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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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bestellt ist um die Menschen, Du willst keinen Abscheu
in Dir aufkommen lassen gegen sie, die nicht Deine
Brüder sind, denn Absurdes ist nicht Schwester und
nicht Bruder; aber Du willst doch ihr Geschwister sein
und so stehst Du unter ihnen mit träumendem Haupt,
und lächelst im Schlaf, denn Du träumst Dir alles
blos als dahin schweifenden grotesken Maskentanz. --
Das lese ich heute wieder in Deinem Brief, denn es ist
jetzt so still hier und da kann man denken, -- Du bist
zu gut, für mich auch, weil Du unter allen Menschen
gegen mich bist als wärst du mehr wach; als machtest
Du die Augen auf, und trautest wirklich mich anzuse¬
hen, O ich hab auch schon oft dran gedacht, wie ich
Deinen Blick nie verscheuchen wollte, daß Du nicht auch
am End nachsichtig die Augen zumachst und mich nur
anblinzelst, damit Du alles Böse und Schlechte in mir
nicht gewahr werdest.

Du sagst: "Wir wollen unbedeutend zusammen
sein!" -- Weißt Du wie ich mir das ausleg? -- wie
das was Du dem Clemens letzt in meinem Brief schriebst:
"immer neu und lebendig ist die Sehnsucht
in mir
, mein Leben in einer bleibenden Form
auszusprechen
, in einer Gestalt, die würdig
sei
, zu den Vortrefflichsten hinzuzutreten, sie

zu

beſtellt iſt um die Menſchen, Du willſt keinen Abſcheu
in Dir aufkommen laſſen gegen ſie, die nicht Deine
Brüder ſind, denn Abſurdes iſt nicht Schweſter und
nicht Bruder; aber Du willſt doch ihr Geſchwiſter ſein
und ſo ſtehſt Du unter ihnen mit träumendem Haupt,
und lächelſt im Schlaf, denn Du träumſt Dir alles
blos als dahin ſchweifenden grotesken Maskentanz. —
Das leſe ich heute wieder in Deinem Brief, denn es iſt
jetzt ſo ſtill hier und da kann man denken, — Du biſt
zu gut, für mich auch, weil Du unter allen Menſchen
gegen mich biſt als wärſt du mehr wach; als machteſt
Du die Augen auf, und trauteſt wirklich mich anzuſe¬
hen, O ich hab auch ſchon oft dran gedacht, wie ich
Deinen Blick nie verſcheuchen wollte, daß Du nicht auch
am End nachſichtig die Augen zumachſt und mich nur
anblinzelſt, damit Du alles Böſe und Schlechte in mir
nicht gewahr werdeſt.

Du ſagſt: „Wir wollen unbedeutend zuſammen
ſein!“ — Weißt Du wie ich mir das ausleg? — wie
das was Du dem Clemens letzt in meinem Brief ſchriebſt:
immer neu und lebendig iſt die Sehnſucht
in mir
, mein Leben in einer bleibenden Form
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, in einer Geſtalt, die würdig
ſei
, zu den Vortrefflichſten hinzuzutreten, ſie

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[144/0160] beſtellt iſt um die Menſchen, Du willſt keinen Abſcheu in Dir aufkommen laſſen gegen ſie, die nicht Deine Brüder ſind, denn Abſurdes iſt nicht Schweſter und nicht Bruder; aber Du willſt doch ihr Geſchwiſter ſein und ſo ſtehſt Du unter ihnen mit träumendem Haupt, und lächelſt im Schlaf, denn Du träumſt Dir alles blos als dahin ſchweifenden grotesken Maskentanz. — Das leſe ich heute wieder in Deinem Brief, denn es iſt jetzt ſo ſtill hier und da kann man denken, — Du biſt zu gut, für mich auch, weil Du unter allen Menſchen gegen mich biſt als wärſt du mehr wach; als machteſt Du die Augen auf, und trauteſt wirklich mich anzuſe¬ hen, O ich hab auch ſchon oft dran gedacht, wie ich Deinen Blick nie verſcheuchen wollte, daß Du nicht auch am End nachſichtig die Augen zumachſt und mich nur anblinzelſt, damit Du alles Böſe und Schlechte in mir nicht gewahr werdeſt. Du ſagſt: „Wir wollen unbedeutend zuſammen ſein!“ — Weißt Du wie ich mir das ausleg? — wie das was Du dem Clemens letzt in meinem Brief ſchriebſt: „immer neu und lebendig iſt die Sehnſucht in mir, mein Leben in einer bleibenden Form auszuſprechen, in einer Geſtalt, die würdig ſei, zu den Vortrefflichſten hinzuzutreten, ſie zu

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/160>, abgerufen am 27.11.2024.