der Tag weilt, wo auf blühender Wiese die Adler nie¬ derfahren und holen die Jünglinge hinan zum Allvater daß er ihnen kose einen Augenblick und wieder sie ent¬ lasse zum Spiel am Bach. -- Wo die Bienenschaa¬ ren von Dichterlippen und in seinen blumensprossenden Tritten Honig sammlen, und wo Geister, lichte Berg¬ gipfel umtanzen, wo die Seele sich aufschließt leis wie eine Knospe und des Geistes Strahlen in ihrem Kelch eingebettet, wie die goldnen Staubfäden in der Rose, ihr Leben entwicklen und auch beenden. Dort will ich hin, das liegt mir im Sinn, nichts wie Blü¬ thenmeer, Duft einathmen, Birn speisen und reife Trau¬ ben und süße Pfirsig getheilt mit mir von Doppellip¬ pen, ich die Hälfte, und die Er der heute noch am Scheideweg meiner harrte als die Sonne hinunter war. Was ists? -- es wird mich schon erziehen, Thränen wirds geben, das weiß ich, aber auch Lust, so ists immer wo Schönheit reifen soll, und das ist alles was ich ver¬ lang vom Schicksal, es soll mich scheiden vom Schlechten, es soll keine Sünde in mir dulden, -- in mei¬ nen unaufhörlichen Träumen nur möcht ich eine Vollen¬ dung empfinden -- der Liebe, der Schönheit -- das ist mein Ziel, und mein Geist strebt eine Natur da heraus
der Tag weilt, wo auf blühender Wieſe die Adler nie¬ derfahren und holen die Jünglinge hinan zum Allvater daß er ihnen koſe einen Augenblick und wieder ſie ent¬ laſſe zum Spiel am Bach. — Wo die Bienenſchaa¬ ren von Dichterlippen und in ſeinen blumenſproſſenden Tritten Honig ſammlen, und wo Geiſter, lichte Berg¬ gipfel umtanzen, wo die Seele ſich aufſchließt leis wie eine Knospe und des Geiſtes Strahlen in ihrem Kelch eingebettet, wie die goldnen Staubfäden in der Roſe, ihr Leben entwicklen und auch beenden. Dort will ich hin, das liegt mir im Sinn, nichts wie Blü¬ thenmeer, Duft einathmen, Birn ſpeiſen und reife Trau¬ ben und ſüße Pfirſig getheilt mit mir von Doppellip¬ pen, ich die Hälfte, und die Er der heute noch am Scheideweg meiner harrte als die Sonne hinunter war. Was iſts? — es wird mich ſchon erziehen, Thränen wirds geben, das weiß ich, aber auch Luſt, ſo iſts immer wo Schönheit reifen ſoll, und das iſt alles was ich ver¬ lang vom Schickſal, es ſoll mich ſcheiden vom Schlechten, es ſoll keine Sünde in mir dulden, — in mei¬ nen unaufhörlichen Träumen nur möcht ich eine Vollen¬ dung empfinden — der Liebe, der Schönheit — das iſt mein Ziel, und mein Geiſt ſtrebt eine Natur da heraus
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der Tag weilt, wo auf blühender Wieſe die Adler nie¬
derfahren und holen die Jünglinge hinan zum Allvater
daß er ihnen koſe einen Augenblick und wieder ſie ent¬
laſſe zum Spiel am Bach. — Wo die Bienenſchaa¬
ren von Dichterlippen und in ſeinen blumenſproſſenden
Tritten Honig ſammlen, und wo Geiſter, lichte Berg¬
gipfel umtanzen, wo die Seele ſich aufſchließt leis
wie eine Knospe und des Geiſtes Strahlen in ihrem
Kelch eingebettet, wie die goldnen Staubfäden in der
Roſe, ihr Leben entwicklen und auch beenden. Dort
will ich hin, das liegt mir im Sinn, nichts wie Blü¬
thenmeer, Duft einathmen, Birn ſpeiſen und reife Trau¬
ben und ſüße Pfirſig getheilt mit mir von Doppellip¬
pen, ich die Hälfte, und die Er der heute noch am
Scheideweg meiner harrte als die Sonne hinunter war.
Was iſts? — es wird mich ſchon erziehen, Thränen wirds
geben, das weiß ich, aber auch Luſt, ſo iſts immer wo
Schönheit reifen ſoll, und das iſt alles was ich ver¬
lang vom Schickſal, es ſoll mich ſcheiden vom
Schlechten, es ſoll keine Sünde in mir dulden, — in mei¬
nen unaufhörlichen Träumen nur möcht ich eine Vollen¬
dung empfinden — der Liebe, der Schönheit — das iſt
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/321>, abgerufen am 22.11.2024.
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