die Treue gebrochen, oder einer Schwäche sich hingege¬ ben vor dem Geliebten. Was ist das Gewissen anders als der Minnehof des Geistes mit den Sinnen -- wo sie sich einander hingeben, und Opfer, Heldenthaten für einander thun, und innerlichen Minnesold empfan¬ gen. Und dann jene Stimme, die jegliche Stimmung prüft; je tiefer und weiter sich dies Leben ausbildet, je fester gründet sie die Ansprüche und Berechtigungen, je leichter verletzbar. Ach ich sag Dir, es liegt ein Adel, ein steigernder Trieb in der Seele der auf die Aussen¬ seite des Lebens zurückstrahlt, alles aus leidenschaftlicher Berührung der Sinne mit dem Geist; wenn Du schrei¬ test, wenn Du Dich wendest, wenn Du die Stimme er¬ hebst -- was auch des geringsten nur, Dich einen Au¬ genblick aus der Gegenwart (Einwirkung) jener Lebens¬ regungen entfernt, fühlst Du nicht Vorwürfe? -- ein Stocken, eine Ohnmacht in Dir? -- schlägt nicht Dein Herz in Pein als müsse es rückkehren? -- dahin wo die Sinne sich geliebt wähnen vom Geist, sich zärtlich um¬ armen mit ihm. --Ach ich muß solchen Unsinn reden -- mit Thränen, denn ich bin so tief bewegt von etwas, wie soll ich Dir das sagen? -- Der edle Mensch ein Tummelplatz von Leidenschaften, lauter Kräfte die auf¬ streben ins Leben durch die Liebe unter einander! --
die Treue gebrochen, oder einer Schwäche ſich hingege¬ ben vor dem Geliebten. Was iſt das Gewiſſen anders als der Minnehof des Geiſtes mit den Sinnen — wo ſie ſich einander hingeben, und Opfer, Heldenthaten für einander thun, und innerlichen Minneſold empfan¬ gen. Und dann jene Stimme, die jegliche Stimmung prüft; je tiefer und weiter ſich dies Leben ausbildet, je feſter gründet ſie die Anſprüche und Berechtigungen, je leichter verletzbar. Ach ich ſag Dir, es liegt ein Adel, ein ſteigernder Trieb in der Seele der auf die Auſſen¬ ſeite des Lebens zurückſtrahlt, alles aus leidenſchaftlicher Berührung der Sinne mit dem Geiſt; wenn Du ſchrei¬ teſt, wenn Du Dich wendeſt, wenn Du die Stimme er¬ hebſt — was auch des geringſten nur, Dich einen Au¬ genblick aus der Gegenwart (Einwirkung) jener Lebens¬ regungen entfernt, fühlſt Du nicht Vorwürfe? — ein Stocken, eine Ohnmacht in Dir? — ſchlägt nicht Dein Herz in Pein als müſſe es rückkehren? — dahin wo die Sinne ſich geliebt wähnen vom Geiſt, ſich zärtlich um¬ armen mit ihm. —Ach ich muß ſolchen Unſinn reden — mit Thränen, denn ich bin ſo tief bewegt von etwas, wie ſoll ich Dir das ſagen? — Der edle Menſch ein Tummelplatz von Leidenſchaften, lauter Kräfte die auf¬ ſtreben ins Leben durch die Liebe unter einander! —
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die Treue gebrochen, oder einer Schwäche ſich hingege¬
ben vor dem Geliebten. Was iſt das Gewiſſen anders
als der Minnehof des Geiſtes mit den Sinnen — wo
ſie ſich einander hingeben, und Opfer, Heldenthaten für
einander thun, und innerlichen Minneſold empfan¬
gen. Und dann jene Stimme, die jegliche Stimmung
prüft; je tiefer und weiter ſich dies Leben ausbildet, je
feſter gründet ſie die Anſprüche und Berechtigungen, je
leichter verletzbar. Ach ich ſag Dir, es liegt ein Adel,
ein ſteigernder Trieb in der Seele der auf die Auſſen¬
ſeite des Lebens zurückſtrahlt, alles aus leidenſchaftlicher
Berührung der Sinne mit dem Geiſt; wenn Du ſchrei¬
teſt, wenn Du Dich wendeſt, wenn Du die Stimme er¬
hebſt — was auch des geringſten nur, Dich einen Au¬
genblick aus der Gegenwart (Einwirkung) jener Lebens¬
regungen entfernt, fühlſt Du nicht Vorwürfe? — ein
Stocken, eine Ohnmacht in Dir? — ſchlägt nicht Dein
Herz in Pein als müſſe es rückkehren? — dahin wo die
Sinne ſich geliebt wähnen vom Geiſt, ſich zärtlich um¬
armen mit ihm. —Ach ich muß ſolchen Unſinn reden —
mit Thränen, denn ich bin ſo tief bewegt von etwas,
wie ſoll ich Dir das ſagen? — Der edle Menſch ein
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/327>, abgerufen am 22.11.2024.
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