[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.Dritter Kuß. Der blinde Herzog von Aremberg, der schöne, des- Er war schön der Herzog! -- schön für das groß- Die reine, starke Stirn, deren Mitte eine Feuerstelle Dritter Kuß. Der blinde Herzog von Aremberg, der ſchöne, deſ- Er war ſchön der Herzog! — ſchön für das groß- Die reine, ſtarke Stirn, deren Mitte eine Feuerſtelle <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0158" n="148"/> <div n="1"> <head><hi rendition="#g">Dritter Kuß</hi>.</head><lb/> <p>Der blinde Herzog von Aremberg, der ſchöne, deſ-<lb/> ſen Zügen die geheiligte Würde der Legitimität aufge-<lb/> prägt war, wollte gegen meinen Willen mir dieſen Kuß<lb/> geben, ich aber war wie die ſchwankende Blume im<lb/> Winde, die der Schmetterling vergeblich umtanzt. Laß<lb/> Dir's erzählen und ausmalen mit dieſen bunten Farben<lb/> aus dem Muſchelkaſten des Kindes, mit denen ich da-<lb/> mals noch meine Welt ausmalte, und ſie verſtand, und<lb/> Du wirſt ſie auch verſtehen und Dich freuen, daß Du<lb/> mit mir in den Spiegel ſiehſt, in dem ich mich erkenne<lb/> und den Genius, der mich zu Dir lenkt.</p><lb/> <p>Er war ſchön der Herzog! — ſchön für das groß-<lb/> gewölbte Kinderauge, das noch kein Menſchenantlitz er-<lb/> blickt hatte, deſſen Züge Geiſt ausſtrömten. Wenn er<lb/> ſtundenlang bei der Großmutter ſaß und ſich von ihr<lb/> erzählen ließ ſtand ich neben ihm und ſtarrte ihn an;<lb/> ich war in Betrachtung dieſer reinen erhabenen Züge<lb/> verſunken, die dem gewöhnlichen Menſchen nie geſchenkt<lb/> werden.</p><lb/> <p>Die reine, ſtarke Stirn, deren Mitte eine Feuerſtelle<lb/> hatte für den göttlichen Brand des Zorns, dieſe Naſe,<lb/> höher, kühner, trotzbietender als ſein ſchauerliches Schick-<lb/> ſal, dieſe feinen feuchten Lippen, die mehr als alles an-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [148/0158]
Dritter Kuß.
Der blinde Herzog von Aremberg, der ſchöne, deſ-
ſen Zügen die geheiligte Würde der Legitimität aufge-
prägt war, wollte gegen meinen Willen mir dieſen Kuß
geben, ich aber war wie die ſchwankende Blume im
Winde, die der Schmetterling vergeblich umtanzt. Laß
Dir's erzählen und ausmalen mit dieſen bunten Farben
aus dem Muſchelkaſten des Kindes, mit denen ich da-
mals noch meine Welt ausmalte, und ſie verſtand, und
Du wirſt ſie auch verſtehen und Dich freuen, daß Du
mit mir in den Spiegel ſiehſt, in dem ich mich erkenne
und den Genius, der mich zu Dir lenkt.
Er war ſchön der Herzog! — ſchön für das groß-
gewölbte Kinderauge, das noch kein Menſchenantlitz er-
blickt hatte, deſſen Züge Geiſt ausſtrömten. Wenn er
ſtundenlang bei der Großmutter ſaß und ſich von ihr
erzählen ließ ſtand ich neben ihm und ſtarrte ihn an;
ich war in Betrachtung dieſer reinen erhabenen Züge
verſunken, die dem gewöhnlichen Menſchen nie geſchenkt
werden.
Die reine, ſtarke Stirn, deren Mitte eine Feuerſtelle
hatte für den göttlichen Brand des Zorns, dieſe Naſe,
höher, kühner, trotzbietender als ſein ſchauerliches Schick-
ſal, dieſe feinen feuchten Lippen, die mehr als alles an-
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