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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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weichen Zweige hin- und herwogen, so wogt ein Gefüh-
gleichsam als belaubtes Gezweig eines hohen Gedan-
kenstammes in mir. Und so wollte ich nur sagen, daß
alle Schönheit erzieht, und daß der Geist, der wie ein
treuer Spiegel ihre Schönheit fasset durch dasselbe, aber
auch zu dem höheren Aufschwung kommt, der geistig
diese selbe Schönheit ist, nämlich allemal ihre göttliche
Offenbarung. -- So denke denn Du, wie Du mir ein-
leuchten mußt, da Du schön bist. Schönheit ist Erlö-
sung. Schönheit ist Befreiung vom Zauber, Schönheit
ist Freiheit, himmlische; hat Flügel und durchschneidet
den Äther. -- Schönheit ist ohne Gesetz, vor ihr schwin-
det jede Grenze, sie löst sich auf in alles, was ihren
Reiz zu empfinden vermag, sie befreit vom Buchstaben,
denn sie ist Geist. -- Du bist empfunden von mir, Du
machst mich frei vom Buchstaben und vom Gesetz. --
Sieh diese Schauer die mich überwogen, es ist der Reiz
Deiner Schönheit, der sich auflöst, mir im Gefühl, daß
ich selber schön bin und Deiner würdig.


Der Sommer geht vorüber, und die Nachtigall
schweigt, sie schweigt, sie ist stumm und läßt sich auch

weichen Zweige hin- und herwogen, ſo wogt ein Gefüh-
gleichſam als belaubtes Gezweig eines hohen Gedan-
kenſtammes in mir. Und ſo wollte ich nur ſagen, daß
alle Schönheit erzieht, und daß der Geiſt, der wie ein
treuer Spiegel ihre Schönheit faſſet durch daſſelbe, aber
auch zu dem höheren Aufſchwung kommt, der geiſtig
dieſe ſelbe Schönheit iſt, nämlich allemal ihre göttliche
Offenbarung. — So denke denn Du, wie Du mir ein-
leuchten mußt, da Du ſchön biſt. Schönheit iſt Erlö-
ſung. Schönheit iſt Befreiung vom Zauber, Schönheit
iſt Freiheit, himmliſche; hat Flügel und durchſchneidet
den Äther. — Schönheit iſt ohne Geſetz, vor ihr ſchwin-
det jede Grenze, ſie löſt ſich auf in alles, was ihren
Reiz zu empfinden vermag, ſie befreit vom Buchſtaben,
denn ſie iſt Geiſt. — Du biſt empfunden von mir, Du
machſt mich frei vom Buchſtaben und vom Geſetz. —
Sieh dieſe Schauer die mich überwogen, es iſt der Reiz
Deiner Schönheit, der ſich auflöſt, mir im Gefühl, daß
ich ſelber ſchön bin und Deiner würdig.


Der Sommer geht vorüber, und die Nachtigall
ſchweigt, ſie ſchweigt, ſie iſt ſtumm und läßt ſich auch

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[95/0105] weichen Zweige hin- und herwogen, ſo wogt ein Gefüh- gleichſam als belaubtes Gezweig eines hohen Gedan- kenſtammes in mir. Und ſo wollte ich nur ſagen, daß alle Schönheit erzieht, und daß der Geiſt, der wie ein treuer Spiegel ihre Schönheit faſſet durch daſſelbe, aber auch zu dem höheren Aufſchwung kommt, der geiſtig dieſe ſelbe Schönheit iſt, nämlich allemal ihre göttliche Offenbarung. — So denke denn Du, wie Du mir ein- leuchten mußt, da Du ſchön biſt. Schönheit iſt Erlö- ſung. Schönheit iſt Befreiung vom Zauber, Schönheit iſt Freiheit, himmliſche; hat Flügel und durchſchneidet den Äther. — Schönheit iſt ohne Geſetz, vor ihr ſchwin- det jede Grenze, ſie löſt ſich auf in alles, was ihren Reiz zu empfinden vermag, ſie befreit vom Buchſtaben, denn ſie iſt Geiſt. — Du biſt empfunden von mir, Du machſt mich frei vom Buchſtaben und vom Geſetz. — Sieh dieſe Schauer die mich überwogen, es iſt der Reiz Deiner Schönheit, der ſich auflöſt, mir im Gefühl, daß ich ſelber ſchön bin und Deiner würdig. Der Sommer geht vorüber, und die Nachtigall ſchweigt, ſie ſchweigt, ſie iſt ſtumm und läßt ſich auch

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/105>, abgerufen am 22.11.2024.