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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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empfing, da fielen meine Thränen auf diese Haare, und
da ich hin zum Altar trat, um sie dem Bischof zu über-
reichen, da schluchzte ich laut und alles Volk weinte mit.

Die junge Braut legte sich an die Erde, es wurde
ein Leichen-Tuch über sie gebreitet, die Nonnen wallten
von allen Seiten herbei, je zu zweien Blumenkörbe tra-
gend. Ich streute die Blumen auf das Leichen-Tuch,
während ein Requiem gesungen wurde. Sie wurde als
Todte eingesegnet und Gebete über sie gesprochen; das
irdische Leben war beendet, ich hob als Auferstehungs-
engel die Todtendecke auf; das himmlische Leben be-
ginnt, die Nonnen umringen sie, in ihrer Mitte wird
sie vom weltlichen Staat entkleidet, Ordenskleid Man-
tel und Schleier werden ihr angelegt, worauf sie in die
Hände des Bischofs die Gelübde des Gehorsams, der
Keuschheit und der Armuth ablegt. Ach wie war ich
beklommen, da der Bischof ihr das Kruzifix reichte, um
es als ihren Bräutigam zu küssen. Ich wich nicht von
ihrer Seite; am Abend, da die Nonne allein in ihrer Zelle
saß, kniete ich noch vor ihr, mit meinem verwelkten Rosen-
kranz auf dem Kopf; sie war eine Französin, eine Gräfin
D'antelot. "Mon enfant," fragte sie, "mon cher ange
gardien, pourquoi as tu pleure ce matin l'orsqu'on ma
coupe les cheveux?"
ich schwieg eine Weile still aber

dann

empfing, da fielen meine Thränen auf dieſe Haare, und
da ich hin zum Altar trat, um ſie dem Biſchof zu über-
reichen, da ſchluchzte ich laut und alles Volk weinte mit.

Die junge Braut legte ſich an die Erde, es wurde
ein Leichen-Tuch über ſie gebreitet, die Nonnen wallten
von allen Seiten herbei, je zu zweien Blumenkörbe tra-
gend. Ich ſtreute die Blumen auf das Leichen-Tuch,
während ein Requiem geſungen wurde. Sie wurde als
Todte eingeſegnet und Gebete über ſie geſprochen; das
irdiſche Leben war beendet, ich hob als Auferſtehungs-
engel die Todtendecke auf; das himmliſche Leben be-
ginnt, die Nonnen umringen ſie, in ihrer Mitte wird
ſie vom weltlichen Staat entkleidet, Ordenskleid Man-
tel und Schleier werden ihr angelegt, worauf ſie in die
Hände des Biſchofs die Gelübde des Gehorſams, der
Keuſchheit und der Armuth ablegt. Ach wie war ich
beklommen, da der Biſchof ihr das Kruzifix reichte, um
es als ihren Bräutigam zu küſſen. Ich wich nicht von
ihrer Seite; am Abend, da die Nonne allein in ihrer Zelle
ſaß, kniete ich noch vor ihr, mit meinem verwelkten Roſen-
kranz auf dem Kopf; ſie war eine Franzöſin, eine Gräfin
D'antelot. „Mon enfant,“ fragte ſie, „mon cher ange
gardien, pourquoi as tu pleuré ce matin l'orsqu'on ma
coupé les cheveux?“
ich ſchwieg eine Weile ſtill aber

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[72/0082] empfing, da fielen meine Thränen auf dieſe Haare, und da ich hin zum Altar trat, um ſie dem Biſchof zu über- reichen, da ſchluchzte ich laut und alles Volk weinte mit. Die junge Braut legte ſich an die Erde, es wurde ein Leichen-Tuch über ſie gebreitet, die Nonnen wallten von allen Seiten herbei, je zu zweien Blumenkörbe tra- gend. Ich ſtreute die Blumen auf das Leichen-Tuch, während ein Requiem geſungen wurde. Sie wurde als Todte eingeſegnet und Gebete über ſie geſprochen; das irdiſche Leben war beendet, ich hob als Auferſtehungs- engel die Todtendecke auf; das himmliſche Leben be- ginnt, die Nonnen umringen ſie, in ihrer Mitte wird ſie vom weltlichen Staat entkleidet, Ordenskleid Man- tel und Schleier werden ihr angelegt, worauf ſie in die Hände des Biſchofs die Gelübde des Gehorſams, der Keuſchheit und der Armuth ablegt. Ach wie war ich beklommen, da der Biſchof ihr das Kruzifix reichte, um es als ihren Bräutigam zu küſſen. Ich wich nicht von ihrer Seite; am Abend, da die Nonne allein in ihrer Zelle ſaß, kniete ich noch vor ihr, mit meinem verwelkten Roſen- kranz auf dem Kopf; ſie war eine Franzöſin, eine Gräfin D'antelot. „Mon enfant,“ fragte ſie, „mon cher ange gardien, pourquoi as tu pleuré ce matin l'orsqu'on ma coupé les cheveux?“ ich ſchwieg eine Weile ſtill aber dann

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/82>, abgerufen am 18.12.2024.