Leidenschaft für ihn sich erinnere und auch ihm zuwachse sich mit ihm zu küssen. Wenn Ihr alle dichtet von jenen Wahrheiten, so mächtig so selbstlebend daß sie dem Dichter den Busen bewegen daß er ihr Element werde, und sie ewig ausspreche, o so lasset sie für mich geboren sein daß ich ihnen traue, daß ich mich ihnen hingebe und sie genieße, für was drängten sie sich ewig in Eu¬ ren Geist, für was rührten sie Eure Lippen die Ihr sie aussprecht, wenn sie nicht wahrhaft lebendig Leben wä¬ ren das durch Euch wiedergeboren soll werden in die Sinne der Menschen. Nun meine Sinne sind frucht¬ barer Acker, sie haben Euren Samen aufgenommen, o denket daß nichts von Euch geahnet war, nichts, was Ihr nur in den Wolken gelesen, was mir nicht lebendig geworden. Das ists! -- Und was wollt ich doch sa¬ gen? -- Ach wie weit hab ich mich verlaufen, und wollte doch nur sagen von dem Gott, und daß er nicht die Weisheit könne sein, sondern die Leidenschaft, die der Weisheit bedürfe um kühn und tapfer zu Stande zu bringen was in ihr gährt. -- Wie sag ich Dirs doch wenn Du's nicht von selbst verstehst, wenn Du nicht verstehst daß alles Wesen durch Leidenschaft ausgespro¬ chen sein wolle, ja selbst die Ruhe nichts anders sei als nur Leidenschaft, daß der Mensch nur mit einem Göt¬
Leidenſchaft für ihn ſich erinnere und auch ihm zuwachſe ſich mit ihm zu küſſen. Wenn Ihr alle dichtet von jenen Wahrheiten, ſo mächtig ſo ſelbſtlebend daß ſie dem Dichter den Buſen bewegen daß er ihr Element werde, und ſie ewig ausſpreche, o ſo laſſet ſie für mich geboren ſein daß ich ihnen traue, daß ich mich ihnen hingebe und ſie genieße, für was drängten ſie ſich ewig in Eu¬ ren Geiſt, für was rührten ſie Eure Lippen die Ihr ſie ausſprecht, wenn ſie nicht wahrhaft lebendig Leben wä¬ ren das durch Euch wiedergeboren ſoll werden in die Sinne der Menſchen. Nun meine Sinne ſind frucht¬ barer Acker, ſie haben Euren Samen aufgenommen, o denket daß nichts von Euch geahnet war, nichts, was Ihr nur in den Wolken geleſen, was mir nicht lebendig geworden. Das iſts! — Und was wollt ich doch ſa¬ gen? — Ach wie weit hab ich mich verlaufen, und wollte doch nur ſagen von dem Gott, und daß er nicht die Weisheit könne ſein, ſondern die Leidenſchaft, die der Weisheit bedürfe um kühn und tapfer zu Stande zu bringen was in ihr gährt. — Wie ſag ich Dirs doch wenn Du's nicht von ſelbſt verſtehſt, wenn Du nicht verſtehſt daß alles Weſen durch Leidenſchaft ausgeſpro¬ chen ſein wolle, ja ſelbſt die Ruhe nichts anders ſei als nur Leidenſchaft, daß der Menſch nur mit einem Göt¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0325"n="309"/>
Leidenſchaft für ihn ſich erinnere und auch ihm zuwachſe<lb/>ſich mit ihm zu küſſen. Wenn Ihr alle dichtet von jenen<lb/>
Wahrheiten, ſo mächtig ſo ſelbſtlebend daß ſie dem<lb/>
Dichter den Buſen bewegen daß er ihr Element werde,<lb/>
und ſie ewig ausſpreche, o ſo laſſet ſie für mich geboren<lb/>ſein daß ich ihnen traue, daß ich mich ihnen hingebe<lb/>
und ſie genieße, für was drängten ſie ſich ewig in Eu¬<lb/>
ren Geiſt, für was rührten ſie Eure Lippen die Ihr ſie<lb/>
ausſprecht, wenn ſie nicht wahrhaft lebendig Leben wä¬<lb/>
ren das durch Euch wiedergeboren ſoll werden in die<lb/>
Sinne der Menſchen. Nun meine Sinne ſind frucht¬<lb/>
barer Acker, ſie haben Euren Samen aufgenommen, o<lb/>
denket daß nichts von Euch geahnet war, nichts, was<lb/>
Ihr nur in den Wolken geleſen, was mir nicht lebendig<lb/>
geworden. Das iſts! — Und was wollt ich doch ſa¬<lb/>
gen? — Ach wie weit hab ich mich verlaufen, und<lb/>
wollte doch nur ſagen von dem Gott, und daß er nicht<lb/>
die Weisheit könne ſein, ſondern die Leidenſchaft, die<lb/>
der Weisheit bedürfe um kühn und tapfer zu Stande<lb/>
zu bringen was in ihr gährt. — Wie ſag ich Dirs doch<lb/>
wenn Du's nicht von ſelbſt verſtehſt, wenn Du nicht<lb/>
verſtehſt daß alles Weſen durch Leidenſchaft ausgeſpro¬<lb/>
chen ſein wolle, ja ſelbſt die Ruhe nichts anders ſei als<lb/>
nur Leidenſchaft, daß <hirendition="#g">der</hi> Menſch nur mit einem Göt¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[309/0325]
Leidenſchaft für ihn ſich erinnere und auch ihm zuwachſe
ſich mit ihm zu küſſen. Wenn Ihr alle dichtet von jenen
Wahrheiten, ſo mächtig ſo ſelbſtlebend daß ſie dem
Dichter den Buſen bewegen daß er ihr Element werde,
und ſie ewig ausſpreche, o ſo laſſet ſie für mich geboren
ſein daß ich ihnen traue, daß ich mich ihnen hingebe
und ſie genieße, für was drängten ſie ſich ewig in Eu¬
ren Geiſt, für was rührten ſie Eure Lippen die Ihr ſie
ausſprecht, wenn ſie nicht wahrhaft lebendig Leben wä¬
ren das durch Euch wiedergeboren ſoll werden in die
Sinne der Menſchen. Nun meine Sinne ſind frucht¬
barer Acker, ſie haben Euren Samen aufgenommen, o
denket daß nichts von Euch geahnet war, nichts, was
Ihr nur in den Wolken geleſen, was mir nicht lebendig
geworden. Das iſts! — Und was wollt ich doch ſa¬
gen? — Ach wie weit hab ich mich verlaufen, und
wollte doch nur ſagen von dem Gott, und daß er nicht
die Weisheit könne ſein, ſondern die Leidenſchaft, die
der Weisheit bedürfe um kühn und tapfer zu Stande
zu bringen was in ihr gährt. — Wie ſag ich Dirs doch
wenn Du's nicht von ſelbſt verſtehſt, wenn Du nicht
verſtehſt daß alles Weſen durch Leidenſchaft ausgeſpro¬
chen ſein wolle, ja ſelbſt die Ruhe nichts anders ſei als
nur Leidenſchaft, daß der Menſch nur mit einem Göt¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/325>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.