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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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die Wege, die mir auf eisiger Bahn die Geister vor-
schrieben, auf denen ich Dich gewiß nicht verlieren
werde, da auch Du nicht umkehrst, und ich nie an Dir
vorüberschreiten werde, und so ist gewiß das einzige
Ziel alles Begehrens die Ewigkeit.


Die Reise nach der Stadt hatte der Krieg veran-
laßt. Wir flüchteten vor dem Getümmel der Östreicher
mit den Franzosen; es war zu fürchten, daß unser klei-
nes Stadtparadies mit seinen wohlgeordneten Lustre-
vieren nächstens unter den Hufen kämpfender Reiterei
zertrümmert werde. Der Feind war nur flüchtig durch
Feld und Wald gesprengt, hatte über den Fluß gesetzt
und die heimliche Ruh' des beginnenden Frühjahrs la-
gerte schützend über den Saatfeldern, deren junges Grün
schon aus dem schmelzenden Schnee hervorragte, da wir
wieder zurückkehrten.

Die kräftigen Stämme der Kastanienallee, Du kennst
sie wohl! manche Träume Deiner Frühlingstage flatter-
ten dort mit der jungen Nachtigallenbrut um die Wette,
wie oft bist Du dort an Liebchens Arm dem aufgehen-
den Mond entgegen geschlendert! Ich mag nicht dran

die Wege, die mir auf eiſiger Bahn die Geiſter vor-
ſchrieben, auf denen ich Dich gewiß nicht verlieren
werde, da auch Du nicht umkehrſt, und ich nie an Dir
vorüberſchreiten werde, und ſo iſt gewiß das einzige
Ziel alles Begehrens die Ewigkeit.


Die Reiſe nach der Stadt hatte der Krieg veran-
laßt. Wir flüchteten vor dem Getümmel der Öſtreicher
mit den Franzoſen; es war zu fürchten, daß unſer klei-
nes Stadtparadies mit ſeinen wohlgeordneten Luſtre-
vieren nächſtens unter den Hufen kämpfender Reiterei
zertrümmert werde. Der Feind war nur flüchtig durch
Feld und Wald geſprengt, hatte über den Fluß geſetzt
und die heimliche Ruh' des beginnenden Frühjahrs la-
gerte ſchützend über den Saatfeldern, deren junges Grün
ſchon aus dem ſchmelzenden Schnee hervorragte, da wir
wieder zurückkehrten.

Die kräftigen Stämme der Kaſtanienallee, Du kennſt
ſie wohl! manche Träume Deiner Frühlingstage flatter-
ten dort mit der jungen Nachtigallenbrut um die Wette,
wie oft biſt Du dort an Liebchens Arm dem aufgehen-
den Mond entgegen geſchlendert! Ich mag nicht dran

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[125/0135] die Wege, die mir auf eiſiger Bahn die Geiſter vor- ſchrieben, auf denen ich Dich gewiß nicht verlieren werde, da auch Du nicht umkehrſt, und ich nie an Dir vorüberſchreiten werde, und ſo iſt gewiß das einzige Ziel alles Begehrens die Ewigkeit. Die Reiſe nach der Stadt hatte der Krieg veran- laßt. Wir flüchteten vor dem Getümmel der Öſtreicher mit den Franzoſen; es war zu fürchten, daß unſer klei- nes Stadtparadies mit ſeinen wohlgeordneten Luſtre- vieren nächſtens unter den Hufen kämpfender Reiterei zertrümmert werde. Der Feind war nur flüchtig durch Feld und Wald geſprengt, hatte über den Fluß geſetzt und die heimliche Ruh' des beginnenden Frühjahrs la- gerte ſchützend über den Saatfeldern, deren junges Grün ſchon aus dem ſchmelzenden Schnee hervorragte, da wir wieder zurückkehrten. Die kräftigen Stämme der Kaſtanienallee, Du kennſt ſie wohl! manche Träume Deiner Frühlingstage flatter- ten dort mit der jungen Nachtigallenbrut um die Wette, wie oft biſt Du dort an Liebchens Arm dem aufgehen- den Mond entgegen geſchlendert! Ich mag nicht dran

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/135>, abgerufen am 10.05.2024.