Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens-Beschreibung.
[Spaltenumbruch] der des lichts/ des Geistes und der
warheit/ komm nun hervor du reich
Gottes mit krafft; Hierinn muß die
welt untergehen und ihre herrlichkeit
wird ausgelöschet/ das ist gewiß und es
sol also geschehen/ sonst hätte mein mund
gelogen und nicht durch den HErrn
gesprochen/ wenn es nicht also geschehe.
Habt acht drauff. Wenn es also stehet
mit den kindern Gottes/ die ihre glori-
öse herrliche freyheit werden einnehmen
oder empfangen müssen zu ihrer zeit/
wenn sie alle bequäm und die liebste
außerlesene blume Jacobs sind. Merckt
wol drauff. Hier mag
Cantica Cantico-
rum,
oder das hohe lied Salomonis mit
sothanigen Geist erst recht gesungen
und aus gesprochen werden. Habt acht
drauff.

Hierinn wird allen völckern die hülle
oder das kleid (damit ihre augen bede-
cket sind) abgenommen werden und der
tod wird damit auffgehaben seyn Hier-
inn ist die reinigung/ in welcher/ verste-
het/ alle dinge rein/ frey/ heilig und gut
sind. Nehmt es zu hertzen/ und wartet
darauff/ ob nicht hier das ewige licht/
das ewige leben/ die ewige ruhe/
die ewige freude und frölichkeit oh-
ne verletzung/ ohne schmertzen/ ohne
leyd und ohne geschrey ist/ denn der tod
wird hiea vollkommentlich verschlun-
gen werden. Verstehet/ ja habt wol
acht drauff. Brennet nun/ ja flammet
und flackert in die höhe/ ihr feurige kin-
der/ in lauteer liebe/ und krieget hirsch-
füsse/ ja seyd und thut nichts anders.
Habt acht drauff/ und nehmt das was
euch gesagt ist/ gantz wol in acht/ denn
diß ist ein schnell lauffender geschwin-
der freudiger bote/ empfanget ihn in
dem namen des jenigen/ der ihn sendet
und dancket dem Herrn durch ihm oder
in ihm/ thut also/ denn er kommt euch
zu warnen vor dem feuer der versuchung/
das über die gantze welt kommen
wird. Merckt wol auff. Ach daß
ich nun wircken muß/ das fällt mir
verdrießlich/ HErr wie lange/ wie lan-
ge HErr sol es währen? Nur hoffe/
nicht lange. HErr HErr/ laß mich/ laß
mich/ laß mich meine lust/ meine lust se-
hen/ sehen/ sehen an deinem heiligen und
an meinen hause.
Sehet/ dis alles schrieb
der mann/ und wol 3. 4. oder 5 mal sprach er
als gejagt manch wort/ ehe ers mit der feder
verfassen konte.

Als dis geschrieben war/ kam ihm ein gesicht
lieds-weise vor/ welches er mit geschwinder
hand schnell hintereinander schrieb/ auff die me-
lodie: Eine feste burg ist unser Gott/ also lau-
tende: Mein ohren haben von oben ge-
hört: Mein augen haben von fern ge-
sehen. Die unschuld verstehet das wort:
Jn den Schaafen Christi schnelle be-
schaut/ die als hüpffende kommen schlecht/
alle auffrichtig: Ohne schalckheit sie
simpel seyn/ als täublein ohne mackel
fein: Ohne schaam oder einig verstell-
[Spaltenumbruch] ten geist/ eben als Adam und Eva erst
waren. Lest.
Hierdurch bekam er einen ein-
fältigen ruhigen geist/ daß er dachte/ er wäre
von aller phantasie oder bekümmerniß loß we-
gen seiner frauen/ daß sie nach seinen tode kei-
nen andern mann nehmen könte und dauchte
ihm/ als sehe ers immer unveränderlich mit au-
gen/ und was er da bekommen/ dauchte ihm
ein weit grössere gabe zu seyn als 100. tausend
gülden; Empfieng darneben auch einen frey-
müthigen getrosten geist/ als wäre er damit al-
ler mühe/ angst/ sorge uud ansehen der welt
loß/ ledig und frey worden/ und derselbe glantz
blieb in einen neuem frölichen schein stets bey
ihm.

Mit diesem geist ist er zu einen bruder gegan-
gen/ der sich seiner verwunderte und dachte/
was ihm möchte begegnet seyn/ daß er so freu-
dig und fröliches geistes/ hertzens/ sinnes und
gemüthes in so trauriger zeit war/ denn er war
sonst ein sehr schamhaffter mann und vorhin
nicht stoltz gewest/ damals aber so freymüthig.
