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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XXXVII. Apologia David Joris wider Emmium, &c.
[Spaltenumbruch] und sie der welt auffzudringen/ und weiß zu ma-
chen sich unternommen habe. Selbige puncte
aber hierzu von dir erzehlet p. 136. 137. beste-
hen hierinn: Daß der Glaube nicht auff gewis-
sen artickeln stehe/ oder im geschriebenen worte:
Daß der beweißthum in glaubens-sachen aus
der H. Schrifft nicht nöthig/ auch nicht möge
darauff gedrungen werden; Ja/ daß man die
sprüche der H. Schrifft/ oder des gesprochenen
und geschriebenen wortes müsse aus den augen
setzen/ wolte man zum rechten verstand und
glauben kommen/ denn das geschriebene wort
sey nur buchstäblich; Darauß (sagstu) folge
denn: Daß das lesen und betrachten der Heil.
Schrifft gantz unnütze und unnöthig sey/ ja wol
zuweilen schädlich/ und fügest noch dabey/ daß
es seine beste discipel grob gnug gesponnen hät-
ten/ welche wol öffentlich hätten sagen dürffen:
Sie wolten/ daß alle Bibeln auff erden ver-
brannt oder sonst nur weg wären/ und derglei-
chen/ und führest zu solchem beweiß (von den
Discipeln) an das geschwätz des Nic. Bles-
dicks/ dessen sagen oder schreiben eben so lügen-
hafft ist als das deine. Diß dein vorbeschriebe-
nes sagen aber bestehet kürtzlich in 2. puncten/
nemlich: Daß der Glaube nicht in gewissen ar-
tickeln/ oder gesprochenen und geschriebenen
worten bestehe/ und: Daß die Heil. Schrifft
gantz unnütze und unnöthig sey/ und nichts
gelte in glaubens-sachen.

So viel das erste anlanget/ kan man hier
nachschlagen das von dir angewiesene büch-
lein/ welches titel ein wenig anders ist/ als du
ihn setzest/ doch aber dasselbe/ das du meynest/
"der titel heist also: Eine säuberliche Beweiß-
"Rede/ wobey man mercken/ wissen/ kennen
"und sehen kan/ wo oder bey wem der rechte
"Glaube ist/ oder der sich deß rühmet/ darunter
"zustehen bedencken mag. Der Leser wolle es
von anfange lesen/ den sinn desto besser zu ver-
stehen/ und allda wird er auch diese worte Da-
vids also stehende finden: Der Glaube JEsu
"CHristi/ daß ihrs verstehet/ ist kein gespro-
"chen/ zünglich wort/ sondern eine ewige wahre
"krafft/ ein göttlich werck und geistliche art der
"natur Gottes wider alles fleisch/ niemanden
"kenntlich/ denn der ihn empfähet/ bestehet
"auch nicht (merckt hierauff) in einigen sonder-
"lichen artickeln oder gesprochenen worten/
"sondern allein in dem wahren/ gerechten/ ewi-
"gen/ lebendigen GOtt/ und seinem CHristo.
"Sehet/ den zu erkennen ist eine vollkommene
"gerechtigkeit/ ja das ewige leben. Wer also
"den allerheiligsten glauben empfänget/ der em-
"pfähet GOttes art/ Geist und wesen/ und sei-
"nes CHristi wahre gerechte erkäntniß/ die
"wurtzel der unsterbligkeit/ ja zugleich mit in
"sich das ewige leben/ wird ihn auch wahrhaff-
"tig von seinem leibe nicht nach dem maaß/ son-
"dern überflüßig zur lebendigmachung fort-
"führen. Der mund des HERRN hats ge-
"sagt/ u.s.w. Leset weiter fort noch 1. oder 2.
