zu grüßen und Gemeinschaft mit ihnen zu haben. Ja nach dieser Gemeinschaft hat mir stets gelüstet, dies ist die Kirche, nach der mein Geist stets wallfahrtet auf Erden." -- Du sagst aber jetzt, wir wollen unbedeutend zusammen sein, -- weil Du lieber unberührt sein willst, weil Du keine Gemeinschaft findest; -- und Du glaubst wohl jetzt noch, daß irgend wo eine Höhe wär, wo die Luft so rein weht und ein ersehnt Gewitter auf die Seele niederregnet, wovon man freier und stärker wird? -- Aber gewiß ists nicht in der Philosophie; es ist nicht der Voigt, dem ichs nachspreche, aber er giebt mir Zeug¬ niß für meine eigne Empfindung. Menschen, die ge¬ sund athmen, die können nicht sich so beengen, stell Dir einen Philosophen vor, der ganz allein auf einer In¬ sel wohnte, wo's so schön wär, wie der Frühling nur sein kann, daß alles frei und lebendig blühte und die Vögel sängen dann, und alles, was die Natur geboren hätt wär vollkommen schön, aber es wären keine Ge¬ schöpfe da, denen der Philosoph was weiß machen könnt, glaubst Du, daß er da auf solche Sprünge käm wie die sind, die ich bei Dir nicht erzwingen konnt. -- Hör, ich glaub, er biß lieber in einen schönen Apfel, aber so eine hölzerne Kuriosität von Gedanken-Sparrwerk würde
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zu grüßen und Gemeinſchaft mit ihnen zu haben. Ja nach dieſer Gemeinſchaft hat mir ſtets gelüſtet, dies iſt die Kirche, nach der mein Geiſt ſtets wallfahrtet auf Erden.“ — Du ſagſt aber jetzt, wir wollen unbedeutend zuſammen ſein, — weil Du lieber unberührt ſein willſt, weil Du keine Gemeinſchaft findeſt; — und Du glaubſt wohl jetzt noch, daß irgend wo eine Höhe wär, wo die Luft ſo rein weht und ein erſehnt Gewitter auf die Seele niederregnet, wovon man freier und ſtärker wird? — Aber gewiß iſts nicht in der Philoſophie; es iſt nicht der Voigt, dem ichs nachſpreche, aber er giebt mir Zeug¬ niß für meine eigne Empfindung. Menſchen, die ge¬ ſund athmen, die können nicht ſich ſo beengen, ſtell Dir einen Philoſophen vor, der ganz allein auf einer In¬ ſel wohnte, wo's ſo ſchön wär, wie der Frühling nur ſein kann, daß alles frei und lebendig blühte und die Vögel ſängen dann, und alles, was die Natur geboren hätt wär vollkommen ſchön, aber es wären keine Ge¬ ſchöpfe da, denen der Philoſoph was weiß machen könnt, glaubſt Du, daß er da auf ſolche Sprünge käm wie die ſind, die ich bei Dir nicht erzwingen konnt. — Hör, ich glaub, er biß lieber in einen ſchönen Apfel, aber ſo eine hölzerne Kurioſität von Gedanken-Sparrwerk würde
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zu grüßen und Gemeinſchaft mit ihnen zu
haben. Ja nach dieſer Gemeinſchaft hat mir
ſtets gelüſtet, dies iſt die Kirche, nach der
mein Geiſt ſtets wallfahrtet auf Erden.“ —
Du ſagſt aber jetzt, wir wollen unbedeutend zuſammen
ſein, — weil Du lieber unberührt ſein willſt, weil Du
keine Gemeinſchaft findeſt; — und Du glaubſt wohl
jetzt noch, daß irgend wo eine Höhe wär, wo die Luft
ſo rein weht und ein erſehnt Gewitter auf die Seele
niederregnet, wovon man freier und ſtärker wird? —
Aber gewiß iſts nicht in der Philoſophie; es iſt nicht
der Voigt, dem ichs nachſpreche, aber er giebt mir Zeug¬
niß für meine eigne Empfindung. Menſchen, die ge¬
ſund athmen, die können nicht ſich ſo beengen, ſtell Dir
einen Philoſophen vor, der ganz allein auf einer In¬
ſel wohnte, wo's ſo ſchön wär, wie der Frühling nur
ſein kann, daß alles frei und lebendig blühte und die
Vögel ſängen dann, und alles, was die Natur geboren
hätt wär vollkommen ſchön, aber es wären keine Ge¬
ſchöpfe da, denen der Philoſoph was weiß machen könnt,
glaubſt Du, daß er da auf ſolche Sprünge käm wie
die ſind, die ich bei Dir nicht erzwingen konnt. — Hör,
ich glaub, er biß lieber in einen ſchönen Apfel, aber ſo
eine hölzerne Kurioſität von Gedanken-Sparrwerk würde
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/161>, abgerufen am 27.11.2024.
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