Dieser bruder nöthigte den D. J. zu essen/ als
sie eben zu tische sassen und sprach: Jß doch
und scheue dich nicht/ denn er meynete/ er thät
es seiner frauen halben/ der er sonst unbekannt
war. Aber D. J. antwortete ihm und sagte:
Mein bruder/ ich habe mich nun so lan-
ge zeit vor jederman gescheuet/ aber nun
scheue ich mich nicht/ wenns schon Käy-
ser und Könige wären/ lasset sie sich vor
mir schämen/ ich habs ihrenthalben
nicht nöthig; Und führte dabey solche
reden/
wie daß ihnen kein ding frey wäre vor
Gott/ biß sie einigkeit/ freundschafft und friede
mit ihm gemacht hätten/ davon er eine gewisse
versicherung in seinen gemüth oder gewissen em-
pfangen hätte. Als er von dannen gieng/ ward
er auff den söller zu schlaffen gebracht/ unter ein
schlecht gedeckt dach/ und in ein ungewärmtes
und nach seiner nothdurfft gar leichtes bereite-
tes bette gelegt/ also daß/ wenn GOtt ihn des
nachts nicht mit einer andern wärme von in-
nen versehen hätte/ so hätte er wegen der gros-
sen kälte die pein im leibe nicht ausstehen kön-
nen. Aber er war gantz zu frieden und unbe-
kümmert der unglaublichen begebenheiten hal-
ben/ daß man sich auch der seeligkeit seines
geistes und unargen gedancken verwundern
muß.

Es daurte ungefähr 3. monate/ daß der
glantz immer im angefichte vor augen blieb und
sein gemüth war gleich einem kindlein/ das
nichts arges oder schalckhafftes dencket/ und ob
er schon auswendig noch so viel schalckhaffte
und fleischliche dinge gesehen hatte/ so beküm-
mert oder erweckte es ihm doch nicht zur wol-
lust. Jedennoch gewann er in demselben geist
und wesen einen sohn/ genannt Gideon-
Von welchen er über ein jahr oder andert hal-
ben das kind in einem gesichte kriegte/ und ließ
sich sehen in einem langen seidenen rock/ als
wenns groß vor dem HErren und sonderlich
nach der weise Samuels solte erzogen werden.
Aber er ließ es mit andern dingen so/ wiewol es
ihm der verwunderung halben in dem sinne
blieb. Jn und mit diesem neuen geist schrieb er
einen schrifftlichen entwurff mit halben worten

und

Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens-Beſchreibung.
[Spaltenumbruch] der des lichts/ des Geiſtes und der
warheit/ komm nun hervor du reich
Gottes mit krafft; Hierinn muß die
welt untergehen und ihre herrlichkeit
wird ausgeloͤſchet/ das iſt gewiß und es
ſol alſo geſchehẽ/ ſonſt haͤtte mein mund
gelogen und nicht durch den HErrn
geſprochen/ wenn es nicht alſo geſchehe.
Habt acht drauff. Wenn es alſo ſtehet
mit den kindern Gottes/ die ihre glori-
oͤſe herrliche freyheit werden einnehmen
oder empfangen muͤſſen zu ihrer zeit/
wenn ſie alle bequaͤm und die liebſte
außerleſene blume Jacobs ſind. Merckt
wol drauff. Hier mag
Cantica Cantico-
rum,
oder das hohe lied Salomonis mit
ſothanigen Geiſt erſt recht geſungen
und aus geſprochen werden. Habt acht
drauff.

Hierinn wird allen voͤlckern die huͤlle
oder das kleid (damit ihre augen bede-
cket ſind) abgenommen werden und der
tod wird damit auffgehaben ſeyn Hier-
inn iſt die reinigung/ in welcher/ verſte-
het/ alle dinge rein/ frey/ heilig und gut
ſind. Nehmt es zu hertzen/ und wartet
darauff/ ob nicht hier das ewige licht/
das ewige leben/ die ewige ruhe/
die ewige freude und froͤlichkeit oh-
ne verletzung/ ohne ſchmertzen/ ohne
leyd und ohne geſchrey iſt/ denn der tod
wird hiea vollkommentlich verſchlun-
gen werden. Verſtehet/ ja habt wol
acht drauff. Brennet nun/ ja flammet
und flackert in die hoͤhe/ ihr feurige kin-
der/ in lauteer liebe/ und krieget hirſch-
fuͤſſe/ ja ſeyd und thut nichts anders.