blätgen zu desto besserm verstand. Sihe/ Leser/
ist das nun |so schlimm geredet? Hat ers hiemit
verschuldet/ so verachtet/ gelästert und geschol-
ten zu werden. Aber dich nur zu betriegen/ bringt
Ubbo Davids schrifften/ halbirt und bey den
haaren herzugezogen/ vor. Wenn man sie
aber setzet/ wie sie stehen/ und du hier hörest/
so wolte ich wol gerne hören/ was er hierauff
[Spaltenumbruch] solte zu sagen haben. O Ubbo/ Ubbo/ wie
kanst du dich entschuldigen/ weil du Davids
wolgeredte worte also zum ärgsten und gott-
losesten außlegest. Warum setzest du sie nicht/
wie sie stehen/ oder lässest das vornehmste draus
weg. Der Leser suche die andern angezeigten
stellen auch nach/ und lese/ was vor und nach
stehet/ so wird er bald sehen/ wie verkehrt du Da-
vids meynung außlegest/ und zum ärgsten ver-
drehest.

Betreffend den 2ten punct/ wie nemlich Da-
vids lehre sich solle darauff stützen: Daß die
Heil. Schrifft gantz unnütze und unnöthig sey/
und in glaubens-sachen nichts gelte; Diß dein
geschwätze ist gantz falsch und lauter unwarheit/
und wird aus keiner deiner angeführten stellen
können bewiesen werden. Solte er die Schrifft
haben verachtet und verworffen/ wie du sagest/
wozu solte er denn selbige in allen seinen büchern
erzehlen/ seine reden drauff gründen/ und darzu
anweisen/ und zu jedwedem sagen: Leset/ leset/
leset? Mich däucht/ du must recht blind gewest
seyn/ indem du es nicht hast sehen können/ und
dennoch sagest/ das Wunder-Buch (benebenst
andern Schrifften) selbst gelesen zu haben/ dar-
inn diß überflüßig und in vielen stellen erzehlet
stehet. Doch bekenn ich gern seiner meynung
zu seyn/ und halte es auch vor warheit/ daß die
geschriebene schrifft/ so sie in allen nur nach dem
buchstaben verstanden wird/ ohne den wahren
geist und sinn CHristi/ krafftloß sey; Aber da-
mit wird die H. Schrifft (die er mit einer feinen/
reinen magd/ oder viel tugendsamen/ erbahren
frauen vergleichet) nicht verachtet/ wie du un-
verschämt sagest; sondern seine meynung ist/
daß man mehr auff den sinn und geist der war-
heit/ so uns die schrifft offenbahret und anweist/
sehen solle/ denn auff den blossen buchstab/ wel-
cher ohne den wahren Geist todt ist/ wie ge-
schrieben stehet: Der buchstabe schlägt todt/
aber der Geist machetlebendig. Hievon handelt
er weitläufftig gnug mit dem Herrn a Lasco:
Aber (sagt er fol. 24. d.) hierum wollen wir"
auch keinen streit/ scheelsucht oder uneinigkeit"
machen/ stehet ihr mir nur allzeit den sinn des"
Geistes in der warheit/ und ich euch die buch-"
stäbliche schrifft zu/ allein daß wir den alten"
menschen nur suchen zu tödten/ den teuffel mit"
unserm Gott unter die füsse zu kriegen/ die welt"
mit unserm Glauben zu überwinden/ den tod"
in den sieg durch das leben zu verschlingen/ von"
hertzen wiedrig/ böse oder feinde zu werden wi-"
der die boßheit und ungerechtigkeit/ besonders"
der inwendigen/ nemlich der geistlichen boß-"
heit/ welche der gerechtigkeit Christi in dem"
geist (die durch den heil. Glauben komt) am"
meisten zuwieder ist/ weil sie mit dem sinn des"
hertzens und verstandes auffs hoffärtigste ge-"
schicht/ und (der mensch) nicht so viel reue und"
schuld davon machet/ als wenn er neid/ geitz/"
unkeuschheit/ dieberey/ todschlag und andere"
boßheiten im hertzen träget. So lange er"
keine offenbahre böse stücke treibet/ die wider"
den äusserlichen menschen auffs genauste ge-"
schehen/ so düncket er sich nicht so heßlich"
und verwerfflich zu seyn/ u. s. w. Leset wei-"
ter.

