Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

heißt. -- Mein botanisch Heft hat sich schon vergrö¬
ßert bis zur siebzehnten Pflanze, die ich genau beobach¬
tet und so bezeichnet hab wie mein Beschauen es mir
lehrte, bald ists das Blatt bald die Krone oder Wurzel,
bald die Form der Staude die mir irgend ein Räthsel
lößt oder eine Zauberformel aufgiebt; dem alten Weiß
bring ich meine Exemplare, er muß sie mir einlegen
und sauber ordnen; im Anfang meinte er ich spaße
als ich ihm meine neue Botanik vortrug, als ich aber
ganz ernsthaft dabei blieb daß wie andre eine Bota¬
nik geschrieben so könne ich auch eine schreiben, so
sah ich ihm heimlich an daß er mir meine Kinderun¬
schuld nicht verderben wollt und sich hinein fügte, ich
las ihm meine Entdeckungen vor, besonders erfreute
ihn die Geschichte der Kuhblume, die ihren Samen wie
eine Sternenkugel ausdehnt und von der ich ihm zu
verstehen gab, daß die Sterne wohl auch mit einer so
feinen Röhre auf dem Samenschaft der Gottheit haf¬
ten, wenn die ausgeblüht hat und einer zuweilen da¬
hin fliegt um in einem neuen Boden zu blühen, und
daß alle Himmelskörper reifende Samen sein könnten.
-- Der Weiß sagt: tolle Vergleiche, aber sie machen
mir Freude und rücken mir die alte Pelzmütze vom

heißt. — Mein botaniſch Heft hat ſich ſchon vergrö¬
ßert bis zur ſiebzehnten Pflanze, die ich genau beobach¬
tet und ſo bezeichnet hab wie mein Beſchauen es mir
lehrte, bald iſts das Blatt bald die Krone oder Wurzel,
bald die Form der Staude die mir irgend ein Räthſel
lößt oder eine Zauberformel aufgiebt; dem alten Weiß
bring ich meine Exemplare, er muß ſie mir einlegen
und ſauber ordnen; im Anfang meinte er ich ſpaße
als ich ihm meine neue Botanik vortrug, als ich aber
ganz ernſthaft dabei blieb daß wie andre eine Bota¬
nik geſchrieben ſo könne ich auch eine ſchreiben, ſo
ſah ich ihm heimlich an daß er mir meine Kinderun¬
ſchuld nicht verderben wollt und ſich hinein fügte, ich
las ihm meine Entdeckungen vor, beſonders erfreute
ihn die Geſchichte der Kuhblume, die ihren Samen wie
eine Sternenkugel ausdehnt und von der ich ihm zu
verſtehen gab, daß die Sterne wohl auch mit einer ſo
feinen Röhre auf dem Samenſchaft der Gottheit haf¬
ten, wenn die ausgeblüht hat und einer zuweilen da¬
hin fliegt um in einem neuen Boden zu blühen, und
daß alle Himmelskörper reifende Samen ſein könnten.
— Der Weiß ſagt: tolle Vergleiche, aber ſie machen
mir Freude und rücken mir die alte Pelzmütze vom

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0165" n="151"/>
heißt. &#x2014; Mein botani&#x017F;ch Heft hat &#x017F;ich &#x017F;chon vergrö¬<lb/>
ßert bis zur &#x017F;iebzehnten Pflanze, die ich genau beobach¬<lb/>
tet und &#x017F;o bezeichnet hab wie mein Be&#x017F;chauen es mir<lb/>
lehrte, bald i&#x017F;ts das Blatt bald die Krone oder Wurzel,<lb/>
bald die Form der Staude die mir irgend ein Räth&#x017F;el<lb/>
lößt oder eine Zauberformel aufgiebt; dem alten Weiß<lb/>
bring ich meine Exemplare, er muß &#x017F;ie mir einlegen<lb/>
und &#x017F;auber ordnen; im Anfang meinte er ich &#x017F;paße<lb/>
als ich ihm meine neue Botanik vortrug, als ich aber<lb/>
ganz ern&#x017F;thaft dabei blieb daß wie andre eine Bota¬<lb/>
nik ge&#x017F;chrieben &#x017F;o könne ich auch eine &#x017F;chreiben, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ah ich ihm heimlich an daß er mir meine Kinderun¬<lb/>
&#x017F;chuld nicht verderben wollt und &#x017F;ich hinein fügte, ich<lb/>
las ihm meine Entdeckungen vor, be&#x017F;onders erfreute<lb/>
ihn die Ge&#x017F;chichte der Kuhblume, die ihren Samen wie<lb/>
eine Sternenkugel ausdehnt und von der ich ihm zu<lb/>
ver&#x017F;tehen gab, daß die Sterne wohl auch mit einer &#x017F;o<lb/>
feinen Röhre auf dem Samen&#x017F;chaft der Gottheit haf¬<lb/>
ten, wenn die ausgeblüht hat und einer zuweilen da¬<lb/>
hin fliegt um in einem neuen Boden zu blühen, und<lb/>
daß alle Himmelskörper reifende Samen &#x017F;ein könnten.<lb/>
&#x2014; Der Weiß &#x017F;agt: tolle Vergleiche, aber &#x017F;ie machen<lb/>
mir Freude und rücken mir die alte Pelzmütze vom<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0165] heißt. — Mein botaniſch Heft hat ſich ſchon vergrö¬ ßert bis zur ſiebzehnten Pflanze, die ich genau beobach¬ tet und ſo bezeichnet hab wie mein Beſchauen es mir lehrte, bald iſts das Blatt bald die Krone oder Wurzel, bald die Form der Staude die mir irgend ein Räthſel lößt oder eine Zauberformel aufgiebt; dem alten Weiß bring ich meine Exemplare, er muß ſie mir einlegen und ſauber ordnen; im Anfang meinte er ich ſpaße als ich ihm meine neue Botanik vortrug, als ich aber ganz ernſthaft dabei blieb daß wie andre eine Bota¬ nik geſchrieben ſo könne ich auch eine ſchreiben, ſo ſah ich ihm heimlich an daß er mir meine Kinderun¬ ſchuld nicht verderben wollt und ſich hinein fügte, ich las ihm meine Entdeckungen vor, beſonders erfreute ihn die Geſchichte der Kuhblume, die ihren Samen wie eine Sternenkugel ausdehnt und von der ich ihm zu verſtehen gab, daß die Sterne wohl auch mit einer ſo feinen Röhre auf dem Samenſchaft der Gottheit haf¬ ten, wenn die ausgeblüht hat und einer zuweilen da¬ hin fliegt um in einem neuen Boden zu blühen, und daß alle Himmelskörper reifende Samen ſein könnten. — Der Weiß ſagt: tolle Vergleiche, aber ſie machen mir Freude und rücken mir die alte Pelzmütze vom

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/165
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/165>, abgerufen am 21.11.2024.