edler aus als die andern Menschen mit denen man täg¬ lich verkehrt, die man in großen Versammlungen sieht; ich hab im Schauspielhaus mich oft vergeblich nach ei¬ nem erhabnen Gesicht umgesehen. Er setzte sich auch gleich in anständiger Bequemlichkeit an den Tisch den Arm drauf legend, merkte meine Verwundrung über seine Angenehmheit, lächelte mich an und sah aus wie ein Fürst, -- ich fragte: wo sind Sie denn so lang ge¬ wesen? -- Nun! sagte er, was reden Sie doch so fremd, bin ich nicht noch der Alte? -- heiß ich nicht mehr: Lieber Jud? -- ich mußt ihm die Hand reichen, ich sagte, Ja! -- hättest Du nur die ironische Miene gese¬ hen in dem erhabnen Gesicht und das milde herablas¬ sende Lächeln zu mir; -- er sagte: nicht aus jedem Mund gefällt einem das Ihr oder Du mit dem der Jude sich muß anreden lassen, aber Ihrem lasse ichs nicht gern abgewöhnen. -- Dir hätte der Mann so viel Freud gemacht Günderod, er erzählte nur Gewöhn¬ liches aus seinem Leben, von seinen siebzehn Enkeln wie die sich gefreut haben ihn wieder zu sehen; ich frug nach allen, wie alt sie sind, wie sie aussehen; da sind ihm doch die Fünf die Vater und Mutter verloren haben die liebsten, von denen sagte er, "der älteste der gleicht mir, man erkennt ihn schon von weitem für meinen En¬
edler aus als die andern Menſchen mit denen man täg¬ lich verkehrt, die man in großen Verſammlungen ſieht; ich hab im Schauſpielhaus mich oft vergeblich nach ei¬ nem erhabnen Geſicht umgeſehen. Er ſetzte ſich auch gleich in anſtändiger Bequemlichkeit an den Tiſch den Arm drauf legend, merkte meine Verwundrung über ſeine Angenehmheit, lächelte mich an und ſah aus wie ein Fürſt, — ich fragte: wo ſind Sie denn ſo lang ge¬ weſen? — Nun! ſagte er, was reden Sie doch ſo fremd, bin ich nicht noch der Alte? — heiß ich nicht mehr: Lieber Jud? — ich mußt ihm die Hand reichen, ich ſagte, Ja! — hätteſt Du nur die ironiſche Miene geſe¬ hen in dem erhabnen Geſicht und das milde herablaſ¬ ſende Lächeln zu mir; — er ſagte: nicht aus jedem Mund gefällt einem das Ihr oder Du mit dem der Jude ſich muß anreden laſſen, aber Ihrem laſſe ichs nicht gern abgewöhnen. — Dir hätte der Mann ſo viel Freud gemacht Günderod, er erzählte nur Gewöhn¬ liches aus ſeinem Leben, von ſeinen ſiebzehn Enkeln wie die ſich gefreut haben ihn wieder zu ſehen; ich frug nach allen, wie alt ſie ſind, wie ſie ausſehen; da ſind ihm doch die Fünf die Vater und Mutter verloren haben die liebſten, von denen ſagte er, „der älteſte der gleicht mir, man erkennt ihn ſchon von weitem für meinen En¬
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edler aus als die andern Menſchen mit denen man täg¬
lich verkehrt, die man in großen Verſammlungen ſieht;
ich hab im Schauſpielhaus mich oft vergeblich nach ei¬
nem erhabnen Geſicht umgeſehen. Er ſetzte ſich auch
gleich in anſtändiger Bequemlichkeit an den Tiſch den
Arm drauf legend, merkte meine Verwundrung über
ſeine Angenehmheit, lächelte mich an und ſah aus wie
ein Fürſt, — ich fragte: wo ſind Sie denn ſo lang ge¬
weſen? — Nun! ſagte er, was reden Sie doch ſo fremd,
bin ich nicht noch der Alte? — heiß ich nicht mehr:
Lieber Jud? — ich mußt ihm die Hand reichen, ich
ſagte, Ja! — hätteſt Du nur die ironiſche Miene geſe¬
hen in dem erhabnen Geſicht und das milde herablaſ¬
ſende Lächeln zu mir; — er ſagte: nicht aus jedem
Mund gefällt einem das Ihr oder Du mit dem der
Jude ſich muß anreden laſſen, aber Ihrem laſſe ichs
nicht gern abgewöhnen. — Dir hätte der Mann ſo viel
Freud gemacht Günderod, er erzählte nur Gewöhn¬
liches aus ſeinem Leben, von ſeinen ſiebzehn Enkeln wie
die ſich gefreut haben ihn wieder zu ſehen; ich frug nach
allen, wie alt ſie ſind, wie ſie ausſehen; da ſind ihm
doch die Fünf die Vater und Mutter verloren haben
die liebſten, von denen ſagte er, „der älteſte der gleicht
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/222>, abgerufen am 24.11.2024.
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