Hier siehest und hörest du gleichwol/ daß
er die buchstäbliche schrifft nicht verachtet/
sondern zustehet/ so fern man ihn auch den

sinn
A. K. H. Vierter Theil. P p

Th. IV. Sect. II. Num. XXXVII. Apologia David Joris wider Emmium, &c.
[Spaltenumbruch] und ſie der welt auffzudringen/ und weiß zu ma-
chen ſich unternommen habe. Selbige puncte
aber hierzu von dir erzehlet p. 136. 137. beſte-
hen hierinn: Daß der Glaube nicht auff gewiſ-
ſen artickeln ſtehe/ oder im geſchriebenen worte:
Daß der beweißthum in glaubens-ſachen aus
der H. Schrifft nicht noͤthig/ auch nicht moͤge
darauff gedrungen werden; Ja/ daß man die
ſpruͤche der H. Schrifft/ oder des geſprochenen
und geſchriebenen wortes muͤſſe aus den augen
ſetzen/ wolte man zum rechten verſtand und
glauben kommen/ denn das geſchriebene wort
ſey nur buchſtaͤblich; Darauß (ſagſtu) folge
denn: Daß das leſen und betrachten der Heil.
Schrifft gantz unnuͤtze und unnoͤthig ſey/ ja wol
zuweilen ſchaͤdlich/ und fuͤgeſt noch dabey/ daß
es ſeine beſte diſcipel grob gnug geſponnen haͤt-
ten/ welche wol oͤffentlich haͤtten ſagen duͤrffen:
Sie wolten/ daß alle Bibeln auff erden ver-
brannt oder ſonſt nur weg waͤren/ und derglei-
chen/ und fuͤhreſt zu ſolchem beweiß (von den
Diſcipeln) an das geſchwaͤtz des Nic. Bles-
dicks/ deſſen ſagen oder ſchreiben eben ſo luͤgen-
hafft iſt als das deine. Diß dein vorbeſchriebe-
nes ſagen aber beſtehet kuͤrtzlich in 2. puncten/
nemlich: Daß der Glaube nicht in gewiſſen ar-
tickeln/ oder geſprochenen und geſchriebenen
worten beſtehe/ und: Daß die Heil. Schrifft
gantz unnuͤtze und unnoͤthig ſey/ und nichts
gelte in glaubens-ſachen.

So viel das erſte anlanget/ kan man hier
nachſchlagen das von dir angewieſene buͤch-
lein/ welches titel ein wenig anders iſt/ als du
ihn ſetzeſt/ doch aber daſſelbe/ das du meyneſt/
„der titel heiſt alſo: Eine ſaͤuberliche Beweiß-
„Rede/ wobey man mercken/ wiſſen/ kennen
„und ſehen kan/ wo oder bey wem der rechte
„Glaube iſt/ oder der ſich deß ruͤhmet/ darunter
„zuſtehen bedencken mag. Der Leſer wolle es
von anfange leſen/ den ſinn deſto beſſer zu ver-
ſtehen/ und allda wird er auch dieſe worte Da-
vids alſo ſtehende finden: Der Glaube JEſu
„CHriſti/ daß ihrs verſtehet/ iſt kein geſpro-
„chen/ zuͤnglich wort/ ſondern eine ewige wahre
„krafft/ ein goͤttlich werck und geiſtliche art der
„natur Gottes wider alles fleiſch/ niemanden
„kenntlich/ denn der ihn empfaͤhet/ beſtehet
„auch nicht (merckt hierauff) in einigen ſonder-
„lichen artickeln oder geſprochenen worten/
„ſondern allein in dem wahren/ gerechten/ ewi-
„gen/ lebendigen GOtt/ und ſeinem CHriſto.
