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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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deutenden und berühmten Menschen zu berühren. Ich
wußte es so zu wenden, daß mir die Mutter endlich
deinen Brief zeigte, worin Du ihr Glück wünschest, mit
diesem Meteor zusammen zu stoßen, und da polterte
denn alle ihre vorgetragne Weisheit aus deinem Brief
hervor. Ich erbarmte mich über Dich und sagte: Eitel
ist der Götterjüngling; er führt den Beweis für seine
ewige Jugend. -- Die Mutter verstand keinen Spaß;
sie meinte: ich nehme mir zu viel heraus, und ich soll
mir doch nicht einbilden, daß Du ein anderes Interesse
an mir habest, als man an Kindern habe, die noch mit
der Puppe spielen; mit der Stael könnest Du Welt-
weisheit machen; mit mir könnest Du nur tändlen.
Wenn die Mutter recht hätte? -- wenn's nichts wär'
mit meinen neu erfundnen Gedanken, von denen ich
glaubte, ich habe sie alleine? -- Wie hab' ich doch in
diesen paar Monaten, wo ich am Rhein lebe, nur blos
an Dich gedacht! -- Jede Wolke hab' ich um Rath ge-
fragt, jeden Baum, jedes Kraut hab' ich angesprochen
um Weisheit; und von jeder Zerstreuung hab' ich mich
abgewendet, um recht tief mit Dir zu sprechen. O bö-
ser, harter Mann, was sind das für Geschichten? Wie
oft hab' ich zu meinem Schutzengel gebetet, daß er doch
für mich mit Dir sprechen soll, und dann hab' ich mich

deutenden und berühmten Menſchen zu berühren. Ich
wußte es ſo zu wenden, daß mir die Mutter endlich
deinen Brief zeigte, worin Du ihr Glück wünſcheſt, mit
dieſem Meteor zuſammen zu ſtoßen, und da polterte
denn alle ihre vorgetragne Weisheit aus deinem Brief
hervor. Ich erbarmte mich über Dich und ſagte: Eitel
iſt der Götterjüngling; er führt den Beweis für ſeine
ewige Jugend. — Die Mutter verſtand keinen Spaß;
ſie meinte: ich nehme mir zu viel heraus, und ich ſoll
mir doch nicht einbilden, daß Du ein anderes Intereſſe
an mir habeſt, als man an Kindern habe, die noch mit
der Puppe ſpielen; mit der Staël könneſt Du Welt-
weisheit machen; mit mir könneſt Du nur tändlen.
Wenn die Mutter recht hätte? — wenn's nichts wär'
mit meinen neu erfundnen Gedanken, von denen ich
glaubte, ich habe ſie alleine? — Wie hab' ich doch in
dieſen paar Monaten, wo ich am Rhein lebe, nur blos
an Dich gedacht! — Jede Wolke hab' ich um Rath ge-
fragt, jeden Baum, jedes Kraut hab' ich angeſprochen
um Weisheit; und von jeder Zerſtreuung hab' ich mich
abgewendet, um recht tief mit Dir zu ſprechen. O bö-
ſer, harter Mann, was ſind das für Geſchichten? Wie
oft hab' ich zu meinem Schutzengel gebetet, daß er doch
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[319/0351] deutenden und berühmten Menſchen zu berühren. Ich wußte es ſo zu wenden, daß mir die Mutter endlich deinen Brief zeigte, worin Du ihr Glück wünſcheſt, mit dieſem Meteor zuſammen zu ſtoßen, und da polterte denn alle ihre vorgetragne Weisheit aus deinem Brief hervor. Ich erbarmte mich über Dich und ſagte: Eitel iſt der Götterjüngling; er führt den Beweis für ſeine ewige Jugend. — Die Mutter verſtand keinen Spaß; ſie meinte: ich nehme mir zu viel heraus, und ich ſoll mir doch nicht einbilden, daß Du ein anderes Intereſſe an mir habeſt, als man an Kindern habe, die noch mit der Puppe ſpielen; mit der Staël könneſt Du Welt- weisheit machen; mit mir könneſt Du nur tändlen. Wenn die Mutter recht hätte? — wenn's nichts wär' mit meinen neu erfundnen Gedanken, von denen ich glaubte, ich habe ſie alleine? — Wie hab' ich doch in dieſen paar Monaten, wo ich am Rhein lebe, nur blos an Dich gedacht! — Jede Wolke hab' ich um Rath ge- fragt, jeden Baum, jedes Kraut hab' ich angeſprochen um Weisheit; und von jeder Zerſtreuung hab' ich mich abgewendet, um recht tief mit Dir zu ſprechen. O bö- ſer, harter Mann, was ſind das für Geſchichten? Wie oft hab' ich zu meinem Schutzengel gebetet, daß er doch für mich mit Dir ſprechen ſoll, und dann hab' ich mich

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/351>, abgerufen am 21.11.2024.