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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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umfaßt sie doch und vernimmt die Harmonie, wie der
Ocean alle Strömungen in sich aufnimmt.


So gehört denn auch zu unserm vögelsingenden,
blütheschneienden Frühling, wo der Fluß zwischen duf-
tenden Kräutern tanzt, und ein Herz im andern lebt,
jener kalte vom Wind und Schnee durchkreuzte Win-
ter, wo die eisige Luft mir den Athem an den Haaren
zu Reif ansetzte, wo ich so wenig wußte, was mich in
den Wintersturm hinausjage, als wo der Wind her-
kam, und wo er hineilte. Ach, Herz und Sturmwind
eilten der Gegenwart zuvor in die Zukunft, also Dir
entgegen. -- Darum riß es mich so unwiderstehlich aus
dem stummen Dasein dem schönen Augenblick entgegen,
der mein Leben in allen seinen Aspirationen entwickeln
und in Musik auflösen sollte.


Es kann dem Winter nichts ungleicher sein als
der Frühling, der unter seiner eisigen Decke der Zukunft
harrt; es kann dem im Saamen verschlossnen, in der

Erde

umfaßt ſie doch und vernimmt die Harmonie, wie der
Ocean alle Strömungen in ſich aufnimmt.


So gehört denn auch zu unſerm vögelſingenden,
blütheſchneienden Frühling, wo der Fluß zwiſchen duf-
tenden Kräutern tanzt, und ein Herz im andern lebt,
jener kalte vom Wind und Schnee durchkreuzte Win-
ter, wo die eiſige Luft mir den Athem an den Haaren
zu Reif anſetzte, wo ich ſo wenig wußte, was mich in
den Winterſturm hinausjage, als wo der Wind her-
kam, und wo er hineilte. Ach, Herz und Sturmwind
eilten der Gegenwart zuvor in die Zukunft, alſo Dir
entgegen. — Darum riß es mich ſo unwiderſtehlich aus
dem ſtummen Daſein dem ſchönen Augenblick entgegen,
der mein Leben in allen ſeinen Aſpirationen entwickeln
und in Muſik auflöſen ſollte.


Es kann dem Winter nichts ungleicher ſein als
der Frühling, der unter ſeiner eiſigen Decke der Zukunft
harrt; es kann dem im Saamen verſchloſſnen, in der

Erde
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[120/0130] umfaßt ſie doch und vernimmt die Harmonie, wie der Ocean alle Strömungen in ſich aufnimmt. So gehört denn auch zu unſerm vögelſingenden, blütheſchneienden Frühling, wo der Fluß zwiſchen duf- tenden Kräutern tanzt, und ein Herz im andern lebt, jener kalte vom Wind und Schnee durchkreuzte Win- ter, wo die eiſige Luft mir den Athem an den Haaren zu Reif anſetzte, wo ich ſo wenig wußte, was mich in den Winterſturm hinausjage, als wo der Wind her- kam, und wo er hineilte. Ach, Herz und Sturmwind eilten der Gegenwart zuvor in die Zukunft, alſo Dir entgegen. — Darum riß es mich ſo unwiderſtehlich aus dem ſtummen Daſein dem ſchönen Augenblick entgegen, der mein Leben in allen ſeinen Aſpirationen entwickeln und in Muſik auflöſen ſollte. Es kann dem Winter nichts ungleicher ſein als der Frühling, der unter ſeiner eiſigen Decke der Zukunft harrt; es kann dem im Saamen verſchloſſnen, in der Erde

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/130>, abgerufen am 26.11.2024.