„Sehet/ den zu erkennen iſt eine vollkommene
„gerechtigkeit/ ja das ewige leben. Wer alſo
„den allerheiligſten glauben empfaͤnget/ der em-
„pfaͤhet GOttes art/ Geiſt und weſen/ und ſei-
„nes CHriſti wahre gerechte erkaͤntniß/ die
„wurtzel der unſterbligkeit/ ja zugleich mit in
„ſich das ewige leben/ wird ihn auch wahrhaff-
„tig von ſeinem leibe nicht nach dem maaß/ ſon-
„dern uͤberfluͤßig zur lebendigmachung fort-
„fuͤhren. Der mund des HERRN hats ge-
„ſagt/ u.ſ.w. Leſet weiter fort noch 1. oder 2.
blaͤtgen zu deſto beſſerm verſtand. Sihe/ Leſer/
iſt das nun |ſo ſchlim̃ geredet? Hat ers hiemit
verſchuldet/ ſo verachtet/ gelaͤſtert und geſchol-
ten zu werden. Aber dich nur zu betriegen/ bringt
Ubbo Davids ſchrifften/ halbirt und bey den
haaren herzugezogen/ vor. Wenn man ſie
aber ſetzet/ wie ſie ſtehen/ und du hier hoͤreſt/
ſo wolte ich wol gerne hoͤren/ was er hierauff
[Spaltenumbruch] ſolte zu ſagen haben. O Ubbo/ Ubbo/ wie
kanſt du dich entſchuldigen/ weil du Davids
wolgeredte worte alſo zum aͤrgſten und gott-
loſeſten außlegeſt. Warum ſetzeſt du ſie nicht/
wie ſie ſtehen/ oder laͤſſeſt das vornehmſte draus
weg. Der Leſer ſuche die andern angezeigten
ſtellen auch nach/ und leſe/ was vor und nach
ſtehet/ ſo wird er bald ſehen/ wie verkehrt du Da-
vids meynung außlegeſt/ und zum aͤrgſten ver-
dreheſt.

Betreffend den 2ten punct/ wie nemlich Da-
vids lehre ſich ſolle darauff ſtuͤtzen: Daß die
Heil. Schrifft gantz unnuͤtze und unnoͤthig ſey/
und in glaubens-ſachen nichts gelte; Diß dein
geſchwaͤtze iſt gantz falſch uñ lauter unwarheit/
und wird aus keiner deiner angefuͤhrten ſtellen
koͤnnen bewieſen werden. Solte er die Schrifft
haben verachtet und verworffen/ wie du ſageſt/
wozu ſolte er denn ſelbige in allen ſeinen buͤchern
erzehlen/ ſeine reden drauff gruͤnden/ und darzu
anweiſen/ und zu jedwedem ſagen: Leſet/ leſet/
leſet? Mich daͤucht/ du muſt recht blind geweſt
ſeyn/ indem du es nicht haſt ſehen koͤnnen/ und
dennoch ſageſt/ das Wunder-Buch (benebenſt
andern Schrifften) ſelbſt geleſen zu haben/ dar-
inn diß uͤberfluͤßig und in vielen ſtellen erzehlet
ſtehet. Doch bekenn ich gern ſeiner meynung
zu ſeyn/ und halte es auch vor warheit/ daß die
geſchriebene ſchrifft/ ſo ſie in allen nur nach dem
buchſtaben verſtanden wird/ ohne den wahren
geiſt und ſinn CHriſti/ krafftloß ſey; Aber da-
mit wird die H. Schrifft (die er mit einer feinen/
reinen magd/ oder viel tugendſamen/ erbahren
frauen vergleichet) nicht verachtet/ wie du un-
verſchaͤmt ſageſt; ſondern ſeine meynung iſt/
daß man mehr auff den ſinn und geiſt der war-
heit/ ſo uns die ſchrifft offenbahret und anweiſt/
ſehen ſolle/ denn auff den bloſſen buchſtab/ wel-
cher ohne den wahren Geiſt todt iſt/ wie ge-
