[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.wie die Sonnenstrahlen mich umwebten, die Bienen mich wie die Sonnenſtrahlen mich umwebten, die Bienen mich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0164" n="154"/> wie die Sonnenſtrahlen mich umwebten, die Bienen mich<lb/> umſummten, die Käfer hin- und herſchwirrten, die Spinne<lb/> ihr Netz in's Gitter der Laube hing. — In ſolcher Stunde<lb/> bin ich Deiner zum erſtenmal inne geworden. — Da<lb/> lauſchte ich, da hörte ich in der Ferne den Lärm der<lb/> Welt, da dachte ich: du biſt außer dieſer Welt, aber<lb/> mit wem biſt Du? — Wer iſt bei dir? — Da beſann<lb/> ich mich auf nah und fern, da war nichts was mir an-<lb/> gehörte. Da konnte ich nichts erfaſſen, mir nichts den-<lb/> ken was mein ſein könne. Da trat zufällig, oder war's<lb/> in den Wolken geſchrieben, Deine Geſtalt hervor; ich<lb/> hatte von Dir nichts weiter gehört als Tadel, man hatte<lb/> in meiner Gegenwart geſagt: Goethe iſt nicht mehr ſo<lb/> wie ſonſt, er iſt ſtolz und hochmüthig, er kennt die al-<lb/> ten Freunde nicht mehr, ſeine Schönheit hat gewaltig<lb/> abgenommen, und er ſieht nicht mehr ſo edel aus wie<lb/> ſonſt; noch manches wurde von der Tante und Groß-<lb/> mutter über Dich geſprochen, was zu Deinem Nachtheil<lb/> war. Ich hatte es nur im Vergeſſen angehört, denn<lb/> ich wußte nicht wer Du ſeiſt. — Jetzt in dieſer Ein-<lb/> ſamkeit und abgeſchloſſnen Stille unter den Bäumen<lb/> die eben blühen wollten, da kamen dieſe Reden mir<lb/> wieder in's Gedächtniß; da ſah ich im Geiſt wie die<lb/> Menſchen, die über Dich urtheilen wollten, Unrecht hat-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [154/0164]
wie die Sonnenſtrahlen mich umwebten, die Bienen mich
umſummten, die Käfer hin- und herſchwirrten, die Spinne
ihr Netz in's Gitter der Laube hing. — In ſolcher Stunde
bin ich Deiner zum erſtenmal inne geworden. — Da
lauſchte ich, da hörte ich in der Ferne den Lärm der
Welt, da dachte ich: du biſt außer dieſer Welt, aber
mit wem biſt Du? — Wer iſt bei dir? — Da beſann
ich mich auf nah und fern, da war nichts was mir an-
gehörte. Da konnte ich nichts erfaſſen, mir nichts den-
ken was mein ſein könne. Da trat zufällig, oder war's
in den Wolken geſchrieben, Deine Geſtalt hervor; ich
hatte von Dir nichts weiter gehört als Tadel, man hatte
in meiner Gegenwart geſagt: Goethe iſt nicht mehr ſo
wie ſonſt, er iſt ſtolz und hochmüthig, er kennt die al-
ten Freunde nicht mehr, ſeine Schönheit hat gewaltig
abgenommen, und er ſieht nicht mehr ſo edel aus wie
ſonſt; noch manches wurde von der Tante und Groß-
mutter über Dich geſprochen, was zu Deinem Nachtheil
war. Ich hatte es nur im Vergeſſen angehört, denn
ich wußte nicht wer Du ſeiſt. — Jetzt in dieſer Ein-
ſamkeit und abgeſchloſſnen Stille unter den Bäumen
die eben blühen wollten, da kamen dieſe Reden mir
wieder in's Gedächtniß; da ſah ich im Geiſt wie die
Menſchen, die über Dich urtheilen wollten, Unrecht hat-
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