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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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was im keimenden Saamen befruchtet wird? die tief
verschloßne, noch ungeborne Blüthe, diese, ihre Zu-
kunft
, wird erzeugt durch solche Schauer; die Seele
aber ist die verschloßne Blüthe des Leibes, und wenn
sie aus ihm hervorbricht, dann werden jene Liebesschauer
in erhöhtem Gefühl mit hervorbrechen, ja, diese Liebe
wird nichts anders sein, als der Athem jenes zukünfti-
gen himmlischen Lebens, drum klopft uns auch das Herz
und der Athem regiert das unbegreifliche Wonnegefühl;
bald schöpft er mit tiefem Seufzer aus dem Abgrund
der Seeligkeit, bald kann er mit Windesschnelle kaum
alles erfassen was ihn gewaltig durchströmt. Ja, so ist
es, lieber Goethe, ich empfinde jede Minute, in der ich
deiner gedenke, daß sie die Grenze des irdischen Lebens
überschreitet, und die tiefen Seufzer wechseln unversehen
mit den raschen Pulsen der Begeisterung; ja, so ist es,
diese Schauer der Liebe sind der Athem eines höheren
Lebens, dem wir einst angehören werden, und das uns
in diesen irdischen Beseeligungen nur sanft anbläst.

Nun will ich wieder zu meinem jungen Künstler
zurückkehren, der einer der liebenswürdigsten Familien
angehört, deren alle sehr hoch begabten Mitglieder so
jung schon jetzt weit über ihre Zeit hinausragen. Lud-
wig Grimm, der Zeichner, machte schon vor zwei Jahren,

was im keimenden Saamen befruchtet wird? die tief
verſchloßne, noch ungeborne Blüthe, dieſe, ihre Zu-
kunft
, wird erzeugt durch ſolche Schauer; die Seele
aber iſt die verſchloßne Blüthe des Leibes, und wenn
ſie aus ihm hervorbricht, dann werden jene Liebesſchauer
in erhöhtem Gefühl mit hervorbrechen, ja, dieſe Liebe
wird nichts anders ſein, als der Athem jenes zukünfti-
gen himmliſchen Lebens, drum klopft uns auch das Herz
und der Athem regiert das unbegreifliche Wonnegefühl;
bald ſchöpft er mit tiefem Seufzer aus dem Abgrund
der Seeligkeit, bald kann er mit Windesſchnelle kaum
alles erfaſſen was ihn gewaltig durchſtrömt. Ja, ſo iſt
es, lieber Goethe, ich empfinde jede Minute, in der ich
deiner gedenke, daß ſie die Grenze des irdiſchen Lebens
überſchreitet, und die tiefen Seufzer wechſeln unverſehen
mit den raſchen Pulſen der Begeiſterung; ja, ſo iſt es,
dieſe Schauer der Liebe ſind der Athem eines höheren
Lebens, dem wir einſt angehören werden, und das uns
in dieſen irdiſchen Beſeeligungen nur ſanft anbläſt.

Nun will ich wieder zu meinem jungen Künſtler
zurückkehren, der einer der liebenswürdigſten Familien
angehört, deren alle ſehr hoch begabten Mitglieder ſo
jung ſchon jetzt weit über ihre Zeit hinausragen. Lud-
wig Grimm, der Zeichner, machte ſchon vor zwei Jahren,

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[139/0149] was im keimenden Saamen befruchtet wird? die tief verſchloßne, noch ungeborne Blüthe, dieſe, ihre Zu- kunft, wird erzeugt durch ſolche Schauer; die Seele aber iſt die verſchloßne Blüthe des Leibes, und wenn ſie aus ihm hervorbricht, dann werden jene Liebesſchauer in erhöhtem Gefühl mit hervorbrechen, ja, dieſe Liebe wird nichts anders ſein, als der Athem jenes zukünfti- gen himmliſchen Lebens, drum klopft uns auch das Herz und der Athem regiert das unbegreifliche Wonnegefühl; bald ſchöpft er mit tiefem Seufzer aus dem Abgrund der Seeligkeit, bald kann er mit Windesſchnelle kaum alles erfaſſen was ihn gewaltig durchſtrömt. Ja, ſo iſt es, lieber Goethe, ich empfinde jede Minute, in der ich deiner gedenke, daß ſie die Grenze des irdiſchen Lebens überſchreitet, und die tiefen Seufzer wechſeln unverſehen mit den raſchen Pulſen der Begeiſterung; ja, ſo iſt es, dieſe Schauer der Liebe ſind der Athem eines höheren Lebens, dem wir einſt angehören werden, und das uns in dieſen irdiſchen Beſeeligungen nur ſanft anbläſt. Nun will ich wieder zu meinem jungen Künſtler zurückkehren, der einer der liebenswürdigſten Familien angehört, deren alle ſehr hoch begabten Mitglieder ſo jung ſchon jetzt weit über ihre Zeit hinausragen. Lud- wig Grimm, der Zeichner, machte ſchon vor zwei Jahren,

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/149>, abgerufen am 24.11.2024.