Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

fangen giebt, der mag von Himmelskräften auch nicht
wissen, wie zärtlich die von Reim zu Reim sich küssen.

Deine Mutter werde ich nicht vergessen, und sollt
ich auch mitten im Kriegsgetümmel untergehen, so würde
ich gewiß noch im letzten Moment die Erde küssen zu
ihrem Andenken. Was ich Dir noch merkwürdiges zu be-
richten habe ist schon aufgeschrieben, im nächsten Brief
wirst Du es finden, dieser wird schon zu dick, und ich
schäme mich, daß ich Dir nichts wichtiges zu schreiben
habe und doch nicht abbrechen kann. Geschwätz! -- ich
weiß ja wie's ging in Weimar, da sagt ich auch nichts
gescheutes und doch hörtest Du gern zu.

Vom Stadion weiß ich gar nichts, da muß ich kur-
zen Prozeß machen und ihn verschmerzen, wer weiß ob
ich ihn je wieder seh.

Jacobi ist zart wie eine Psyche, zu früh geweckt,
rührend; wär es möglich, so könnte man von ihm ler-
nen, aber die Unmöglichkeit ist ein eigner Dämon, der
listig alles zu vereitlen weis zu was man sich berech-
tigt fühlt; so mein ich immer, wenn ich Jacobi von Ge-
lehrten und Philosophen umgeben seh, ihm wär besser
er sei allein mit mir. Ich bin überzeugt meine unbefang-
nen Fragen, um von ihm zu lernen, würden ihm mehr

fangen giebt, der mag von Himmelskräften auch nicht
wiſſen, wie zärtlich die von Reim zu Reim ſich küſſen.

Deine Mutter werde ich nicht vergeſſen, und ſollt
ich auch mitten im Kriegsgetümmel untergehen, ſo würde
ich gewiß noch im letzten Moment die Erde küſſen zu
ihrem Andenken. Was ich Dir noch merkwürdiges zu be-
richten habe iſt ſchon aufgeſchrieben, im nächſten Brief
wirſt Du es finden, dieſer wird ſchon zu dick, und ich
ſchäme mich, daß ich Dir nichts wichtiges zu ſchreiben
habe und doch nicht abbrechen kann. Geſchwätz! — ich
weiß ja wie's ging in Weimar, da ſagt ich auch nichts
geſcheutes und doch hörteſt Du gern zu.

Vom Stadion weiß ich gar nichts, da muß ich kur-
zen Prozeß machen und ihn verſchmerzen, wer weiß ob
ich ihn je wieder ſeh.

Jacobi iſt zart wie eine Pſyche, zu früh geweckt,
rührend; wär es möglich, ſo könnte man von ihm ler-
nen, aber die Unmöglichkeit iſt ein eigner Dämon, der
liſtig alles zu vereitlen weis zu was man ſich berech-
tigt fühlt; ſo mein ich immer, wenn ich Jacobi von Ge-
lehrten und Philoſophen umgeben ſeh, ihm wär beſſer
er ſei allein mit mir. Ich bin überzeugt meine unbefang-
nen Fragen, um von ihm zu lernen, würden ihm mehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0084" n="74"/>
fangen giebt, der mag von Himmelskräften auch nicht<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, wie zärtlich die von Reim zu Reim &#x017F;ich kü&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Deine Mutter werde ich nicht verge&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ollt<lb/>
ich auch mitten im Kriegsgetümmel untergehen, &#x017F;o würde<lb/>
ich gewiß noch im letzten Moment die Erde kü&#x017F;&#x017F;en zu<lb/>
ihrem Andenken. Was ich Dir noch merkwürdiges zu be-<lb/>
richten habe i&#x017F;t &#x017F;chon aufge&#x017F;chrieben, im näch&#x017F;ten Brief<lb/>
wir&#x017F;t Du es finden, die&#x017F;er wird &#x017F;chon zu dick, und ich<lb/>
&#x017F;chäme mich, daß ich Dir nichts wichtiges zu &#x017F;chreiben<lb/>
habe und doch nicht abbrechen kann. Ge&#x017F;chwätz! &#x2014; ich<lb/>
weiß ja wie's ging in Weimar, da &#x017F;agt ich auch nichts<lb/>
ge&#x017F;cheutes und doch hörte&#x017F;t Du gern zu.</p><lb/>
          <p>Vom Stadion weiß ich gar nichts, da muß ich kur-<lb/>
zen Prozeß machen und ihn ver&#x017F;chmerzen, wer weiß ob<lb/>
ich ihn je wieder &#x017F;eh.</p><lb/>
          <p>Jacobi i&#x017F;t zart wie eine P&#x017F;yche, zu früh geweckt,<lb/>
rührend; wär es möglich, &#x017F;o könnte man von ihm ler-<lb/>
nen, aber die Unmöglichkeit i&#x017F;t ein eigner Dämon, der<lb/>
li&#x017F;tig alles zu vereitlen weis zu was man &#x017F;ich berech-<lb/>
tigt fühlt; &#x017F;o mein ich immer, wenn ich Jacobi von Ge-<lb/>
lehrten und Philo&#x017F;ophen umgeben &#x017F;eh, ihm wär be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
er &#x017F;ei allein mit mir. Ich bin überzeugt meine unbefang-<lb/>
nen Fragen, um von ihm zu lernen, würden ihm mehr<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0084] fangen giebt, der mag von Himmelskräften auch nicht wiſſen, wie zärtlich die von Reim zu Reim ſich küſſen. Deine Mutter werde ich nicht vergeſſen, und ſollt ich auch mitten im Kriegsgetümmel untergehen, ſo würde ich gewiß noch im letzten Moment die Erde küſſen zu ihrem Andenken. Was ich Dir noch merkwürdiges zu be- richten habe iſt ſchon aufgeſchrieben, im nächſten Brief wirſt Du es finden, dieſer wird ſchon zu dick, und ich ſchäme mich, daß ich Dir nichts wichtiges zu ſchreiben habe und doch nicht abbrechen kann. Geſchwätz! — ich weiß ja wie's ging in Weimar, da ſagt ich auch nichts geſcheutes und doch hörteſt Du gern zu. Vom Stadion weiß ich gar nichts, da muß ich kur- zen Prozeß machen und ihn verſchmerzen, wer weiß ob ich ihn je wieder ſeh. Jacobi iſt zart wie eine Pſyche, zu früh geweckt, rührend; wär es möglich, ſo könnte man von ihm ler- nen, aber die Unmöglichkeit iſt ein eigner Dämon, der liſtig alles zu vereitlen weis zu was man ſich berech- tigt fühlt; ſo mein ich immer, wenn ich Jacobi von Ge- lehrten und Philoſophen umgeben ſeh, ihm wär beſſer er ſei allein mit mir. Ich bin überzeugt meine unbefang- nen Fragen, um von ihm zu lernen, würden ihm mehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/84
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/84>, abgerufen am 18.05.2024.