Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

die ewigen Sterne Dir leuchten und die Nacht in ih¬
rem Glanz erbleicht und die Morgenröthen freudig auf¬
wachen. -- Ja drum! -- der Irrthum der Kirchen¬
väter, Gott sei die Weisheit, hat gar manchen An¬
stoß gegeben; denn Gott ist die Leidenschaft. --
Groß, allumfassend im Busen der alles Leben spiegelt
wie der Ocean, und alle Leidenschaft ergießt sich in ihn
wie Lebensströme. Und sie alle umfassend ist Leiden¬
schaft die höchste Ruhe.

Jetzt will ich Dir was sagen: ich will nicht mehr
haben daß Du voll Angst seufzest um mein Nichtsthun!
ich weiß wohl -- und wenn ichs beim Licht betracht
so konnt ich meine Zeit besser zubringen als sie zu dem
verdammen was mein Herz nicht erfüllt, so hätt ich mir
selbst mehr gewonnen, und meine Liebe zum Besten,
zum Höchsten hätt die Ungerechtigkeit nicht zur Stütze
gehabt, ich weiß wohl daß ich im Eifer allem was mir
nicht unmittelbar Lebensnahrung war unrecht gethan
hab. Ich hab mich immer im Voraus gewaffnet, da
ich nicht wußt ob es Streit geben werde; ich hab
hundertmal die Wahrheit selbst über die Klinge springen
lassen wenn ich sagte dieses oder jenes rege meinen Geist
nicht an, denn alles regt ihn an, ja alles, und ich fühle

die ewigen Sterne Dir leuchten und die Nacht in ih¬
rem Glanz erbleicht und die Morgenröthen freudig auf¬
wachen. — Ja drum! — der Irrthum der Kirchen¬
väter, Gott ſei die Weisheit, hat gar manchen An¬
ſtoß gegeben; denn Gott iſt die Leidenſchaft. —
Groß, allumfaſſend im Buſen der alles Leben ſpiegelt
wie der Ocean, und alle Leidenſchaft ergießt ſich in ihn
wie Lebensſtröme. Und ſie alle umfaſſend iſt Leiden¬
ſchaft die höchſte Ruhe.

Jetzt will ich Dir was ſagen: ich will nicht mehr
haben daß Du voll Angſt ſeufzeſt um mein Nichtsthun!
ich weiß wohl — und wenn ichs beim Licht betracht
ſo konnt ich meine Zeit beſſer zubringen als ſie zu dem
verdammen was mein Herz nicht erfüllt, ſo hätt ich mir
ſelbſt mehr gewonnen, und meine Liebe zum Beſten,
zum Höchſten hätt die Ungerechtigkeit nicht zur Stütze
gehabt, ich weiß wohl daß ich im Eifer allem was mir
nicht unmittelbar Lebensnahrung war unrecht gethan
hab. Ich hab mich immer im Voraus gewaffnet, da
ich nicht wußt ob es Streit geben werde; ich hab
hundertmal die Wahrheit ſelbſt über die Klinge ſpringen
laſſen wenn ich ſagte dieſes oder jenes rege meinen Geiſt
nicht an, denn alles regt ihn an, ja alles, und ich fühle

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0319" n="303"/>
die ewigen Sterne Dir leuchten und die Nacht in ih¬<lb/>
rem Glanz erbleicht und die Morgenröthen freudig auf¬<lb/>
wachen. &#x2014; Ja drum! &#x2014; der Irrthum der Kirchen¬<lb/>
väter, Gott &#x017F;ei die Weisheit, hat gar manchen An¬<lb/>
&#x017F;toß gegeben; denn <hi rendition="#g">Gott i&#x017F;t die Leiden&#x017F;chaft</hi>. &#x2014;<lb/>
Groß, allumfa&#x017F;&#x017F;end im Bu&#x017F;en der alles Leben &#x017F;piegelt<lb/>
wie der Ocean, und alle Leiden&#x017F;chaft ergießt &#x017F;ich in ihn<lb/>
wie Lebens&#x017F;tröme. Und &#x017F;ie alle umfa&#x017F;&#x017F;end i&#x017F;t Leiden¬<lb/>
&#x017F;chaft die höch&#x017F;te Ruhe.</p><lb/>
          <p>Jetzt will ich Dir was &#x017F;agen: ich will nicht mehr<lb/>
haben daß Du voll Ang&#x017F;t &#x017F;eufze&#x017F;t um mein Nichtsthun!<lb/>
ich weiß wohl &#x2014; und wenn ichs beim Licht betracht<lb/>
&#x017F;o konnt ich meine Zeit be&#x017F;&#x017F;er zubringen als &#x017F;ie zu dem<lb/>
verdammen was mein Herz nicht erfüllt, &#x017F;o hätt ich mir<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t mehr gewonnen, und meine Liebe zum Be&#x017F;ten,<lb/>
zum Höch&#x017F;ten hätt die Ungerechtigkeit nicht zur Stütze<lb/>
gehabt, ich weiß wohl daß ich im Eifer allem was mir<lb/>
nicht unmittelbar Lebensnahrung war unrecht gethan<lb/>
hab. Ich hab mich immer im Voraus gewaffnet, da<lb/>
ich nicht wußt ob es Streit geben werde; ich hab<lb/>
hundertmal die Wahrheit &#x017F;elb&#x017F;t über die Klinge &#x017F;pringen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en wenn ich &#x017F;agte die&#x017F;es oder jenes rege meinen Gei&#x017F;t<lb/>
nicht an, denn alles regt ihn an, ja alles, und ich fühle<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[303/0319] die ewigen Sterne Dir leuchten und die Nacht in ih¬ rem Glanz erbleicht und die Morgenröthen freudig auf¬ wachen. — Ja drum! — der Irrthum der Kirchen¬ väter, Gott ſei die Weisheit, hat gar manchen An¬ ſtoß gegeben; denn Gott iſt die Leidenſchaft. — Groß, allumfaſſend im Buſen der alles Leben ſpiegelt wie der Ocean, und alle Leidenſchaft ergießt ſich in ihn wie Lebensſtröme. Und ſie alle umfaſſend iſt Leiden¬ ſchaft die höchſte Ruhe. Jetzt will ich Dir was ſagen: ich will nicht mehr haben daß Du voll Angſt ſeufzeſt um mein Nichtsthun! ich weiß wohl — und wenn ichs beim Licht betracht ſo konnt ich meine Zeit beſſer zubringen als ſie zu dem verdammen was mein Herz nicht erfüllt, ſo hätt ich mir ſelbſt mehr gewonnen, und meine Liebe zum Beſten, zum Höchſten hätt die Ungerechtigkeit nicht zur Stütze gehabt, ich weiß wohl daß ich im Eifer allem was mir nicht unmittelbar Lebensnahrung war unrecht gethan hab. Ich hab mich immer im Voraus gewaffnet, da ich nicht wußt ob es Streit geben werde; ich hab hundertmal die Wahrheit ſelbſt über die Klinge ſpringen laſſen wenn ich ſagte dieſes oder jenes rege meinen Geiſt nicht an, denn alles regt ihn an, ja alles, und ich fühle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/319
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/319>, abgerufen am 29.05.2024.