alles ausgeforscht hatte da ging er fort und sperrte mich ein und sagte ich sollt ein Gedicht davon machen grad so wie ichs erzählt habe, und sollt es nur aufschreiben immer in kurzen Sätzen, wenn es sich auch nicht reime, er wolle mich schon reimen lehren, und so ging er hinaus und schloß die Thür ab, und vor der Thür rief er, nicht eher kommst Du heraus bis Du ein Gedicht fertig hast. -- Da stand ich -- ganz widersinnig im Kopf. -- Ans Aufschreiben dacht ich nicht. -- Aber ich dacht an das Versmachen, wie seltsam das ist. -- Wie in dem Ge¬ fühl selbst, ein Schwung ist der durch den Vers gebro¬ chen wird. -- Ja wie der Reim oft gleich einer be¬ schimpfenden Fessel ist für das leise Wehen im Geist. Belehr mich eines Besseren wenn ich irre, aber ist es nicht wahrscheinlich, daß Reim und Versmaas auf den ursprünglichen Gedanken so einwirke daß er ihn verfälscht? -- Überhaupt was seelenberüh¬ rend ist, das ist Musik, das hab ich schon lang in mir erfahren, denn es kann nichts die Sinne rüh¬ ren und durch diese die Seele, als nur Musik; was Dich bewegt giebt Klang, der weckt seine Mittöne, die rühren das Echo doppelt und allseitig, und die ganze Harmonie erwacht, -- und zwischen dieser durch, wan¬ delt der Gedanke und wählt sich seine Melodie, und
alles ausgeforſcht hatte da ging er fort und ſperrte mich ein und ſagte ich ſollt ein Gedicht davon machen grad ſo wie ichs erzählt habe, und ſollt es nur aufſchreiben immer in kurzen Sätzen, wenn es ſich auch nicht reime, er wolle mich ſchon reimen lehren, und ſo ging er hinaus und ſchloß die Thür ab, und vor der Thür rief er, nicht eher kommſt Du heraus bis Du ein Gedicht fertig haſt. — Da ſtand ich — ganz widerſinnig im Kopf. — Ans Aufſchreiben dacht ich nicht. — Aber ich dacht an das Versmachen, wie ſeltſam das iſt. — Wie in dem Ge¬ fühl ſelbſt, ein Schwung iſt der durch den Vers gebro¬ chen wird. — Ja wie der Reim oft gleich einer be¬ ſchimpfenden Feſſel iſt für das leiſe Wehen im Geiſt. Belehr mich eines Beſſeren wenn ich irre, aber iſt es nicht wahrſcheinlich, daß Reim und Versmaas auf den urſprünglichen Gedanken ſo einwirke daß er ihn verfälſcht? — Überhaupt was ſeelenberüh¬ rend iſt, das iſt Muſik, das hab ich ſchon lang in mir erfahren, denn es kann nichts die Sinne rüh¬ ren und durch dieſe die Seele, als nur Muſik; was Dich bewegt giebt Klang, der weckt ſeine Mittöne, die rühren das Echo doppelt und allſeitig, und die ganze Harmonie erwacht, — und zwiſchen dieſer durch, wan¬ delt der Gedanke und wählt ſich ſeine Melodie, und
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alles ausgeforſcht hatte da ging er fort und ſperrte mich
ein und ſagte ich ſollt ein Gedicht davon machen grad ſo
wie ichs erzählt habe, und ſollt es nur aufſchreiben immer
in kurzen Sätzen, wenn es ſich auch nicht reime, er wolle
mich ſchon reimen lehren, und ſo ging er hinaus und
ſchloß die Thür ab, und vor der Thür rief er, nicht eher
kommſt Du heraus bis Du ein Gedicht fertig haſt. —
Da ſtand ich — ganz widerſinnig im Kopf. — Ans
Aufſchreiben dacht ich nicht. — Aber ich dacht an das
Versmachen, wie ſeltſam das iſt. — Wie in dem Ge¬
fühl ſelbſt, ein Schwung iſt der durch den Vers gebro¬
chen wird. — Ja wie der Reim oft gleich einer be¬
ſchimpfenden Feſſel iſt für das leiſe Wehen im Geiſt.
Belehr mich eines Beſſeren wenn ich irre, aber iſt
es nicht wahrſcheinlich, daß Reim und Versmaas
auf den urſprünglichen Gedanken ſo einwirke daß
er ihn verfälſcht? — Überhaupt was ſeelenberüh¬
rend iſt, das iſt Muſik, das hab ich ſchon lang
in mir erfahren, denn es kann nichts die Sinne rüh¬
ren und durch dieſe die Seele, als nur Muſik; was
Dich bewegt giebt Klang, der weckt ſeine Mittöne,
die rühren das Echo doppelt und allſeitig, und die ganze
Harmonie erwacht, — und zwiſchen dieſer durch, wan¬
delt der Gedanke und wählt ſich ſeine Melodie, und
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/19>, abgerufen am 09.11.2024.
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