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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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wie von einer freudigen Botschaft belebt. -- Und oft
wenn ich die reifen Kornähren so vom Wind durch¬
stürmt und geknickt sah, mußt ich in tiefen Gedanken
stehen, mich besinnen, wie ich soll einen Boten schicken
der sich den Winden ins Mittel lege. So wollen wir
auch meinen jetzigen Aberglauben auf diese Rechnung
schreiben. -- Es wird vergehen und wird wieder ruhig
werden.

Am Sonntag hat der Bang hier gepredigt, ich ver¬
sprach ihm zuzuhören wenn er wollt von den Juden
predigen, wie die Christen ihr unchristlich Herz ge¬
gen die verschließen, daß die Juden gar nicht das
Christenthum empfinden können. Der Bang pre¬
digte, wie Christus seine Jünger aufforderte dem Volk
das wenige was sie an Nahrungsmitteln bei sich hatten
hinzugeben, ohne sich selbst zu bedenken. "Siehe! da war
plötzlich Überfluß für Alle! Und wenn es ein Wunder
ist, daß der Überfluß in den Körben gesammelt ward,
über das Ihr staunt und Gott anbetet, so wollet doch
auch als göttliches Wunder achten, daß die Liebe aus
dem Herzen aller strömte, wie durch elektrische Berührung
der Liebe des Sohns Gottes zu Allen, so daß von Nach¬
bar zu Nachbar sie einander mittheilten, und wollten lie¬
ber darben als darben lassen. Und so waltete der Segen

wie von einer freudigen Botſchaft belebt. — Und oft
wenn ich die reifen Kornähren ſo vom Wind durch¬
ſtürmt und geknickt ſah, mußt ich in tiefen Gedanken
ſtehen, mich beſinnen, wie ich ſoll einen Boten ſchicken
der ſich den Winden ins Mittel lege. So wollen wir
auch meinen jetzigen Aberglauben auf dieſe Rechnung
ſchreiben. — Es wird vergehen und wird wieder ruhig
werden.

Am Sonntag hat der Bang hier gepredigt, ich ver¬
ſprach ihm zuzuhören wenn er wollt von den Juden
predigen, wie die Chriſten ihr unchriſtlich Herz ge¬
gen die verſchließen, daß die Juden gar nicht das
Chriſtenthum empfinden können. Der Bang pre¬
digte, wie Chriſtus ſeine Jünger aufforderte dem Volk
das wenige was ſie an Nahrungsmitteln bei ſich hatten
hinzugeben, ohne ſich ſelbſt zu bedenken. „Siehe! da war
plötzlich Überfluß für Alle! Und wenn es ein Wunder
iſt, daß der Überfluß in den Körben geſammelt ward,
über das Ihr ſtaunt und Gott anbetet, ſo wollet doch
auch als göttliches Wunder achten, daß die Liebe aus
dem Herzen aller ſtrömte, wie durch elektriſche Berührung
der Liebe des Sohns Gottes zu Allen, ſo daß von Nach¬
bar zu Nachbar ſie einander mittheilten, und wollten lie¬
ber darben als darben laſſen. Und ſo waltete der Segen

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[236/0250] wie von einer freudigen Botſchaft belebt. — Und oft wenn ich die reifen Kornähren ſo vom Wind durch¬ ſtürmt und geknickt ſah, mußt ich in tiefen Gedanken ſtehen, mich beſinnen, wie ich ſoll einen Boten ſchicken der ſich den Winden ins Mittel lege. So wollen wir auch meinen jetzigen Aberglauben auf dieſe Rechnung ſchreiben. — Es wird vergehen und wird wieder ruhig werden. Am Sonntag hat der Bang hier gepredigt, ich ver¬ ſprach ihm zuzuhören wenn er wollt von den Juden predigen, wie die Chriſten ihr unchriſtlich Herz ge¬ gen die verſchließen, daß die Juden gar nicht das Chriſtenthum empfinden können. Der Bang pre¬ digte, wie Chriſtus ſeine Jünger aufforderte dem Volk das wenige was ſie an Nahrungsmitteln bei ſich hatten hinzugeben, ohne ſich ſelbſt zu bedenken. „Siehe! da war plötzlich Überfluß für Alle! Und wenn es ein Wunder iſt, daß der Überfluß in den Körben geſammelt ward, über das Ihr ſtaunt und Gott anbetet, ſo wollet doch auch als göttliches Wunder achten, daß die Liebe aus dem Herzen aller ſtrömte, wie durch elektriſche Berührung der Liebe des Sohns Gottes zu Allen, ſo daß von Nach¬ bar zu Nachbar ſie einander mittheilten, und wollten lie¬ ber darben als darben laſſen. Und ſo waltete der Segen

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/250>, abgerufen am 21.11.2024.