Habt acht drauff/ und nehmt das was
euch geſagt iſt/ gantz wol in acht/ denn
diß iſt ein ſchnell lauffender geſchwin-
der freudiger bote/ empfanget ihn in
dem namen des jenigen/ der ihn ſendet
und dancket dem Herrn durch ihm oder
in ihm/ thut alſo/ denn er kom̃t euch
zu warnen vor dem feuer der veꝛſuchung/
das uͤber die gantze welt kommen
wird. Merckt wol auff. Ach daß
ich nun wircken muß/ das faͤllt mir
verdrießlich/ HErr wie lange/ wie lan-
ge HErr ſol es waͤhren? Nur hoffe/
nicht lange. HErr HErr/ laß mich/ laß
mich/ laß mich meine luſt/ meine luſt ſe-
hen/ ſehen/ ſehen an deinem heiligen und
an meinen hauſe.
Sehet/ dis alles ſchrieb
der mann/ und wol 3. 4. oder 5 mal ſprach er
als gejagt manch wort/ ehe ers mit der feder
verfaſſen konte.

Als dis geſchrieben war/ kam ihm ein geſicht
lieds-weiſe vor/ welches er mit geſchwinder
hand ſchnell hintereinander ſchrieb/ auff die me-
lodie: Eine feſte burg iſt unſer Gott/ alſo lau-
tende: Mein ohren haben von oben ge-
hoͤrt: Mein augen haben von fern ge-
ſehen. Die unſchuld verſtehet das wort:
Jn den Schaafen Chriſti ſchnelle be-
ſchaut/ die als huͤpffende kom̃en ſchlecht/
alle auffrichtig: Ohne ſchalckheit ſie
ſimpel ſeyn/ als taͤublein ohne mackel
fein: Ohne ſchaam oder einig verſtell-
[Spaltenumbruch] ten geiſt/ eben als Adam und Eva erſt
waren. Leſt.
Hierdurch bekam er einen ein-
faͤltigen ruhigen geiſt/ daß er dachte/ er waͤre
von aller phantaſie oder bekuͤmmerniß loß we-
gen ſeiner frauen/ daß ſie nach ſeinen tode kei-
nen andern mann nehmen koͤnte und dauchte
ihm/ als ſehe ers immer unveraͤnderlich mit au-
gen/ und was er da bekommen/ dauchte ihm
ein weit groͤſſere gabe zu ſeyn als 100. tauſend
guͤlden; Empfieng darneben auch einen frey-
muͤthigen getroſten geiſt/ als waͤre er damit al-
ler muͤhe/ angſt/ ſorge uud anſehen der welt
loß/ ledig und frey worden/ und derſelbe glantz
blieb in einen neuem froͤlichen ſchein ſtets bey
ihm.

Mit dieſem geiſt iſt er zu einen bruder gegan-
gen/ der ſich ſeiner verwunderte und dachte/
was ihm moͤchte begegnet ſeyn/ daß er ſo freu-
dig und froͤliches geiſtes/ hertzens/ ſinnes und
gemuͤthes in ſo trauriger zeit war/ denn er war
ſonſt ein ſehr ſchamhaffter mann und vorhin
nicht ſtoltz geweſt/ damals aber ſo freymuͤthig.
Dieſer bruder noͤthigte den D. J. zu eſſen/ als
ſie eben zu tiſche ſaſſen und ſprach: Jß doch
und ſcheue dich nicht/ denn er meynete/ er thaͤt
es ſeiner frauen halben/ der er ſonſt unbekannt
war. Aber D. J. antwortete ihm und ſagte:
Mein bruder/ ich habe mich nun ſo lan-
ge zeit vor jederman geſcheuet/ aber nun
ſcheue ich mich nicht/ wenns ſchon Kaͤy-
ſer und Koͤnige waͤren/ laſſet ſie ſich vor
mir ſchaͤmen/ ich habs ihrenthalben
nicht noͤthig; Und fuͤhrte dabey ſolche
reden/
wie daß ihnen kein ding frey waͤre vor
Gott/ biß ſie einigkeit/ freundſchafft und friede
mit ihm gemacht haͤtten/ davon er eine gewiſſe
veꝛſicherung in ſeinen gemuͤth oder gewiſſẽ em-
pfangen haͤtte. Als er von dannen gieng/ ward
er auff den ſoͤller zu ſchlaffen gebracht/ unter ein
ſchlecht gedeckt dach/ und in ein ungewaͤrmtes
und nach ſeiner nothdurfft gar leichtes bereite-
tes bette gelegt/ alſo daß/ wenn GOtt ihn des
nachts nicht mit einer andern waͤrme von in-
nen verſehen haͤtte/ ſo haͤtte er wegen der groſ-
ſen kaͤlte die pein im leibe nicht ausſtehen koͤn-
nen. Aber er war gantz zu frieden und unbe-
kuͤmmert der unglaublichen begebenheiten hal-
ben/ daß man ſich auch der ſeeligkeit ſeines
geiſtes und unargen gedancken verwundern
muß.

