grünen Platz und las ihm vor aus deiner Brieftasche, ich las ihm die Manen vor, und knüpfte allerlei Ideen dran, die ich nicht recht aussprechen konnt, ich kann vor niemand sprechen wie vor Dir, ich fühl auch die Lust und das Feuer nicht dazu als nur bei Dir, und was ich Dir auch sag oder wie es herauskommt, so spür ich, daß etwas sich in mir regt als ob meine Seele wachse und wenn ichs auch selbst nicht einmal versteh, so bin ich doch gestärkt durch Deine ruhigen klugen Au¬ gen, die mich ansehen, erwartend als verständen sie mich und als wüßten sie, was noch kommen wird, Du zauberst dadurch Gedanken aus mir, deren ich vorher nicht bewußt war, die mich selbst verwundern, andre Leut haben mit mir keine Geduld, auch der Voigt nicht, der sagt: ich weiß schon was Sie wollen, und sagt etwas was ich gar nicht gewollt hab. -- Dann mach ichs aber wie Du und hör ihm zu, und da hör ich al¬ lemal was Kluges, Gutes. -- Heut sagte er: die Ver¬ nunft sei von den Philosophen als ihr Gott umtanzt und angebetet wie jeder seinen Gott anbete, nemlich als ein Götze, der zu allem gelogen werde was man nur in der Einbildung für wahr halte, Dinge, die man auf dem Weg des Menschensinnes und der Empfindung al¬ lein finden könne und solle; die würden zu Sätzen,
grünen Platz und las ihm vor aus deiner Brieftaſche, ich las ihm die Manen vor, und knüpfte allerlei Ideen dran, die ich nicht recht ausſprechen konnt, ich kann vor niemand ſprechen wie vor Dir, ich fühl auch die Luſt und das Feuer nicht dazu als nur bei Dir, und was ich Dir auch ſag oder wie es herauskommt, ſo ſpür ich, daß etwas ſich in mir regt als ob meine Seele wachſe und wenn ichs auch ſelbſt nicht einmal verſteh, ſo bin ich doch geſtärkt durch Deine ruhigen klugen Au¬ gen, die mich anſehen, erwartend als verſtänden ſie mich und als wüßten ſie, was noch kommen wird, Du zauberſt dadurch Gedanken aus mir, deren ich vorher nicht bewußt war, die mich ſelbſt verwundern, andre Leut haben mit mir keine Geduld, auch der Voigt nicht, der ſagt: ich weiß ſchon was Sie wollen, und ſagt etwas was ich gar nicht gewollt hab. — Dann mach ichs aber wie Du und hör ihm zu, und da hör ich al¬ lemal was Kluges, Gutes. — Heut ſagte er: die Ver¬ nunft ſei von den Philoſophen als ihr Gott umtanzt und angebetet wie jeder ſeinen Gott anbete, nemlich als ein Götze, der zu allem gelogen werde was man nur in der Einbildung für wahr halte, Dinge, die man auf dem Weg des Menſchenſinnes und der Empfindung al¬ lein finden könne und ſolle; die würden zu Sätzen,
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grünen Platz und las ihm vor aus deiner Brieftaſche,
ich las ihm die Manen vor, und knüpfte allerlei Ideen
dran, die ich nicht recht ausſprechen konnt, ich kann
vor niemand ſprechen wie vor Dir, ich fühl auch die
Luſt und das Feuer nicht dazu als nur bei Dir, und
was ich Dir auch ſag oder wie es herauskommt, ſo
ſpür ich, daß etwas ſich in mir regt als ob meine Seele
wachſe und wenn ichs auch ſelbſt nicht einmal verſteh,
ſo bin ich doch geſtärkt durch Deine ruhigen klugen Au¬
gen, die mich anſehen, erwartend als verſtänden ſie
mich und als wüßten ſie, was noch kommen wird, Du
zauberſt dadurch Gedanken aus mir, deren ich vorher
nicht bewußt war, die mich ſelbſt verwundern, andre
Leut haben mit mir keine Geduld, auch der Voigt nicht,
der ſagt: ich weiß ſchon was Sie wollen, und ſagt
etwas was ich gar nicht gewollt hab. — Dann mach
ichs aber wie Du und hör ihm zu, und da hör ich al¬
lemal was Kluges, Gutes. — Heut ſagte er: die Ver¬
nunft ſei von den Philoſophen als ihr Gott umtanzt
und angebetet wie jeder ſeinen Gott anbete, nemlich als
ein Götze, der zu allem gelogen werde was man nur
in der Einbildung für wahr halte, Dinge, die man auf
dem Weg des Menſchenſinnes und der Empfindung al¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/150>, abgerufen am 28.11.2024.
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