht jene wohlige frohmuͤthige Zaͤrtlichkeit durch Schwaben und
Oeſterreich, die uns in den unzerriſſenen Gegenden des Rheins
ergreift, es iſt oͤfter ein Spott der Liebe in der Liebe, ein
Uebermuth, der ſich verzagt ſtellt, ein Kind das ſich vor unſern
Augen hinter einen Strauch ſtellt, heraus rufend: Wo bin ich?
So iſt Melodie und auch ihr Wort, wo ſie zu Worten kommt,
in der Liebe (die ſich ſelbander Einſamkeit iſt), beym Weine,
beym Jagdtreiben, auf Wallfahrten, oder wo das Alter die
Sehnen der Fuͤße abſpannt:
Es iſt nit lang, daß es g'regnet hat,
Die Baͤumli troͤpfle noch,
Ich hab einmal ein Schaͤtzl gehabt,
Ich wollt ich haͤtt es noch.
Dagegen ſingen wohl die Jungen:
In dem Waſſer ſchnalzt der Fiſch,
Luſtig wer noch ledig iſt.
Was von den Sizilianern erzaͤhlt wird, die ſpielende Freu-
digkeit, in der alles zum Liede wird und ohne die Nichts ein
*) Wie nur ſehr große Kuͤnſtler andre fremde Meiſterwerke lieben koͤnnen,
ſo hat auch der Haufe dort eine Abneigung gegen fremdartige Muſik.
So lieb es mir waͤre, wenn der gute Geiſt der Zeit am Wiedermuſiziren
der Volkslieder ſich rechtſchaffen uͤbte, ſo traurig iſt mir, daß ich viele der
beſten Volksmelodieen aus: Unkenntniß nicht mittheilen kann, weil
doch vielleicht nur eine große innere Melodie fuͤr jedes vorhanden, ob die
fruͤher oder ſpaͤter einem Menſchen ins Ohr faͤllt, das kann keiner ſagen,
aufhorchen kann jeder.
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