Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

ich habe gescherzt mit mir, und das war noch rührender
daß am Scherz auch kein andrer Theil nahm, hätte
mir damals einer gesagt es sucht jeder in der Liebe nur
sich, und es ist das höchste Glück sich in ihr finden,
ich hätt' es nicht verstanden, doch ist in diesem kleinen
Ereigniß eine hohe Wahrheit verborgen, die gewiß nur
wenige fassen: finde Dich, sei Dir selber treu, lerne
Dich verstehen, folge Deiner Stimme, nur so kannst Du
das Höchste erreichen. Du kannst nur Dir treu sein
in der Liebe, was Du schön findest das mußt Du lieben
oder Du bist Dir untreu.

Schönheit erzeugt Begeistrung, aber Begeistrung
für Schönheit ist die höchste Schönheit selbst. Sie spricht
das erhöhte, verklärte Ideal des Geliebten durch sich
selbst aus.

Gewiß die Liebe erzieht eine höhere Welt aus der
Sinnenwelt; der Geist wird durch die Sinne genährt,
gepflegt und getragen, er wächst und steigt durch sie
zur Selbstbegeistrung zum Genie, denn Genie ist das
überirdische selige Leben einer durch die sinnliche Natur
erzeugten himmlischen Begeistrung.

Du erscheinst mir wie dies himmlische Erzeugniß
meiner Sinnenwelt, wenn ich so vor Dir stehe und Dir
ausspreche wie ich Dich liebe, und doch wenn ich so

ich habe geſcherzt mit mir, und das war noch rührender
daß am Scherz auch kein andrer Theil nahm, hätte
mir damals einer geſagt es ſucht jeder in der Liebe nur
ſich, und es iſt das höchſte Glück ſich in ihr finden,
ich hätt' es nicht verſtanden, doch iſt in dieſem kleinen
Ereigniß eine hohe Wahrheit verborgen, die gewiß nur
wenige faſſen: finde Dich, ſei Dir ſelber treu, lerne
Dich verſtehen, folge Deiner Stimme, nur ſo kannſt Du
das Höchſte erreichen. Du kannſt nur Dir treu ſein
in der Liebe, was Du ſchön findeſt das mußt Du lieben
oder Du biſt Dir untreu.

Schönheit erzeugt Begeiſtrung, aber Begeiſtrung
für Schönheit iſt die höchſte Schönheit ſelbſt. Sie ſpricht
das erhöhte, verklärte Ideal des Geliebten durch ſich
ſelbſt aus.

Gewiß die Liebe erzieht eine höhere Welt aus der
Sinnenwelt; der Geiſt wird durch die Sinne genährt,
gepflegt und getragen, er wächſt und ſteigt durch ſie
zur Selbſtbegeiſtrung zum Genie, denn Genie iſt das
überirdiſche ſelige Leben einer durch die ſinnliche Natur
erzeugten himmliſchen Begeiſtrung.

Du erſcheinſt mir wie dies himmliſche Erzeugniß
meiner Sinnenwelt, wenn ich ſo vor Dir ſtehe und Dir
ausſpreche wie ich Dich liebe, und doch wenn ich ſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0088" n="78"/>
ich habe ge&#x017F;cherzt mit mir, und das war noch rührender<lb/><choice><sic>dnß</sic><corr>daß</corr></choice> am Scherz auch kein andrer Theil nahm, hätte<lb/>
mir damals einer ge&#x017F;agt es &#x017F;ucht jeder in der Liebe nur<lb/>
&#x017F;ich, und es i&#x017F;t das höch&#x017F;te Glück <hi rendition="#g">&#x017F;ich</hi> in ihr finden,<lb/>
ich hätt' es nicht ver&#x017F;tanden, doch i&#x017F;t in die&#x017F;em kleinen<lb/>
Ereigniß eine hohe Wahrheit verborgen, die gewiß nur<lb/>
wenige fa&#x017F;&#x017F;en: finde Dich, &#x017F;ei Dir &#x017F;elber treu, lerne<lb/>
Dich ver&#x017F;tehen, folge Deiner Stimme, nur &#x017F;o kann&#x017F;t Du<lb/>
das Höch&#x017F;te erreichen. Du kann&#x017F;t nur <hi rendition="#g">Dir</hi> treu &#x017F;ein<lb/>
in der Liebe, was Du &#x017F;chön finde&#x017F;t das mußt Du lieben<lb/>
oder Du bi&#x017F;t Dir untreu.</p><lb/>
          <p>Schönheit erzeugt Begei&#x017F;trung, aber Begei&#x017F;trung<lb/>
für Schönheit i&#x017F;t die höch&#x017F;te Schönheit &#x017F;elb&#x017F;t. Sie &#x017F;pricht<lb/>
das erhöhte, verklärte Ideal des Geliebten durch &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t aus.</p><lb/>
          <p>Gewiß die Liebe erzieht eine höhere Welt aus der<lb/>
Sinnenwelt; der Gei&#x017F;t wird durch die Sinne genährt,<lb/>
gepflegt und getragen, er wäch&#x017F;t und &#x017F;teigt durch &#x017F;ie<lb/>
zur Selb&#x017F;tbegei&#x017F;trung zum Genie, denn Genie i&#x017F;t das<lb/>
überirdi&#x017F;che &#x017F;elige Leben einer durch die &#x017F;innliche Natur<lb/>
erzeugten himmli&#x017F;chen Begei&#x017F;trung.</p><lb/>
          <p>Du er&#x017F;chein&#x017F;t mir wie dies himmli&#x017F;che Erzeugniß<lb/>
meiner Sinnenwelt, wenn ich &#x017F;o vor Dir &#x017F;tehe und Dir<lb/>
aus&#x017F;preche wie ich Dich liebe, und doch wenn ich &#x017F;o<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0088] ich habe geſcherzt mit mir, und das war noch rührender daß am Scherz auch kein andrer Theil nahm, hätte mir damals einer geſagt es ſucht jeder in der Liebe nur ſich, und es iſt das höchſte Glück ſich in ihr finden, ich hätt' es nicht verſtanden, doch iſt in dieſem kleinen Ereigniß eine hohe Wahrheit verborgen, die gewiß nur wenige faſſen: finde Dich, ſei Dir ſelber treu, lerne Dich verſtehen, folge Deiner Stimme, nur ſo kannſt Du das Höchſte erreichen. Du kannſt nur Dir treu ſein in der Liebe, was Du ſchön findeſt das mußt Du lieben oder Du biſt Dir untreu. Schönheit erzeugt Begeiſtrung, aber Begeiſtrung für Schönheit iſt die höchſte Schönheit ſelbſt. Sie ſpricht das erhöhte, verklärte Ideal des Geliebten durch ſich ſelbſt aus. Gewiß die Liebe erzieht eine höhere Welt aus der Sinnenwelt; der Geiſt wird durch die Sinne genährt, gepflegt und getragen, er wächſt und ſteigt durch ſie zur Selbſtbegeiſtrung zum Genie, denn Genie iſt das überirdiſche ſelige Leben einer durch die ſinnliche Natur erzeugten himmliſchen Begeiſtrung. Du erſcheinſt mir wie dies himmliſche Erzeugniß meiner Sinnenwelt, wenn ich ſo vor Dir ſtehe und Dir ausſpreche wie ich Dich liebe, und doch wenn ich ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/88
Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/88>, abgerufen am 21.11.2024.