ſchrieben ſtehet: Der buchſtabe ſchlaͤgt todt/
aber der Geiſt machetlebendig. Hievon handelt
er weitlaͤufftig gnug mit dem Herrn à Laſco:
Aber (ſagt er fol. 24. d.) hierum wollen wir“
auch keinen ſtreit/ ſcheelſucht oder uneinigkeit“
machen/ ſtehet ihr mir nur allzeit den ſinn des“
Geiſtes in der warheit/ und ich euch die buch-“
ſtaͤbliche ſchrifft zu/ allein daß wir den alten“
menſchen nur ſuchen zu toͤdten/ den teuffel mit“
unſerm Gott unter die fuͤſſe zu kriegen/ die welt“
mit unſerm Glauben zu uͤberwinden/ den tod“
in den ſieg durch das leben zu verſchlingen/ von“
hertzen wiedrig/ boͤſe oder feinde zu werden wi-“
der die boßheit und ungerechtigkeit/ beſonders“
der inwendigen/ nemlich der geiſtlichen boß-“
heit/ welche der gerechtigkeit Chriſti in dem“
geiſt (die durch den heil. Glauben komt) am“
meiſten zuwieder iſt/ weil ſie mit dem ſinn des“
hertzens und verſtandes auffs hoffaͤrtigſte ge-“
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ſchuld davon machet/ als wenn er neid/ geitz/“
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boßheiten im hertzen traͤget. So lange er“
keine offenbahre boͤſe ſtuͤcke treibet/ die wider“
den aͤuſſerlichen menſchen auffs genauſte ge-“
ſchehen/ ſo duͤncket er ſich nicht ſo heßlich“
und verwerfflich zu ſeyn/ u. ſ. w. Leſet wei-“
ter.

Hier ſieheſt und hoͤreſt du gleichwol/ daß
er die buchſtaͤbliche ſchrifft nicht verachtet/
ſondern zuſtehet/ ſo fern man ihn auch den

ſinn
A. K. H. Vierter Theil. P p
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[297/0593] Th. IV. Sect. II. Num. XXXVII. Apologia David Joris wider Emmium, &c. und ſie der welt auffzudringen/ und weiß zu ma- chen ſich unternommen habe. Selbige puncte aber hierzu von dir erzehlet p. 136. 137. beſte- hen hierinn: Daß der Glaube nicht auff gewiſ- ſen artickeln ſtehe/ oder im geſchriebenen worte: Daß der beweißthum in glaubens-ſachen aus der H. Schrifft nicht noͤthig/ auch nicht moͤge darauff gedrungen werden; Ja/ daß man die ſpruͤche der H. Schrifft/ oder des geſprochenen und geſchriebenen wortes muͤſſe aus den augen ſetzen/ wolte man zum rechten verſtand und glauben kommen/ denn das geſchriebene wort ſey nur buchſtaͤblich; Darauß (ſagſtu) folge denn: Daß das leſen und betrachten der Heil. Schrifft gantz unnuͤtze und unnoͤthig ſey/ ja wol zuweilen ſchaͤdlich/ und fuͤgeſt noch dabey/ daß es ſeine beſte diſcipel grob gnug geſponnen haͤt- ten/ welche wol oͤffentlich haͤtten ſagen duͤrffen: Sie wolten/ daß alle Bibeln auff erden ver- brannt oder ſonſt nur weg waͤren/ und derglei- chen/ und fuͤhreſt zu ſolchem beweiß (von den Diſcipeln) an das geſchwaͤtz des Nic. Bles- dicks/ deſſen ſagen oder ſchreiben eben ſo luͤgen- hafft iſt als das deine. Diß dein vorbeſchriebe- nes ſagen