werk vom erhabenen Styl, und ich kann auch sagen, daß es mich ganz mit stummer heiliger Ehrfurcht er- füllte. Noch viele dergleichen sind da; alles hat Be- zug auf den Rhein, unter andern ein Schiff von Ce- dernholz, so fein gemacht, mit schönen Arabesken; ein Basrelief umgiebt den Obertheil des Schiffes, auf dessen Verdeck die drei Kürfürsten von Kölln, Mainz und Trier sitzen und zechen; Knappen stehen hinter ihnen mit Hen- kelkrügen. Dies hat mir nicht so viel Freud' gemacht, obschon viel Schönes daran ist, besonders die Glücks- göttin, die am Vordertheil des Schiffes angebracht ist.
Ich beschreib' Ihr noch einen Humpen, das ist ein wahres Meisterstück und stellt eine Kelter vor. In der Mitte steht ein hohes Faß, das ist der eigentliche Hum- pen; auf beiden Seiten klettern in zierlichen Verschlin- gungen Knaben hinauf mit Butten voll Trauben über die Schultern von Männern, um an den Rand zu ge- langen und ihre Trauben auszuschütten; in der Mitte, als Knopf des Deckels der etwas tief in den Rand des Humpens paßt, steht Bacchus mit zwei Tigern die an ihm hinanspringen; er ist im Begriff die Trauben, deren gehäufte Menge mit einzelnen Ranken dazwischen, den Deckel bilden, mit den Füßen zu keltern. Die Knaben die von allen Seiten herüberreichen um ihre Gefäße mit
werk vom erhabenen Styl, und ich kann auch ſagen, daß es mich ganz mit ſtummer heiliger Ehrfurcht er- füllte. Noch viele dergleichen ſind da; alles hat Be- zug auf den Rhein, unter andern ein Schiff von Ce- dernholz, ſo fein gemacht, mit ſchönen Arabesken; ein Basrelief umgiebt den Obertheil des Schiffes, auf deſſen Verdeck die drei Kürfürſten von Kölln, Mainz und Trier ſitzen und zechen; Knappen ſtehen hinter ihnen mit Hen- kelkrügen. Dies hat mir nicht ſo viel Freud' gemacht, obſchon viel Schönes daran iſt, beſonders die Glücks- göttin, die am Vordertheil des Schiffes angebracht iſt.
Ich beſchreib' Ihr noch einen Humpen, das iſt ein wahres Meiſterſtück und ſtellt eine Kelter vor. In der Mitte ſteht ein hohes Faß, das iſt der eigentliche Hum- pen; auf beiden Seiten klettern in zierlichen Verſchlin- gungen Knaben hinauf mit Butten voll Trauben über die Schultern von Männern, um an den Rand zu ge- langen und ihre Trauben auszuſchütten; in der Mitte, als Knopf des Deckels der etwas tief in den Rand des Humpens paßt, ſteht Bacchus mit zwei Tigern die an ihm hinanſpringen; er iſt im Begriff die Trauben, deren gehäufte Menge mit einzelnen Ranken dazwiſchen, den Deckel bilden, mit den Füßen zu keltern. Die Knaben die von allen Seiten herüberreichen um ihre Gefäße mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0098"n="66"/>
werk vom erhabenen Styl, und ich kann auch ſagen,<lb/>
daß es mich ganz mit ſtummer heiliger Ehrfurcht er-<lb/>
füllte. Noch viele dergleichen ſind da; alles hat Be-<lb/>
zug auf den Rhein, unter andern ein Schiff von Ce-<lb/>
dernholz, ſo fein gemacht, mit ſchönen Arabesken; ein<lb/>
Basrelief umgiebt den Obertheil des Schiffes, auf deſſen<lb/>
Verdeck die drei Kürfürſten von Kölln, Mainz und Trier<lb/>ſitzen und zechen; Knappen ſtehen hinter ihnen mit Hen-<lb/>
kelkrügen. Dies hat mir nicht ſo viel Freud' gemacht,<lb/>
obſchon viel Schönes daran iſt, beſonders die Glücks-<lb/>
göttin, die am Vordertheil des Schiffes angebracht iſt.</p><lb/><p>Ich beſchreib' Ihr noch einen Humpen, das iſt ein<lb/>
wahres Meiſterſtück und ſtellt eine Kelter vor. In der<lb/>
Mitte ſteht ein hohes Faß, das iſt der eigentliche Hum-<lb/>
pen; auf beiden Seiten klettern in zierlichen Verſchlin-<lb/>
gungen Knaben hinauf mit Butten voll Trauben über<lb/>
die Schultern von Männern, um an den Rand zu ge-<lb/>
langen und ihre Trauben auszuſchütten; in der Mitte,<lb/>
als Knopf des Deckels der etwas tief in den Rand des<lb/>
Humpens paßt, ſteht Bacchus mit zwei Tigern die an<lb/>
ihm hinanſpringen; er iſt im Begriff die Trauben, deren<lb/>
gehäufte Menge mit einzelnen Ranken dazwiſchen, den<lb/>
Deckel bilden, mit den Füßen zu keltern. Die Knaben<lb/>
die von allen Seiten herüberreichen um ihre Gefäße mit<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[66/0098]
werk vom erhabenen Styl, und ich kann auch ſagen,
daß es mich ganz mit ſtummer heiliger Ehrfurcht er-
füllte. Noch viele dergleichen ſind da; alles hat Be-
zug auf den Rhein, unter andern ein Schiff von Ce-
dernholz, ſo fein gemacht, mit ſchönen Arabesken; ein
Basrelief umgiebt den Obertheil des Schiffes, auf deſſen
Verdeck die drei Kürfürſten von Kölln, Mainz und Trier
ſitzen und zechen; Knappen ſtehen hinter ihnen mit Hen-
kelkrügen. Dies hat mir nicht ſo viel Freud' gemacht,
obſchon viel Schönes daran iſt, beſonders die Glücks-
göttin, die am Vordertheil des Schiffes angebracht iſt.
Ich beſchreib' Ihr noch einen Humpen, das iſt ein
wahres Meiſterſtück und ſtellt eine Kelter vor. In der
Mitte ſteht ein hohes Faß, das iſt der eigentliche Hum-
pen; auf beiden Seiten klettern in zierlichen Verſchlin-
gungen Knaben hinauf mit Butten voll Trauben über
die Schultern von Männern, um an den Rand zu ge-
langen und ihre Trauben auszuſchütten; in der Mitte,
als Knopf des Deckels der etwas tief in den Rand des
Humpens paßt, ſteht Bacchus mit zwei Tigern die an
ihm hinanſpringen; er iſt im Begriff die Trauben, deren
gehäufte Menge mit einzelnen Ranken dazwiſchen, den
Deckel bilden, mit den Füßen zu keltern. Die Knaben
die von allen Seiten herüberreichen um ihre Gefäße mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/98>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.