an, denen keine Strapaze zu hart, kein Marsch zu weit ist, die nur fragen: wo ist der Feind? -- dran, dran, für Gott, unsern lieben Kaiser und Vaterland!! -- Das muß ich Dir sagen, wenn ich je einen Kaiser, einen Landesherrn lieben könnte, so wär's im Augenblick wo ein solches Volk im Enthusiasmus sein Blut für ihn verspritzt; ja, dann wollt ich auch rufen: wer mir mei- nen Kaiser nehmen will, der muß mich erst todschlagen, aber so sag ich mit dem Apostel: ein jeder ist geboren König zu sein und Priester der eignen göttlichen Natur, wie Rumohr.
Die Isar ist ein wunderlicher Fluß. Pfeilschnell stürzen die jungen Quellen von den Bergklippen herab, sammlen sich unten im felsigen Bett in einen reißenden Strom. Wie ein schäumender Drache mit aufgesperr- tem Rachen braust er hüben und drüben, über hervor- ragende Felsstücke verschlingend her, seine grünen, dunk- len Wellen brechen sich tausendfach am Gestein und schäumend jagen sie hinab, sie seufzen, sie lallen, sie stöhnen, sie brausen gewaltig. Die Möven fliegen zu Tausenden über dem Wassersturz und netzen die Spitzen ihrer scharfen Flügel; -- und in so karger Gegend, schauderhaft anzusehen, ein schmaler Steg von zwei Brettern, eine Viertel Stunde lang, schräg in die Länge
an, denen keine Strapaze zu hart, kein Marſch zu weit iſt, die nur fragen: wo iſt der Feind? — dran, dran, für Gott, unſern lieben Kaiſer und Vaterland!! — Das muß ich Dir ſagen, wenn ich je einen Kaiſer, einen Landesherrn lieben könnte, ſo wär's im Augenblick wo ein ſolches Volk im Enthuſiasmus ſein Blut für ihn verſpritzt; ja, dann wollt ich auch rufen: wer mir mei- nen Kaiſer nehmen will, der muß mich erſt todſchlagen, aber ſo ſag ich mit dem Apoſtel: ein jeder iſt geboren König zu ſein und Prieſter der eignen göttlichen Natur, wie Rumohr.
Die Iſar iſt ein wunderlicher Fluß. Pfeilſchnell ſtürzen die jungen Quellen von den Bergklippen herab, ſammlen ſich unten im felſigen Bett in einen reißenden Strom. Wie ein ſchäumender Drache mit aufgeſperr- tem Rachen brauſt er hüben und drüben, über hervor- ragende Felsſtücke verſchlingend her, ſeine grünen, dunk- len Wellen brechen ſich tauſendfach am Geſtein und ſchäumend jagen ſie hinab, ſie ſeufzen, ſie lallen, ſie ſtöhnen, ſie brauſen gewaltig. Die Möven fliegen zu Tauſenden über dem Waſſerſturz und netzen die Spitzen ihrer ſcharfen Flügel; — und in ſo karger Gegend, ſchauderhaft anzuſehen, ein ſchmaler Steg von zwei Brettern, eine Viertel Stunde lang, ſchräg in die Länge
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an, denen keine Strapaze zu hart, kein Marſch zu weit
iſt, die nur fragen: wo iſt der Feind? — dran, dran,
für Gott, unſern lieben Kaiſer und Vaterland!! — Das
muß ich Dir ſagen, wenn ich je einen Kaiſer, einen
Landesherrn lieben könnte, ſo wär's im Augenblick wo
ein ſolches Volk im Enthuſiasmus ſein Blut für ihn
verſpritzt; ja, dann wollt ich auch rufen: wer mir mei-
nen Kaiſer nehmen will, der muß mich erſt todſchlagen,
aber ſo ſag ich mit dem Apoſtel: ein jeder iſt geboren
König zu ſein und Prieſter der eignen göttlichen Natur,
wie Rumohr.
Die Iſar iſt ein wunderlicher Fluß. Pfeilſchnell
ſtürzen die jungen Quellen von den Bergklippen herab,
ſammlen ſich unten im felſigen Bett in einen reißenden
Strom. Wie ein ſchäumender Drache mit aufgeſperr-
tem Rachen brauſt er hüben und drüben, über hervor-
ragende Felsſtücke verſchlingend her, ſeine grünen, dunk-
len Wellen brechen ſich tauſendfach am Geſtein und
ſchäumend jagen ſie hinab, ſie ſeufzen, ſie lallen, ſie
ſtöhnen, ſie brauſen gewaltig. Die Möven fliegen zu
Tauſenden über dem Waſſerſturz und netzen die Spitzen
ihrer ſcharfen Flügel; — und in ſo karger Gegend,
ſchauderhaft anzuſehen, ein ſchmaler Steg von zwei
Brettern, eine Viertel Stunde lang, ſchräg in die Länge
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/73>, abgerufen am 24.11.2024.
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