Es daurte ungefaͤhr 3. monate/ daß der
glantz immer im angefichte vor augen blieb und
ſein gemuͤth war gleich einem kindlein/ das
nichts arges oder ſchalckhafftes dencket/ und ob
er ſchon auswendig noch ſo viel ſchalckhaffte
und fleiſchliche dinge geſehen hatte/ ſo bekuͤm-
mert oder erweckte es ihm doch nicht zur wol-
luſt. Jedennoch gewann er in demſelben geiſt
und weſen einen ſohn/ genannt Gideon-
Von welchen er uͤber ein jahr oder andert hal-
ben das kind in einem geſichte kriegte/ und ließ
ſich ſehen in einem langen ſeidenen rock/ als
wenns groß vor dem HErren und ſonderlich
nach der weiſe Samuels ſolte erzogen werden.
Aber er ließ es mit andern dingen ſo/ wiewol es
ihm der verwunderung halben in dem ſinne
blieb. Jn und mit dieſem neuen geiſt ſchrieb er
einen ſchrifftlichen entwurff mit halben worten

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p>
                <pb facs="#f0706" n="410"/>
                <fw place="top" type="header">Th. <hi rendition="#aq">IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris</hi> Lebens-Be&#x017F;chreibung.</fw><lb/>
                <cb/> <hi rendition="#fr">der des lichts/ des Gei&#x017F;tes und der<lb/>
warheit/ komm nun hervor du reich<lb/>
Gottes mit krafft; Hierinn muß die<lb/>
welt untergehen und ihre herrlichkeit<lb/>
wird ausgelo&#x0364;&#x017F;chet/ das i&#x017F;t gewiß und es<lb/>
&#x017F;ol al&#x017F;o ge&#x017F;cheh&#x1EBD;/ &#x017F;on&#x017F;t ha&#x0364;tte mein mund<lb/>
gelogen und nicht durch den HErrn<lb/>
ge&#x017F;prochen/ wenn es nicht al&#x017F;o ge&#x017F;chehe.<lb/>
Habt acht drauff. Wenn es al&#x017F;o &#x017F;tehet<lb/>
mit den kindern Gottes/ die ihre glori-<lb/>
o&#x0364;&#x017F;e herrliche freyheit werden einnehmen<lb/>
oder empfangen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en zu ihrer zeit/<lb/>
wenn &#x017F;ie alle bequa&#x0364;m und die lieb&#x017F;te<lb/>
außerle&#x017F;ene blume Jacobs &#x017F;ind. Merckt<lb/>
wol drauff. Hier mag</hi> <hi rendition="#aq">Cantica Cantico-<lb/>
rum,</hi> <hi rendition="#fr">oder das hohe lied Salomonis mit<lb/>
&#x017F;othanigen Gei&#x017F;t er&#x017F;t recht ge&#x017F;ungen<lb/>
und aus ge&#x017F;prochen werden. Habt acht<lb/>
drauff.</hi> </p><lb/>
              <p><hi rendition="#fr">Hierinn wird allen vo&#x0364;lckern die hu&#x0364;lle<lb/>
oder das kleid (damit ihre augen bede-<lb/>
cket &#x017F;ind) abgenommen werden und der<lb/>
tod wird damit auffgehaben &#x017F;eyn Hier-<lb/>
inn i&#x017F;t die reinigung/ in welcher/ ver&#x017F;te-<lb/>
het/ alle dinge rein/ frey/ heilig und gut<lb/>
&#x017F;ind. Nehmt es zu hertzen/ und wartet<lb/>
darauff/ ob nicht hier das ewige licht/<lb/>
das ewige leben/ die ewige ruhe/<lb/>
die ewige freude und fro&#x0364;lichkeit oh-<lb/>
ne verletzung/ ohne &#x017F;chmertzen/ ohne<lb/>
leyd und ohne ge&#x017F;chrey i&#x017F;t/ denn der tod<lb/>
wird hiea vollkommentlich ver&#x017F;chlun-<lb/>
gen werden. Ver&#x017F;tehet/ ja habt wol<lb/>
acht drauff. Brennet nun/ ja flammet<lb/>
und flackert in die ho&#x0364;he/ ihr feurige kin-<lb/>
der/ in lauteer liebe/ und krieget hir&#x017F;ch-<lb/>
fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/ ja &#x017F;eyd und thut nichts anders.<lb/>
Habt acht drauff/ und nehmt das was<lb/>
euch ge&#x017F;agt i&#x017F;t/ gantz wol in acht/ denn<lb/>
diß i&#x017F;t ein &#x017F;chnell lauffender ge&#x017F;chwin-<lb/>
der freudiger bote/ empfanget ihn in<lb/>
dem namen des jenigen/ der ihn &#x017F;endet<lb/>
und dancket dem Herrn durch ihm oder<lb/>
in ihm/ thut al&#x017F;o/ denn er kom&#x0303;t euch<lb/>
zu warnen vor dem feuer der ve&#xA75B;&#x017F;uchung/<lb/>
das u&#x0364;ber die gantze welt kommen<lb/>
wird. Merckt wol auff. Ach daß<lb/>
ich nun wircken muß/ das fa&#x0364;llt mir<lb/>
verdrießlich/ HErr wie lange/ wie lan-<lb/>
ge HErr &#x017F;ol es wa&#x0364;hren? Nur hoffe/<lb/>
nicht lange. HErr HErr/ laß mich/ laß<lb/>
mich/ laß mich meine lu&#x017F;t/ meine lu&#x017F;t &#x017F;e-<lb/>
hen/ &#x017F;ehen/ &#x017F;ehen an deinem heiligen und<lb/>
an meinen hau&#x017F;e.</hi> Sehet/ dis alles &#x017F;chrieb<lb/>
der mann/ und wol 3. 4. oder 5 mal &#x017F;prach er<lb/>
als gejagt manch wort/ ehe ers mit der feder<lb/>
verfa&#x017F;&#x017F;en konte.</p><lb/>
              <p>Als dis ge&#x017F;chrieben war/ kam ihm ein ge&#x017F;icht<lb/>
lieds-wei&#x017F;e vor/ welches er mit ge&#x017F;chwinder<lb/>
hand &#x017F;chnell hintereinander &#x017F;chrieb/ auff die me-<lb/>
lodie: Eine fe&#x017F;te burg i&#x017F;t un&#x017F;er Gott/ al&#x017F;o lau-<lb/>
tende: <hi rendition="#fr">Mein ohren haben von oben ge-<lb/>
ho&#x0364;rt: Mein augen haben von fern ge-<lb/>
&#x017F;ehen. Die un&#x017F;chuld ver&#x017F;tehet das wort:<lb/>
Jn den Schaafen Chri&#x017F;ti &#x017F;chnelle be-<lb/>
&#x017F;chaut/ die als hu&#x0364;pffende kom&#x0303;en &#x017F;chlecht/<lb/>
alle auffrichtig: Ohne &#x017F;chalckheit &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;impel &#x017F;eyn/ als ta&#x0364;ublein ohne mackel<lb/>
fein: Ohne &#x017F;chaam oder einig ver&#x017F;tell-<lb/><cb/>
ten gei&#x017F;t/ eben als Adam und Eva er&#x017F;t<lb/>
waren. Le&#x017F;t.</hi> Hierdurch bekam er einen ein-<lb/>
fa&#x0364;ltigen ruhigen gei&#x017F;t/ daß er dachte/ er wa&#x0364;re<lb/>
von aller phanta&#x017F;ie oder beku&#x0364;mmerniß loß we-<lb/>
gen &#x017F;einer frauen/ daß &#x017F;ie nach &#x017F;einen tode kei-<lb/>
nen andern mann nehmen ko&#x0364;nte und dauchte<lb/>
ihm/ als &#x017F;ehe ers immer unvera&#x0364;nderlich mit au-<lb/>
gen/ und was er da bekommen/ dauchte ihm<lb/>
ein weit gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere gabe zu &#x017F;eyn als 100. tau&#x017F;end<lb/>
gu&#x0364;lden; Empfieng darneben auch einen frey-<lb/>
mu&#x0364;thigen getro&#x017F;ten gei&#x017F;t/ als wa&#x0364;re er damit al-<lb/>
ler mu&#x0364;he/ ang&#x017F;t/ &#x017F;orge uud an&#x017F;ehen der welt<lb/>
loß/ ledig und frey worden/ und der&#x017F;elbe glantz<lb/>
blieb in einen neuem fro&#x0364;lichen &#x017F;chein &#x017F;tets bey<lb/>
ihm.</p><lb/>
              <p>Mit die&#x017F;em gei&#x017F;t i&#x017F;t er zu einen bruder gegan-<lb/>
gen/ der &#x017F;ich &#x017F;einer verwunderte und dachte/<lb/>
was ihm mo&#x0364;chte begegnet &#x017F;eyn/ daß er &#x017F;o freu-<lb/>
