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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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schlachtfeld, frei gemacht ist von irdischen Banden, daß
er hin kann wo die Liebe ihn ruft.

Ja wenn alles wahr würde was ich schon in der
Phantasie erlebt habe, wenn alle glanzvollen Ereignisse
meines innern Lebens auch im äußern sich spiegelten,
dann hättest Du schon große und gewaltige Dinge von
deinem Kind erfahren, ich kann Dir nicht sagen was ich
träumend schon gethan habe, wie das Blut in mir tobt,
daß ich wohl sagen kann ich hab eine Sehnsucht es zu
verspritzen.

Mein alter Claviermeister kam zurück zitternd und
bleich: was hat in den Papieren gestanden die Sie mir
für den Kronprinzen anvertrauten sagte er, wenn es
mich nur nicht auf ewig unglücklich macht, der Kron-
prinz schien aufgeregt, ja erzürnt während dem Lesen,
und wie er mich gewahr wurde hieß er mich gehen ohne
wie sonst mir auch nur ein gnädiges Wort zu sagen. --
Ich mußte lachen, der Claviermeister wurde immer ängst-
licher ich immer lustiger, ich freute mich schon auf meine
Gefangenschaft, und wie ich da in der Einsamkeit mei-
nen philosophischen Gedanken nachhängen würde, ich
dachte: dann fängt mein Geschick doch einmal an, Le-
ben zu gewinnen, es muß doch einmal was draus ent-
stehen; aber so kam es wieder nicht, ein einzigmal sah

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ſchlachtfeld, frei gemacht iſt von irdiſchen Banden, daß
er hin kann wo die Liebe ihn ruft.

Ja wenn alles wahr würde was ich ſchon in der
Phantaſie erlebt habe, wenn alle glanzvollen Ereigniſſe
meines innern Lebens auch im äußern ſich ſpiegelten,
dann hätteſt Du ſchon große und gewaltige Dinge von
deinem Kind erfahren, ich kann Dir nicht ſagen was ich
träumend ſchon gethan habe, wie das Blut in mir tobt,
daß ich wohl ſagen kann ich hab eine Sehnſucht es zu
verſpritzen.

Mein alter Claviermeiſter kam zurück zitternd und
bleich: was hat in den Papieren geſtanden die Sie mir
für den Kronprinzen anvertrauten ſagte er, wenn es
mich nur nicht auf ewig unglücklich macht, der Kron-
prinz ſchien aufgeregt, ja erzürnt während dem Leſen,
und wie er mich gewahr wurde hieß er mich gehen ohne
wie ſonſt mir auch nur ein gnädiges Wort zu ſagen. —
Ich mußte lachen, der Claviermeiſter wurde immer ängſt-
licher ich immer luſtiger, ich freute mich ſchon auf meine
Gefangenſchaft, und wie ich da in der Einſamkeit mei-
nen philoſophiſchen Gedanken nachhängen würde, ich
dachte: dann fängt mein Geſchick doch einmal an, Le-
ben zu gewinnen, es muß doch einmal was draus ent-
ſtehen; aber ſo kam es wieder nicht, ein einzigmal ſah

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[51/0061] ſchlachtfeld, frei gemacht iſt von irdiſchen Banden, daß er hin kann wo die Liebe ihn ruft. Ja wenn alles wahr würde was ich ſchon in der Phantaſie erlebt habe, wenn alle glanzvollen Ereigniſſe meines innern Lebens auch im äußern ſich ſpiegelten, dann hätteſt Du ſchon große und gewaltige Dinge von deinem Kind erfahren, ich kann Dir nicht ſagen was ich träumend ſchon gethan habe, wie das Blut in mir tobt, daß ich wohl ſagen kann ich hab eine Sehnſucht es zu verſpritzen. Mein alter Claviermeiſter kam zurück zitternd und bleich: was hat in den Papieren geſtanden die Sie mir für den Kronprinzen anvertrauten ſagte er, wenn es mich nur nicht auf ewig unglücklich macht, der Kron- prinz ſchien aufgeregt, ja erzürnt während dem Leſen, und wie er mich gewahr wurde hieß er mich gehen ohne wie ſonſt mir auch nur ein gnädiges Wort zu ſagen. — Ich mußte lachen, der Claviermeiſter wurde immer ängſt- licher ich immer luſtiger, ich freute mich ſchon auf meine Gefangenſchaft, und wie ich da in der Einſamkeit mei- nen philoſophiſchen Gedanken nachhängen würde, ich dachte: dann fängt mein Geſchick doch einmal an, Le- ben zu gewinnen, es muß doch einmal was draus ent- ſtehen; aber ſo kam es wieder nicht, ein einzigmal ſah 3*

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/61>, abgerufen am 24.11.2024.