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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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Dich nur einmal von weitem zu sehen; der eine hatte
Dich aus dem Schauspiel gehen sehen, in einen großen
grauen Mantel gehüllt, er erzählte es mir immer wie-
der. -- Wie mir das ein doppelter Genuß war! --
denn ich war ja selbst an jenem Regentag mit Dir im
Schauspiel gewesen, und dieser Mantel schützte mich vor
den Augen der Menge wie ich in deiner Loge war, und
Du nanntest mich Mäuschen, weil ich so heimlich ver-
borgen aus seinen weiten Falten hervorlauschte; ich saß
im Dunkel, Du aber im Licht der Kerzen, Du mußtest
meine Liebe ahnen, ich konnte deine süße Freundlichkeit,
die in allen Zügen, in jeder Bewegung verschmolzen
war, deutlich erkennen; ja, ich bin reich, der goldne
Pactolus fließt durch meine Adern und setzt seine Schätze
in meinem Herzen ab. Nun sieh! -- solch süßer Ge-
nuß von Ewigkeit zu Ewigkeit, warum ist der den Lie-
benden in deinen Roman nicht erlaubt? -- oder warum
genügt er ihnen nicht? -- ja, es kann sein daß ein an-
der Geschick noch zwischen uns tritt, ja, es muß sein,
da doch alle Menschen handeln wollen, so werden sie
einen solchen Spielraum nicht unbenutzt lassen; laß sie
gewähren, laß sie säen und erndten, das ist es nicht; --
die Schauer der Liebe, die tief empfundnen, werden einst
wieder auftauchen; die Seele liebt ja; was ist es denn

Dich nur einmal von weitem zu ſehen; der eine hatte
Dich aus dem Schauſpiel gehen ſehen, in einen großen
grauen Mantel gehüllt, er erzählte es mir immer wie-
der. — Wie mir das ein doppelter Genuß war! —
denn ich war ja ſelbſt an jenem Regentag mit Dir im
Schauſpiel geweſen, und dieſer Mantel ſchützte mich vor
den Augen der Menge wie ich in deiner Loge war, und
Du nannteſt mich Mäuschen, weil ich ſo heimlich ver-
borgen aus ſeinen weiten Falten hervorlauſchte; ich ſaß
im Dunkel, Du aber im Licht der Kerzen, Du mußteſt
meine Liebe ahnen, ich konnte deine ſüße Freundlichkeit,
die in allen Zügen, in jeder Bewegung verſchmolzen
war, deutlich erkennen; ja, ich bin reich, der goldne
Pactolus fließt durch meine Adern und ſetzt ſeine Schätze
in meinem Herzen ab. Nun ſieh! — ſolch ſüßer Ge-
nuß von Ewigkeit zu Ewigkeit, warum iſt der den Lie-
benden in deinen Roman nicht erlaubt? — oder warum
genügt er ihnen nicht? — ja, es kann ſein daß ein an-
der Geſchick noch zwiſchen uns tritt, ja, es muß ſein,
da doch alle Menſchen handeln wollen, ſo werden ſie
einen ſolchen Spielraum nicht unbenutzt laſſen; laß ſie
gewähren, laß ſie ſäen und erndten, das iſt es nicht; —
die Schauer der Liebe, die tief empfundnen, werden einſt
wieder auftauchen; die Seele liebt ja; was iſt es denn

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[138/0148] Dich nur einmal von weitem zu ſehen; der eine hatte Dich aus dem Schauſpiel gehen ſehen, in einen großen grauen Mantel gehüllt, er erzählte es mir immer wie- der. — Wie mir das ein doppelter Genuß war! — denn ich war ja ſelbſt an jenem Regentag mit Dir im Schauſpiel geweſen, und dieſer Mantel ſchützte mich vor den Augen der Menge wie ich in deiner Loge war, und Du nannteſt mich Mäuschen, weil ich ſo heimlich ver- borgen aus ſeinen weiten Falten hervorlauſchte; ich ſaß im Dunkel, Du aber im Licht der Kerzen, Du mußteſt meine Liebe ahnen, ich konnte deine ſüße Freundlichkeit, die in allen Zügen, in jeder Bewegung verſchmolzen war, deutlich erkennen; ja, ich bin reich, der goldne Pactolus fließt durch meine Adern und ſetzt ſeine Schätze in meinem Herzen ab. Nun ſieh! — ſolch ſüßer Ge- nuß von Ewigkeit zu Ewigkeit, warum iſt der den Lie- benden in deinen Roman nicht erlaubt? — oder warum genügt er ihnen nicht? — ja, es kann ſein daß ein an- der Geſchick noch zwiſchen uns tritt, ja, es muß ſein, da doch alle Menſchen handeln wollen, ſo werden ſie einen ſolchen Spielraum nicht unbenutzt laſſen; laß ſie gewähren, laß ſie ſäen und erndten, das iſt es nicht; — die Schauer der Liebe, die tief empfundnen, werden einſt wieder auftauchen; die Seele liebt ja; was iſt es denn

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/148>, abgerufen am 21.11.2024.