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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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beitet, bis er zur Ruhe kommt, untergehen sollen wir in
ihm, wie die Sonne unter die Meereswellen, aber auch
wiederkommen wie sie. So ist dir's geworden, Goethe,
keiner weiß wie Du mit Gott vertraut warst, und was
für Reichthum Du von ihm erlangt hast, wenn Du un-
tergegangen warst im Genuß.

Das seh' ich gerne, wenn die Sonne untergeht,
wenn die Erde ihre Gluth in sich saugt, und ihr die
feurigen Flügel leise zusammen faltet und die Nacht
durch gefangen hält, da wird es still auf der Welt, die
Sehnsucht steigt so heimlich aus den Finsternissen em-
por; ihr leuchten die Sterne so unerreichbar über'm
Haupt, so unreichbar, Goethe!

Wenn man seelig sein soll, da wird man so zag-
haft, das Herz scheidet zitternd vom Glück, noch ehe es
den Willkommen gewagt; -- auch ich fühl's, daß ich
meinem Glück nicht gewachsen bin. Welche Allbefähi-
gung, um Dich zu fassen! -- Liebe muß eine Meister-
schaft erwerben, das Geliebte besitzen wollen, wie es der
gemeine Menschenverstand nimmt, ist nicht der ewigen
Liebe würdig, und scheitert jeden Augenblick am klein-
sten Ereigniß. -- Das ist meine erste Aufgabe, daß ich
mich Dir aneigne, nicht aber Dich besitzen wolle, Du
allbegehrlichster!


Ich

beitet, bis er zur Ruhe kommt, untergehen ſollen wir in
ihm, wie die Sonne unter die Meereswellen, aber auch
wiederkommen wie ſie. So iſt dir's geworden, Goethe,
keiner weiß wie Du mit Gott vertraut warſt, und was
für Reichthum Du von ihm erlangt haſt, wenn Du un-
tergegangen warſt im Genuß.

Das ſeh' ich gerne, wenn die Sonne untergeht,
wenn die Erde ihre Gluth in ſich ſaugt, und ihr die
feurigen Flügel leiſe zuſammen faltet und die Nacht
durch gefangen hält, da wird es ſtill auf der Welt, die
Sehnſucht ſteigt ſo heimlich aus den Finſterniſſen em-
por; ihr leuchten die Sterne ſo unerreichbar über'm
Haupt, ſo unreichbar, Goethe!

Wenn man ſeelig ſein ſoll, da wird man ſo zag-
haft, das Herz ſcheidet zitternd vom Glück, noch ehe es
den Willkommen gewagt; — auch ich fühl's, daß ich
meinem Glück nicht gewachſen bin. Welche Allbefähi-
gung, um Dich zu faſſen! — Liebe muß eine Meiſter-
ſchaft erwerben, das Geliebte beſitzen wollen, wie es der
gemeine Menſchenverſtand nimmt, iſt nicht der ewigen
Liebe würdig, und ſcheitert jeden Augenblick am klein-
ſten Ereigniß. — Das iſt meine erſte Aufgabe, daß ich
mich Dir aneigne, nicht aber Dich beſitzen wolle, Du
allbegehrlichſter!


Ich
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[192/0224] beitet, bis er zur Ruhe kommt, untergehen ſollen wir in ihm, wie die Sonne unter die Meereswellen, aber auch wiederkommen wie ſie. So iſt dir's geworden, Goethe, keiner weiß wie Du mit Gott vertraut warſt, und was für Reichthum Du von ihm erlangt haſt, wenn Du un- tergegangen warſt im Genuß. Das ſeh' ich gerne, wenn die Sonne untergeht, wenn die Erde ihre Gluth in ſich ſaugt, und ihr die feurigen Flügel leiſe zuſammen faltet und die Nacht durch gefangen hält, da wird es ſtill auf der Welt, die Sehnſucht ſteigt ſo heimlich aus den Finſterniſſen em- por; ihr leuchten die Sterne ſo unerreichbar über'm Haupt, ſo unreichbar, Goethe! Wenn man ſeelig ſein ſoll, da wird man ſo zag- haft, das Herz ſcheidet zitternd vom Glück, noch ehe es den Willkommen gewagt; — auch ich fühl's, daß ich meinem Glück nicht gewachſen bin. Welche Allbefähi- gung, um Dich zu faſſen! — Liebe muß eine Meiſter- ſchaft erwerben, das Geliebte beſitzen wollen, wie es der gemeine Menſchenverſtand nimmt, iſt nicht der ewigen Liebe würdig, und ſcheitert jeden Augenblick am klein- ſten Ereigniß. — Das iſt meine erſte Aufgabe, daß ich mich Dir aneigne, nicht aber Dich beſitzen wolle, Du allbegehrlichſter! Ich

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/224>, abgerufen am 21.11.2024.