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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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ihren nicht wohlgebildeten Lippen kam, überfiel mich
ein innerlicher Grimm; sie erzählte mir, daß Du sie
Amie in deinen Briefen nenntest; ach, sie hat mir's
gewiß angesehen, daß dies mir sehr unerwartet kam;
ach, sie sagte noch mehr. -- Nun riß mir aber die Ge-
duld; -- wie kannst Du einem so unangenehmen Ge-
sicht freundlich sein? -- Ach, da sieht man, daß Du
eitel bist. -- Oder sie hat auch wohl nur gelogen! --
Wär' ich bei Dir, ich litt's nicht. So wie Feen mit
feurigen Drachen, würd' ich mit Blicken meinen Schatz
bewachen. Nun sitz' ich weit entfernt von Dir, weiß
nicht was Du alles treibst, und bin nur froh, wenn
mich keine Gedanken plagen.

Ich könnte Dir ein Buch schreiben über alles was
ich in den acht Tagen mit der Mutter verhandelt und
erlebt habe. Sie konnte kaum erwarten, daß ich kam,
um alles mit ihr zu recapituliren. Da gab's Vorwürfe;
ich war empfindlich, daß sie auf ihre Bekanntschaft mit
der Stael einen so großen Werth legte; sie nannte mich
kindisch und albern und eingebildet, und was zu schätzen
sei, dem müsse man die Achtung nicht versagen, und
man könne über eine solche Frau nicht wie über eine
Gosse springen und weiter laufen; es sei allemal eine
ausgezeichnete Ehre vom Schicksal, sich mit einem be-

ihren nicht wohlgebildeten Lippen kam, überfiel mich
ein innerlicher Grimm; ſie erzählte mir, daß Du ſie
Amie in deinen Briefen nennteſt; ach, ſie hat mir's
gewiß angeſehen, daß dies mir ſehr unerwartet kam;
ach, ſie ſagte noch mehr. — Nun riß mir aber die Ge-
duld; — wie kannſt Du einem ſo unangenehmen Ge-
ſicht freundlich ſein? — Ach, da ſieht man, daß Du
eitel biſt. — Oder ſie hat auch wohl nur gelogen! —
Wär' ich bei Dir, ich litt's nicht. So wie Feen mit
feurigen Drachen, würd' ich mit Blicken meinen Schatz
bewachen. Nun ſitz' ich weit entfernt von Dir, weiß
nicht was Du alles treibſt, und bin nur froh, wenn
mich keine Gedanken plagen.

Ich könnte Dir ein Buch ſchreiben über alles was
ich in den acht Tagen mit der Mutter verhandelt und
erlebt habe. Sie konnte kaum erwarten, daß ich kam,
um alles mit ihr zu recapituliren. Da gab's Vorwürfe;
ich war empfindlich, daß ſie auf ihre Bekanntſchaft mit
der Staël einen ſo großen Werth legte; ſie nannte mich
kindiſch und albern und eingebildet, und was zu ſchätzen
ſei, dem müſſe man die Achtung nicht verſagen, und
man könne über eine ſolche Frau nicht wie über eine
Goſſe ſpringen und weiter laufen; es ſei allemal eine
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[318/0350] ihren nicht wohlgebildeten Lippen kam, überfiel mich ein innerlicher Grimm; ſie erzählte mir, daß Du ſie Amie in deinen Briefen nennteſt; ach, ſie hat mir's gewiß angeſehen, daß dies mir ſehr unerwartet kam; ach, ſie ſagte noch mehr. — Nun riß mir aber die Ge- duld; — wie kannſt Du einem ſo unangenehmen Ge- ſicht freundlich ſein? — Ach, da ſieht man, daß Du eitel biſt. — Oder ſie hat auch wohl nur gelogen! — Wär' ich bei Dir, ich litt's nicht. So wie Feen mit feurigen Drachen, würd' ich mit Blicken meinen Schatz bewachen. Nun ſitz' ich weit entfernt von Dir, weiß nicht was Du alles treibſt, und bin nur froh, wenn mich keine Gedanken plagen. Ich könnte Dir ein Buch ſchreiben über alles was ich in den acht Tagen mit der Mutter verhandelt und erlebt habe. Sie konnte kaum erwarten, daß ich kam, um alles mit ihr zu recapituliren. Da gab's Vorwürfe; ich war empfindlich, daß ſie auf ihre Bekanntſchaft mit der Staël einen ſo großen Werth legte; ſie nannte mich kindiſch und albern und eingebildet, und was zu ſchätzen ſei, dem müſſe man die Achtung nicht verſagen, und man könne über eine ſolche Frau nicht wie über eine Goſſe ſpringen und weiter laufen; es ſei allemal eine ausgezeichnete Ehre vom Schickſal, ſich mit einem be-

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/350>, abgerufen am 22.11.2024.