aber beſtehet kuͤrtzlich in 2. puncten/ nemlich: Daß der Glaube nicht in gewiſſen ar- tickeln/ oder geſprochenen und geſchriebenen worten beſtehe/ und: Daß die Heil. Schrifft gantz unnuͤtze und unnoͤthig ſey/ und nichts gelte in glaubens-ſachen. So viel das erſte anlanget/ kan man hier nachſchlagen das von dir angewieſene buͤch- lein/ welches titel ein wenig anders iſt/ als du ihn ſetzeſt/ doch aber daſſelbe/ das du meyneſt/ „der titel heiſt alſo: Eine ſaͤuberliche Beweiß- „Rede/ wobey man mercken/ wiſſen/ kennen „und ſehen kan/ wo oder bey wem der rechte „Glaube iſt/ oder der ſich deß ruͤhmet/ darunter „zuſtehen bedencken mag. Der Leſer wolle es von anfange leſen/ den ſinn deſto beſſer zu ver- ſtehen/ und allda wird er auch dieſe worte Da- vids alſo ſtehende finden: Der Glaube JEſu „CHriſti/ daß ihrs verſtehet/ iſt kein geſpro- „chen/ zuͤnglich wort/ ſondern eine ewige wahre „krafft/ ein goͤttlich werck und geiſtliche art der „natur Gottes wider alles fleiſch/ niemanden „kenntlich/ denn der ihn empfaͤhet/ beſtehet „auch nicht (merckt hierauff) in einigen ſonder- „lichen artickeln oder geſprochenen worten/ „ſondern allein in dem wahren/ gerechten/ ewi- „gen/ lebendigen GOtt/ und ſeinem CHriſto. „Sehet/ den zu erkennen iſt eine vollkommene „gerechtigkeit/ ja das ewige leben. Wer alſo „den allerheiligſten glauben empfaͤnget/ der em- „pfaͤhet GOttes art/ Geiſt und weſen/ und ſei- „nes CHriſti wahre gerechte erkaͤntniß/ die „wurtzel der unſterbligkeit/ ja zugleich mit in „ſich das ewige leben/ wird ihn auch wahrhaff- „tig von ſeinem leibe nicht nach dem maaß/ ſon- „dern uͤberfluͤßig zur lebendigmachung fort- „fuͤhren. Der mund des HERRN hats ge- „ſagt/ u.ſ.w. Leſet weiter fort noch 1. oder 2. blaͤtgen zu deſto beſſerm verſtand. Sihe/ Leſer/ iſt das nun |ſo ſchlim̃ geredet? Hat ers hiemit verſchuldet/ ſo verachtet/ gelaͤſtert und geſchol- ten zu werden. Aber dich nur zu betriegen/ bringt Ubbo Davids ſchrifften/ halbirt und bey den haaren herzugezogen/ vor. Wenn man ſie aber ſetzet/ wie ſie ſtehen/ und du hier hoͤreſt/ ſo wolte ich wol gerne hoͤren/ was er hierauff ſolte zu ſagen haben. O Ubbo/ Ubbo/ wie kanſt du dich entſchuldigen/ weil du Davids wolgeredte worte alſo zum aͤrgſten und gott- loſeſten außlegeſt. Warum ſetzeſt du ſie nicht/ wie ſie ſtehen/ oder laͤſſeſt das vornehmſte draus weg. Der Leſer ſuche die andern angezeigten ſtellen auch nach/ und leſe/ was vor und nach ſtehet/ ſo wird er bald ſehen/ wie verkehrt du Da- vids meynung außlegeſt/ und zum aͤrgſten ver- dreheſt. Betreffend den 2ten punct/ wie nemlich Da- vids lehre ſich ſolle darauff ſtuͤtzen: Daß die Heil. Schrifft gantz unnuͤtze und unnoͤthig ſey/ und in glaubens-ſachen nichts gelte; Diß dein geſchwaͤtze iſt gantz