sach und frägt andre Leut, ob ich verliebt sei, wo ich doch nur im heiligen Orden meiner eignen Natur lebe. Zum Beispiel wenn er wüßte, daß ich Abends auf dem Dach vom Taubenschlag sitz und der untergehenden Sonne auf dem Flageolett vorblase, würde ers gut hei¬ ßen? -- Mein arm jung Leben liegt mir am Herzen, ich kann ihm nichts versagen. -- Red nichts von mir, laß die Leute bei ihrer herzlich schlechten Meinung von mir, es ist meine beste Freud, ich geh mit meinem Dä¬ mon um, der sagt: Du sollst Dich nicht verthei¬ digen. -- Ich thu was er will, alles andre ist mir ei¬ nerlei; einmal hab ich Visionen von ihm, so gut wards der Psyche nicht, sie sah doch nicht seinen Wiederschein, denn es war stockfinstre Nacht um sie, ich aber, wenn ichs im Herzen fühl, so seh ichs auch was mich ent¬ zückt, warum ich leben mag, himmlisch feucht Leben im Jugendstrahl, vortretend, ein Bischen auf die Seit ge¬ neigt, steht er immer vor mir, nicht den Blick mir grade zuwendend, nein bescheiden zeigt er sich in meiner Brust, der Gott, dem ich mich einschmeichle, mit süßen Thrä¬ nen, der mich Morgens vom Lager schüttelt, wo's kaum tagt, ich soll mich aufmachen, vielleicht begegne ich ihn bei Tagesanbruch, so eil ich flüchtig vorwärts, ich fühl mich schön im Herzen, ich fühl meine Schönheit, mein
ſach und frägt andre Leut, ob ich verliebt ſei, wo ich doch nur im heiligen Orden meiner eignen Natur lebe. Zum Beiſpiel wenn er wüßte, daß ich Abends auf dem Dach vom Taubenſchlag ſitz und der untergehenden Sonne auf dem Flageolett vorblaſe, würde ers gut hei¬ ßen? — Mein arm jung Leben liegt mir am Herzen, ich kann ihm nichts verſagen. — Red nichts von mir, laß die Leute bei ihrer herzlich ſchlechten Meinung von mir, es iſt meine beſte Freud, ich geh mit meinem Dä¬ mon um, der ſagt: Du ſollſt Dich nicht verthei¬ digen. — Ich thu was er will, alles andre iſt mir ei¬ nerlei; einmal hab ich Viſionen von ihm, ſo gut wards der Pſyche nicht, ſie ſah doch nicht ſeinen Wiederſchein, denn es war ſtockfinſtre Nacht um ſie, ich aber, wenn ichs im Herzen fühl, ſo ſeh ichs auch was mich ent¬ zückt, warum ich leben mag, himmliſch feucht Leben im Jugendſtrahl, vortretend, ein Biſchen auf die Seit ge¬ neigt, ſteht er immer vor mir, nicht den Blick mir grade zuwendend, nein beſcheiden zeigt er ſich in meiner Bruſt, der Gott, dem ich mich einſchmeichle, mit ſüßen Thrä¬ nen, der mich Morgens vom Lager ſchüttelt, wo's kaum tagt, ich ſoll mich aufmachen, vielleicht begegne ich ihn bei Tagesanbruch, ſo eil ich flüchtig vorwärts, ich fühl mich ſchön im Herzen, ich fühl meine Schönheit, mein
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ſach und frägt andre Leut, ob ich verliebt ſei, wo ich
doch nur im heiligen Orden meiner eignen Natur lebe.
Zum Beiſpiel wenn er wüßte, daß ich Abends auf dem
Dach vom Taubenſchlag ſitz und der untergehenden
Sonne auf dem Flageolett vorblaſe, würde ers gut hei¬
ßen? — Mein arm jung Leben liegt mir am Herzen,
ich kann ihm nichts verſagen. — Red nichts von mir,
laß die Leute bei ihrer herzlich ſchlechten Meinung von
mir, es iſt meine beſte Freud, ich geh mit meinem Dä¬
mon um, der ſagt: Du ſollſt Dich nicht verthei¬
digen. — Ich thu was er will, alles andre iſt mir ei¬
nerlei; einmal hab ich Viſionen von ihm, ſo gut wards
der Pſyche nicht, ſie ſah doch nicht ſeinen Wiederſchein,
denn es war ſtockfinſtre Nacht um ſie, ich aber, wenn
ichs im Herzen fühl, ſo ſeh ichs auch was mich ent¬
zückt, warum ich leben mag, himmliſch feucht Leben im
Jugendſtrahl, vortretend, ein Biſchen auf die Seit ge¬
neigt, ſteht er immer vor mir, nicht den Blick mir grade
zuwendend, nein beſcheiden zeigt er ſich in meiner Bruſt,
der Gott, dem ich mich einſchmeichle, mit ſüßen Thrä¬
nen, der mich Morgens vom Lager ſchüttelt, wo's kaum
tagt, ich ſoll mich aufmachen, vielleicht begegne ich ihn
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/204>, abgerufen am 24.11.2024.
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