In die Ferne sehend, nach dem Taunus still getränkt im Abendschein, der die Nebel durchlichtet, die flüchten¬ den die ihn umschweifen; -- da denk ich mir das Grab¬ mal selber ihm erkoren von Vater und Mutter, sein Kithäron. Da sing ich meinen Gesang hinüber, und der Wind spielt mich an, und gewiß, er bringt mein Lied hinüber zum Grab; mir ists eins, ob der Zeiten Last sich drüber gewälzt, doch dringt die Thrän hinab das Grab zu netzen, drang doch sein Weh herauf zu mir; und heute nur stiegs auf mir im Herzen, als ich die Laute dem Gott -- die jammernden, der ganzen Welt geschrieen -- zaghaft in Musik verwandelte. -- Und dort wohnt auch Er, der die noch lebenswarme Brust voll Wehe, und gesäet voll der Keime des Dichtergottes, jetzt zermalmt im Busen die Saat, -- in aufseufzenden Tönen herübertrug ins Mutterland, und wärmte -- das Jammergeschick des Zwillingsbruders -- in der Liebe, die aus der Verzweiflung Abgrund ihn mit heißer Begierde heraufrief, das müde jammervolle Haupt sanft zu lehnen, zusammen mit dem Geschick, das ausgeblutet hat. Ja wer mit Gräbern sich vermählt, der kann leicht wahnsinnig werden den Lebenden, -- denn er träumt nur hier am Tag, wie wir träumen in der Nacht, aber drunten im Schlaf wacht er und geht mit jenen mitleidsvoll Hand in Hand,
In die Ferne ſehend, nach dem Taunus ſtill getränkt im Abendſchein, der die Nebel durchlichtet, die flüchten¬ den die ihn umſchweifen; — da denk ich mir das Grab¬ mal ſelber ihm erkoren von Vater und Mutter, ſein Kithäron. Da ſing ich meinen Geſang hinüber, und der Wind ſpielt mich an, und gewiß, er bringt mein Lied hinüber zum Grab; mir iſts eins, ob der Zeiten Laſt ſich drüber gewälzt, doch dringt die Thrän hinab das Grab zu netzen, drang doch ſein Weh herauf zu mir; und heute nur ſtiegs auf mir im Herzen, als ich die Laute dem Gott — die jammernden, der ganzen Welt geſchrieen — zaghaft in Muſik verwandelte. — Und dort wohnt auch Er, der die noch lebenswarme Bruſt voll Wehe, und geſäet voll der Keime des Dichtergottes, jetzt zermalmt im Buſen die Saat, — in aufſeufzenden Tönen herübertrug ins Mutterland, und wärmte — das Jammergeſchick des Zwillingsbruders — in der Liebe, die aus der Verzweiflung Abgrund ihn mit heißer Begierde heraufrief, das müde jammervolle Haupt ſanft zu lehnen, zuſammen mit dem Geſchick, das ausgeblutet hat. Ja wer mit Gräbern ſich vermählt, der kann leicht wahnſinnig werden den Lebenden, — denn er träumt nur hier am Tag, wie wir träumen in der Nacht, aber drunten im Schlaf wacht er und geht mit jenen mitleidsvoll Hand in Hand,
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In die Ferne ſehend, nach dem Taunus ſtill getränkt
im Abendſchein, der die Nebel durchlichtet, die flüchten¬
den die ihn umſchweifen; — da denk ich mir das Grab¬
mal ſelber ihm erkoren von Vater und Mutter, ſein
Kithäron. Da ſing ich meinen Geſang hinüber, und der
Wind ſpielt mich an, und gewiß, er bringt mein Lied
hinüber zum Grab; mir iſts eins, ob der Zeiten Laſt
ſich drüber gewälzt, doch dringt die Thrän hinab das
Grab zu netzen, drang doch ſein Weh herauf zu mir;
und heute nur ſtiegs auf mir im Herzen, als ich die Laute
dem Gott — die jammernden, der ganzen Welt geſchrieen —
zaghaft in Muſik verwandelte. — Und dort wohnt auch
Er, der die noch lebenswarme Bruſt voll Wehe, und
geſäet voll der Keime des Dichtergottes, jetzt zermalmt im
Buſen die Saat, — in aufſeufzenden Tönen herübertrug
ins Mutterland, und wärmte — das Jammergeſchick des
Zwillingsbruders — in der Liebe, die aus der Verzweiflung
Abgrund ihn mit heißer Begierde heraufrief, das müde
jammervolle Haupt ſanft zu lehnen, zuſammen mit dem
Geſchick, das ausgeblutet hat. Ja wer mit Gräbern
ſich vermählt, der kann leicht wahnſinnig werden den
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wir träumen in der Nacht, aber drunten im Schlaf
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/244>, abgerufen am 23.11.2024.
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