falſch uñ lauter unwarheit/ und wird aus keiner deiner angefuͤhrten ſtellen koͤnnen bewieſen werden. Solte er die Schrifft haben verachtet und verworffen/ wie du ſageſt/ wozu ſolte er denn ſelbige in allen ſeinen buͤchern erzehlen/ ſeine reden drauff gruͤnden/ und darzu anweiſen/ und zu jedwedem ſagen: Leſet/ leſet/ leſet? Mich daͤucht/ du muſt recht blind geweſt ſeyn/ indem du es nicht haſt ſehen koͤnnen/ und dennoch ſageſt/ das Wunder-Buch (benebenſt andern Schrifften) ſelbſt geleſen zu haben/ dar- inn diß uͤberfluͤßig und in vielen ſtellen erzehlet ſtehet. Doch bekenn ich gern ſeiner meynung zu ſeyn/ und halte es auch vor warheit/ daß die geſchriebene ſchrifft/ ſo ſie in allen nur nach dem buchſtaben verſtanden wird/ ohne den wahren geiſt und ſinn CHriſti/ krafftloß ſey; Aber da- mit wird die H. Schrifft (die er mit einer feinen/ reinen magd/ oder viel tugendſamen/ erbahren frauen vergleichet) nicht verachtet/ wie du un- verſchaͤmt ſageſt; ſondern ſeine meynung iſt/ daß man mehr auff den ſinn und geiſt der war- heit/ ſo uns die ſchrifft offenbahret und anweiſt/ ſehen ſolle/ denn auff den bloſſen buchſtab/ wel- cher ohne den wahren Geiſt todt iſt/ wie ge- ſchrieben ſtehet: Der buchſtabe ſchlaͤgt todt/ aber der Geiſt machetlebendig. Hievon handelt er weitlaͤufftig gnug mit dem Herrn à Laſco: Aber (ſagt er fol. 24. d.) hierum wollen wir“ auch keinen ſtreit/ ſcheelſucht oder uneinigkeit“ machen/ ſtehet ihr mir nur allzeit den ſinn des“ Geiſtes in der warheit/ und ich euch die buch-“ ſtaͤbliche ſchrifft zu/ allein daß wir den alten“ menſchen nur ſuchen zu toͤdten/ den teuffel mit“ unſerm Gott unter die fuͤſſe zu kriegen/ die welt“ mit unſerm Glauben zu uͤberwinden/ den tod“ in den ſieg durch das leben zu verſchlingen/ von“ hertzen wiedrig/ boͤſe oder feinde zu werden wi-“ der die boßheit und ungerechtigkeit/ beſonders“ der inwendigen/ nemlich der geiſtlichen boß-“ heit/ welche der gerechtigkeit Chriſti in dem“ geiſt (die durch den heil. Glauben komt) am“ meiſten zuwieder iſt/ weil ſie mit dem ſinn des“ hertzens und verſtandes auffs hoffaͤrtigſte ge-“ ſchicht/ und (der menſch) nicht ſo viel reue und“ ſchuld davon machet/ als wenn er neid/ geitz/“ unkeuſchheit/ dieberey/ todſchlag und andere“ boßheiten im hertzen traͤget. So lange er“ keine offenbahre boͤſe ſtuͤcke treibet/ die wider“ den aͤuſſerlichen menſchen auffs genauſte ge-“ ſchehen/ ſo duͤncket er ſich nicht ſo heßlich“ und verwerfflich zu ſeyn/ u. ſ. w. Leſet wei-“ ter. Hier ſieheſt und hoͤreſt du gleichwol/ daß er die buchſtaͤbliche ſchrifft nicht verachtet/ ſondern zuſtehet/ ſo fern man ihn auch den ſinn A. K. H. Vierter Theil. P p

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/593>, abgerufen am 22.12.2024.