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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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zu finden in dem ich dem Schönen fortwährend begegne.
Das ists und nichts anders. Und alles was ich erfahre
von der Kunst, von Poesie und Wissen, das schlägt an
wie Echo in den unbekannten Tiefen meiner Brust, da
erschreck ich daß es doch wohl wahr sein möge was
manchmal nur wie Traum in mir wogt, da toben alle
Pulse vor Hoffnung es sei ein Doppelleben was wirk¬
lich auch Doppelliebe kann haben, und daß wenn ich
heiß mich sehne verstanden zu sein daß ich dann verstan¬
den sei, wo? -- wie -- ach was weiß ichs! -- vom Nebel
der dort flattert, vom Wind in der Ferne, vom letzten
Lichtstreif wenn die Nachtkuppel schon sich senkt über
mir, -- kurz ich weiß nicht, alles was ich anseh das
müßte Geist haben, liebenden Geist, -- wahrlich sonst thut
mirs Unrecht. Welche Wege übernehme ich doch? --
Welche Gefahren besteh ich im Geist?-- -- da schwimm
ich im Dunkel in uferlosen Fluthen, eine Woge stürzt
mich auf die andre, aber ich vertrau, und eine Stimme
in mir daß ich dem Genius zu Lieb so kühn bin! -- o das
lebendige Feuer, und trotz dem Stürmen halt ich die
Palme hoch, und eile dem leisen Schein des Morgen¬
roths entgegen, weil das Er selber ist. --

Gott sei die Poesie hab ich in meinem letzten Brief
gesagt, und die Weisheit, sagen die Kirchenväter, ich

zu finden in dem ich dem Schönen fortwährend begegne.
Das iſts und nichts anders. Und alles was ich erfahre
von der Kunſt, von Poeſie und Wiſſen, das ſchlägt an
wie Echo in den unbekannten Tiefen meiner Bruſt, da
erſchreck ich daß es doch wohl wahr ſein möge was
manchmal nur wie Traum in mir wogt, da toben alle
Pulſe vor Hoffnung es ſei ein Doppelleben was wirk¬
lich auch Doppelliebe kann haben, und daß wenn ich
heiß mich ſehne verſtanden zu ſein daß ich dann verſtan¬
den ſei, wo? — wie — ach was weiß ichs! — vom Nebel
der dort flattert, vom Wind in der Ferne, vom letzten
Lichtſtreif wenn die Nachtkuppel ſchon ſich ſenkt über
mir, — kurz ich weiß nicht, alles was ich anſeh das
müßte Geiſt haben, liebenden Geiſt, — wahrlich ſonſt thut
mirs Unrecht. Welche Wege übernehme ich doch? —
Welche Gefahren beſteh ich im Geiſt?— — da ſchwimm
ich im Dunkel in uferloſen Fluthen, eine Woge ſtürzt
mich auf die andre, aber ich vertrau, und eine Stimme
in mir daß ich dem Genius zu Lieb ſo kühn bin! — o das
lebendige Feuer, und trotz dem Stürmen halt ich die
Palme hoch, und eile dem leiſen Schein des Morgen¬
roths entgegen, weil das Er ſelber iſt. —

Gott ſei die Poeſie hab ich in meinem letzten Brief
geſagt, und die Weisheit, ſagen die Kirchenväter, ich

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[306/0322] zu finden in dem ich dem Schönen fortwährend begegne. Das iſts und nichts anders. Und alles was ich erfahre von der Kunſt, von Poeſie und Wiſſen, das ſchlägt an wie Echo in den unbekannten Tiefen meiner Bruſt, da erſchreck ich daß es doch wohl wahr ſein möge was manchmal nur wie Traum in mir wogt, da toben alle Pulſe vor Hoffnung es ſei ein Doppelleben was wirk¬ lich auch Doppelliebe kann haben, und daß wenn ich heiß mich ſehne verſtanden zu ſein daß ich dann verſtan¬ den ſei, wo? — wie — ach was weiß ichs! — vom Nebel der dort flattert, vom Wind in der Ferne, vom letzten Lichtſtreif wenn die Nachtkuppel ſchon ſich ſenkt über mir, — kurz ich weiß nicht, alles was ich anſeh das müßte Geiſt haben, liebenden Geiſt, — wahrlich ſonſt thut mirs Unrecht. Welche Wege übernehme ich doch? — Welche Gefahren beſteh ich im Geiſt?— — da ſchwimm ich im Dunkel in uferloſen Fluthen, eine Woge ſtürzt mich auf die andre, aber ich vertrau, und eine Stimme in mir daß ich dem Genius zu Lieb ſo kühn bin! — o das lebendige Feuer, und trotz dem Stürmen halt ich die Palme hoch, und eile dem leiſen Schein des Morgen¬ roths entgegen, weil das Er ſelber iſt. — Gott ſei die Poeſie hab ich in meinem letzten Brief geſagt, und die Weisheit, ſagen die Kirchenväter, ich

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/322>, abgerufen am 22.11.2024.