dig und fro&#x0364;liches gei&#x017F;tes/ hertzens/ &#x017F;innes und<lb/>
gemu&#x0364;thes in &#x017F;o trauriger zeit war/ denn er war<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t ein &#x017F;ehr &#x017F;chamhaffter mann und vorhin<lb/>
nicht &#x017F;toltz gewe&#x017F;t/ damals aber &#x017F;o freymu&#x0364;thig.<lb/>
Die&#x017F;er bruder no&#x0364;thigte den D. J. zu e&#x017F;&#x017F;en/ als<lb/>
&#x017F;ie eben zu ti&#x017F;che &#x017F;a&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;prach: Jß doch<lb/>
und &#x017F;cheue dich nicht/ denn er meynete/ er tha&#x0364;t<lb/>
es &#x017F;einer frauen halben/ der er &#x017F;on&#x017F;t unbekannt<lb/>
war. Aber D. J. antwortete ihm und &#x017F;agte:<lb/><hi rendition="#fr">Mein bruder/ ich habe mich nun &#x017F;o lan-<lb/>
ge zeit vor jederman ge&#x017F;cheuet/ aber nun<lb/>
&#x017F;cheue ich mich nicht/ wenns &#x017F;chon Ka&#x0364;y-<lb/>
&#x017F;er und Ko&#x0364;nige wa&#x0364;ren/ la&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ie &#x017F;ich vor<lb/>
mir &#x017F;cha&#x0364;men/ ich habs ihrenthalben<lb/>
nicht no&#x0364;thig; Und fu&#x0364;hrte dabey &#x017F;olche<lb/>
reden/</hi> wie daß ihnen kein ding frey wa&#x0364;re vor<lb/>
Gott/ biß &#x017F;ie einigkeit/ freund&#x017F;chafft und friede<lb/>
mit ihm gemacht ha&#x0364;tten/ davon er eine gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
ve&#xA75B;&#x017F;icherung in &#x017F;einen gemu&#x0364;th oder gewi&#x017F;&#x017F;&#x1EBD; em-<lb/>
pfangen ha&#x0364;tte. Als er von dannen gieng/ ward<lb/>
er auff den &#x017F;o&#x0364;ller zu &#x017F;chlaffen gebracht/ unter ein<lb/>
&#x017F;chlecht gedeckt dach/ und in ein ungewa&#x0364;rmtes<lb/>
und nach &#x017F;einer nothdurfft gar leichtes bereite-<lb/>
tes bette gelegt/ al&#x017F;o daß/ wenn GOtt ihn des<lb/>
nachts nicht mit einer andern wa&#x0364;rme von in-<lb/>
nen ver&#x017F;ehen ha&#x0364;tte/ &#x017F;o ha&#x0364;tte er wegen der gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en ka&#x0364;lte die pein im leibe nicht aus&#x017F;tehen ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Aber er war gantz zu frieden und unbe-<lb/>
ku&#x0364;mmert der unglaublichen begebenheiten hal-<lb/>
ben/ daß man &#x017F;ich auch der &#x017F;eeligkeit &#x017F;eines<lb/>
gei&#x017F;tes und unargen gedancken verwundern<lb/>
muß.</p><lb/>
              <p>Es daurte ungefa&#x0364;hr 3. monate/ daß der<lb/>
glantz immer im angefichte vor augen blieb und<lb/>
&#x017F;ein gemu&#x0364;th war gleich einem kindlein/ das<lb/>
nichts arges oder &#x017F;chalckhafftes dencket/ und ob<lb/>
er &#x017F;chon auswendig noch &#x017F;o viel &#x017F;chalckhaffte<lb/>
und flei&#x017F;chliche dinge ge&#x017F;ehen hatte/ &#x017F;o beku&#x0364;m-<lb/>
mert oder erweckte es ihm doch nicht zur wol-<lb/>
lu&#x017F;t. Jedennoch gewann er in dem&#x017F;elben gei&#x017F;t<lb/>
und we&#x017F;en einen &#x017F;ohn/ genannt Gideon-<lb/>
Von welchen er u&#x0364;ber ein jahr oder andert hal-<lb/>
ben das kind in einem ge&#x017F;ichte kriegte/ und ließ<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;ehen in einem langen &#x017F;eidenen rock/ als<lb/>
