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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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dre, Befehl und Herrscherwürde aussprachen, die Luft
tranken und ausseufzten die tiefste Melancholie, diese
feinen Schläfe, sich an den Wangen niederschmiegend
zum aufgeworfnen Kinn, wie der metallne Helm der
Minerva! -- Laß mich malen Goethe, aus meinem
kleinen Muschelkasten, es wird so schön! sieh sie an, die
grellen abstechenden Farben, die der philosophische Ma-
ler vermeidet, aber ich, das Kind, ich male so; und
Du, der dem Kinde lächelt wie den Sternen, und in
dessen Begeistrung Kindereinfalt sich mischt mit dem
Seherblick des Weisen, freue Dich der grellen bunten
Farben meiner Phantasie.

So war er, der schöne, blinde Herzog, so ist er
noch jetzt in dem Zauberspiegel der Erinnerung, der alle
Bilder meiner Kindheit gefesselt hält, der sie in Perlen
reiht und Dir als Opfer zu Füßen legt; so war seine
Gestalt oft niedergebeugt im Schmerz um die erblindete
Jugend, dann stolz erstreckt, sich aufrichtend, heiter ver-
ächtlich ironisch lächelnd, wenn er die tief versunknen
Augensterne gegen das Licht wendete. Da stand ich
und starrte ihn an, wie der Schäferknabe tief vergessen
seiner Heerde und seines Hundes, den an den einsamen
Felsen geschmiedeten, von der abgewendeten Welt un-
beklagten Prometheus anstarrt; da stand ich und saugte

dre, Befehl und Herrſcherwürde ausſprachen, die Luft
tranken und ausſeufzten die tiefſte Melancholie, dieſe
feinen Schläfe, ſich an den Wangen niederſchmiegend
zum aufgeworfnen Kinn, wie der metallne Helm der
Minerva! — Laß mich malen Goethe, aus meinem
kleinen Muſchelkaſten, es wird ſo ſchön! ſieh ſie an, die
grellen abſtechenden Farben, die der philoſophiſche Ma-
ler vermeidet, aber ich, das Kind, ich male ſo; und
Du, der dem Kinde lächelt wie den Sternen, und in
deſſen Begeiſtrung Kindereinfalt ſich miſcht mit dem
Seherblick des Weiſen, freue Dich der grellen bunten
Farben meiner Phantaſie.

So war er, der ſchöne, blinde Herzog, ſo iſt er
noch jetzt in dem Zauberſpiegel der Erinnerung, der alle
Bilder meiner Kindheit gefeſſelt hält, der ſie in Perlen
reiht und Dir als Opfer zu Füßen legt; ſo war ſeine
Geſtalt oft niedergebeugt im Schmerz um die erblindete
Jugend, dann ſtolz erſtreckt, ſich aufrichtend, heiter ver-
ächtlich ironiſch lächelnd, wenn er die tief verſunknen
Augenſterne gegen das Licht wendete. Da ſtand ich
und ſtarrte ihn an, wie der Schäferknabe tief vergeſſen
ſeiner Heerde und ſeines Hundes, den an den einſamen
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[149/0159] dre, Befehl und Herrſcherwürde ausſprachen, die Luft tranken und ausſeufzten die tiefſte Melancholie, dieſe feinen Schläfe, ſich an den Wangen niederſchmiegend zum aufgeworfnen Kinn, wie der metallne Helm der Minerva! — Laß mich malen Goethe, aus meinem kleinen Muſchelkaſten, es wird ſo ſchön! ſieh ſie an, die grellen abſtechenden Farben, die der philoſophiſche Ma- ler vermeidet, aber ich, das Kind, ich male ſo; und Du, der dem Kinde lächelt wie den Sternen, und in deſſen Begeiſtrung Kindereinfalt ſich miſcht mit dem Seherblick des Weiſen, freue Dich der grellen bunten Farben meiner Phantaſie. So war er, der ſchöne, blinde Herzog, ſo iſt er noch jetzt in dem Zauberſpiegel der Erinnerung, der alle Bilder meiner Kindheit gefeſſelt hält, der ſie in Perlen reiht und Dir als Opfer zu Füßen legt; ſo war ſeine Geſtalt oft niedergebeugt im Schmerz um die erblindete Jugend, dann ſtolz erſtreckt, ſich aufrichtend, heiter ver- ächtlich ironiſch lächelnd, wenn er die tief verſunknen Augenſterne gegen das Licht wendete. Da ſtand ich und ſtarrte ihn an, wie der Schäferknabe tief vergeſſen ſeiner Heerde und ſeines Hundes, den an den einſamen Felſen geſchmiedeten, von der abgewendeten Welt un- beklagten Prometheus anſtarrt; da ſtand ich und ſaugte

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/159>, abgerufen am 21.11.2024.