wenns groß vor dem HErren und &#x017F;onderlich<lb/>
nach der wei&#x017F;e Samuels &#x017F;olte erzogen werden.<lb/>
Aber er ließ es mit andern dingen &#x017F;o/ wiewol es<lb/>
ihm der verwunderung halben in dem &#x017F;inne<lb/>
blieb. Jn und mit die&#x017F;em neuen gei&#x017F;t &#x017F;chrieb er<lb/>
einen &#x017F;chrifftlichen entwurff mit halben worten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[410/0706] Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens-Beſchreibung. der des lichts/ des Geiſtes und der warheit/ komm nun hervor du reich Gottes mit krafft; Hierinn muß die welt untergehen und ihre herrlichkeit wird ausgeloͤſchet/ das iſt gewiß und es ſol alſo geſchehẽ/ ſonſt haͤtte mein mund gelogen und nicht durch den HErrn geſprochen/ wenn es nicht alſo geſchehe. Habt acht drauff. Wenn es alſo ſtehet mit den kindern Gottes/ die ihre glori- oͤſe herrliche freyheit werden einnehmen oder empfangen muͤſſen zu ihrer zeit/ wenn ſie alle bequaͤm und die liebſte außerleſene blume Jacobs ſind. Merckt wol drauff. Hier mag Cantica Cantico- rum, oder das hohe lied Salomonis mit ſothanigen Geiſt erſt recht geſungen und aus geſprochen werden. Habt acht drauff. Hierinn wird allen voͤlckern die huͤlle oder das kleid (damit ihre augen bede- cket ſind) abgenommen werden und der tod wird damit auffgehaben ſeyn Hier- inn iſt die reinigung/ in welcher/ verſte- het/ alle dinge rein/ frey/ heilig und gut ſind. Nehmt es zu hertzen/ und wartet darauff/ ob nicht hier das ewige licht/ das ewige leben/ die ewige ruhe/ die ewige freude und froͤlichkeit oh- ne verletzung/ ohne ſchmertzen/ ohne leyd und ohne geſchrey iſt/ denn der tod wird hiea vollkommentlich verſchlun- gen werden. Verſtehet/ ja habt wol acht drauff. Brennet nun/ ja flammet und flackert in die hoͤhe/ ihr feurige kin- der/ in lauteer liebe/ und krieget hirſch- fuͤſſe/ ja ſeyd und thut nichts anders. Habt acht drauff/ und nehmt das was euch geſagt iſt/ gantz wol in acht/ denn diß iſt ein ſchnell lauffender geſchwin- der freudiger bote/ empfanget ihn in dem namen des jenigen/ der ihn ſendet und dancket dem Herrn durch ihm oder in ihm/ thut alſo/ denn er kom̃t euch zu warnen vor dem feuer der veꝛſuchung/ das uͤber die gantze welt kommen wird. Merckt wol auff. Ach daß ich nun wircken muß/ das faͤllt mir verdrießlich/ HErr wie lange/ wie lan- ge HErr ſol es waͤhren? Nur hoffe/ nicht lange. HErr HErr/ laß mich/ laß mich/ laß mich meine luſt/ meine luſt ſe- hen/ ſehen/ ſehen an deinem heiligen und an meinen hauſe. Sehet/ dis alles ſchrieb der mann/ und wol 3. 4. oder 5 mal ſprach er als gejagt manch wort/ ehe ers mit der feder verfaſſen konte. Als dis geſchrieben war/ kam ihm ein geſicht lieds-weiſe vor/ welches er mit geſchwinder hand ſchnell hintereinander ſchrieb/ auff die me- lodie: Eine feſte burg iſt unſer Gott/ alſo lau- tende: Mein ohren haben von oben ge- hoͤrt: Mein augen haben von fern ge- ſehen. Die unſchuld verſtehet das wort: Jn den Schaafen Chriſti ſchnelle be- ſchaut/ die als huͤpffende kom̃en ſchlecht/ alle auffrichtig: Ohne ſchalckheit ſie ſimpel ſeyn/ als taͤublein ohne mackel fein: Ohne ſchaam oder einig verſtell- ten geiſt/ eben als Adam und Eva erſt waren. Leſt. Hierdurch bekam er einen ein- faͤltigen ruhigen geiſt/ daß er dachte/ er waͤre von aller phantaſie oder bekuͤmmerniß loß we- gen ſeiner frauen/ daß ſie nach ſeinen tode kei- nen andern mann nehmen koͤnte und dauchte ihm/ als ſehe ers immer unveraͤnderlich mit au- gen/ und was er da bekommen/ dauchte ihm ein weit groͤſſere gabe zu ſeyn als 100. tauſend guͤlden; Empfieng darneben auch einen frey- muͤthigen getroſten geiſt/ als waͤre er damit al- ler muͤhe/ angſt/ ſorge uud anſehen der welt loß/ ledig und frey worden/ und derſelbe glantz blieb in einen neuem froͤlichen ſchein ſtets bey ihm. Mit dieſem geiſt iſt er zu einen bruder gegan- gen/ der ſich ſeiner verwunderte und dachte/ was ihm moͤchte begegnet ſeyn/ daß er ſo freu- dig und froͤliches geiſtes/ hertzens/ ſinnes und gemuͤthes in ſo trauriger zeit war/ denn er war ſonſt ein ſehr ſchamhaffter mann und vorhin nicht ſtoltz geweſt/ damals aber ſo freymuͤthig. Dieſer bruder noͤthigte den D. J. zu eſſen/ als ſie eben zu tiſche ſaſſen und ſprach: Jß doch und ſcheue dich nicht/ denn er meynete/ er thaͤt es ſeiner frauen halben/ der er ſonſt unbekannt war. Aber D. J. antwortete ihm und ſagte: Mein bruder/ ich habe mich nun ſo lan- ge zeit vor jederman geſcheuet/ aber nun ſcheue ich mich nicht/ wenns ſchon Kaͤy- ſer und Koͤnige waͤren/ laſſet ſie ſich vor mir ſchaͤmen/ ich habs ihrenthalben nicht noͤthig; Und fuͤhrte dabey ſolche reden/ wie daß ihnen kein ding frey waͤre vor Gott/ biß ſie einigkeit/ freundſchafft und friede mit ihm gemacht haͤtten/ davon er eine gewiſſe veꝛſicherung in ſeinen gemuͤth oder gewiſſẽ em- pfangen haͤtte. Als er von dannen gieng/ ward er auff den ſoͤller zu ſchlaffen gebracht/ unter ein ſchlecht gedeckt dach/ und in ein ungewaͤrmtes und nach ſeiner nothdurfft gar leichtes bereite- tes bette gelegt/ alſo daß/ wenn GOtt ihn des nachts nicht mit einer andern waͤrme von in- nen verſehen haͤtte/ ſo haͤtte er wegen der groſ- ſen kaͤlte die pein im leibe nicht ausſtehen koͤn- nen. Aber er war gantz zu frieden und unbe- kuͤmmert der unglaublichen begebenheiten hal- ben/ daß man ſich auch der ſeeligkeit ſeines geiſtes und unargen gedancken verwundern muß. Es daurte ungefaͤhr 3. monate/ daß der glantz immer im angefichte vor augen blieb und ſein gemuͤth war gleich einem kindlein/ das nichts arges oder ſchalckhafftes dencket/ und ob er ſchon auswendig noch ſo viel ſchalckhaffte und fleiſchliche dinge geſehen hatte/ ſo bekuͤm- mert oder erweckte es ihm doch nicht zur wol- luſt. Jedennoch gewann er in demſelben geiſt und weſen einen ſohn/ genannt Gideon- Von welchen er uͤber ein jahr oder andert hal- ben das kind in einem geſichte kriegte/ und ließ ſich ſehen in einem langen ſeidenen rock/ als wenns groß vor dem HErren und ſonderlich nach der weiſe Samuels ſolte erzogen werden. Aber er ließ es mit andern dingen ſo/ wiewol es ihm der verwunderung halben in dem ſinne blieb. Jn und mit dieſem neuen geiſt ſchrieb er einen ſchrifftlichen entwurff mit halben worten und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/706
Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/706>, abgerufen am 22.12.2024.