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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens-Beschreibung.
[Spaltenumbruch] und sinnen und also mit grosser eil und geschwin-
digkeit/ als ers vom Geiste empfangen und ihm
alle dinge in ihrer vollkommenheit zu der zeit wei-
ter einzusehen und zu schreiben gegeben war/ und
schrieb es auff Lombardische felle in gröstem for-
mat/ worinn noch viel andere dinge mehr ent-
halten als das ausgegebene in sich hatte und
kürtzlich verfasset war/ weil sie nicht alle gedruckt
wurden um der unerhörten dinge willen;
Doch ist das büchlein gedruckt und etliche din-
ge ausgelassen worden/ wie es der drucker be-
gehrt/ der solches nicht verstanden oder erkannt
hat.

Jn diesen geist schrieb er auch 3. brieffe/ ei-
nen in Engelland/ den andern in Teutschland/
nach Straßburg und den dritten nach Frieß-
land ins Westphalische land und die musten
in seinem namen eingehändiget werden/ und
solte er sie auch selbst zu fuß hinbracht haben/
aber es geschahe/ daß er sie durch andere schickte.
Denn in dem brieff nach Engelland kam zuletzt/
als er gantz geschrieben und schier aus war/ un-
ter andern etwas/ das David sehr frembd vor-
kam/ wiewol es aus der feder geflossen und ge-
schrieben war/ ehe es vollkommen eingesehen
worden/ also lautende: Geschencke und gaben
wird man euch noch zubringen. Da es nun al-
so geschrieben war/ wolte er sich vor den brü-
dern schämen/ was sie daraus dencken möch-
ten/ weil etliche denen von Münster nachrede-
ten/ daß sie in ander leute güter wolten fallen/
ob D. J. auch auffgewacht und solches mit im
sinn hätte/ wovon sein hertz doch weit gewesen
und immerfort in ewigkeit davon geblieben ist.
Er kratzte es wieder aus/ durffte aber so stoltz
nicht seyn es also zu lassen/ sondern muste es
wieder schreiben/ so kräfftig ward er innerlich
dazu getrieben/ denn es dauchte ihm so frembd
als der Sara/ daß sie einen sohn solte haben/
man mags glauben oder nicht.

Jn dieser zeit erfuhr er viel wunder von in-
nerlichen träumen/ gesichten und andern visio-
nen/ ja den gantzen tag durch hörte oder sahe
man anders nicht von ihm als des HErren
wort und Geist wozu es nemlich noch kommen
müste/ ehe es alles recht nach Gottes hertz/ sinn
und gemüthe wäre; Es kam ihm auch endlich
augenscheinlich nach dem Geist und fühlete die
krafft in effect, daß er von allen fleisch einen
vollkommenen Abschied an den sinnen des her-
tzens nehmen muste/ denn in der zeit wolte Gott
alle dinge nach ihm und in ihm verneuen. Das
schalcks-auge/ fleischliche gedancken oder was
vor sündliche lüste es nur waren/ muste alles
weg/ und derselbe geist trieb ihn im hertzen so
starck an/ daß er je zuweilen auff dem söller vor
mattigkeit niedergefallen lag und gantz zusam-
men gekrümmet war vor furcht und schrecken
des strengen richters/ ehe er diß befindlicher und
empfindlicher weise im hertzen alles freywillig
über geben konte/ also daß er in einem augen-
blick in der krafft des hertzens als ein tod-ster-
bender niederfiel/ eben als obs äusserlich gesche-
hen wäre. Und doch war es nicht als in ge-
dancken und gemüthe allein dem sinn und wil-
len Gottes an ihm beyzustimmen/ und dassel-
be hatte so viel in sich/ daß es von gantzer seelen-
und hertzens-grund muste ewiglich gemeynet
seyn. Und sehet/ das gebet hörte nimmermehr
[Spaltenumbruch] auff/ so kam ihm auch dis und jenes schones in
dem HErrn vor/ daß er nun forthin wol zuse-
hen solte/ daß er sich von diesen abgeschiedenen
sinn nicht wieder solte bewegen noch in eine
fleischliche liebe oder gesichte ziehen lassen/ son-
dern müste sich vergeistern oder vergöttern las-
sen/ und sich untersuchen und sehen/ obs mit
ihm so wäre und er mit dem sinn in dem geiste
der einfältigkeit und reinigkeit des hertzens
bliebe.

Summa er wurde gantz auß allem schal-
cken oder fleischlichen gesichte gezogen/ wie ein
kindlein von seinem willen und gemüthe abge-
kehret und gelehret wird/ in empfindlicher
weise wieder zu dem ersten wunderlichen ge-
sichte zu kommen. Denn es gab und zeigete
ihm zu erkennen/ daß in dem reiche Gottes
nichts unreines würde dauren oder bleiben
können/ daß auch deß menschen hertze müsse
gantz lauter/ einfältig und unschalckhafftig
seyn/ deßwegen er sich auch selbst öffters zu
untersuchen/ und zu prüffen hätte/ ob er auch
in dem sinn und willen gründlich stünde/ daß
also hierauß eine gefahr schiene/ desselben zu
mangeln/ und das hertze tapffer müsse ange-
fochten und bestürmet werden/ ehe es gantz
rein und lauter könte erscheinen. Darauff denn
sein glaube und seine liebe auffs allerstärckste
versuchet wurden/ denn der HErr hatte ihn erst-
lich wol vätterlich angenommen/ aber er setzte ihn
hernach nicht so sanffte ohne gefühl sein selbst
nieder/ wiewol er ihm doch dabey mächtige
grosse thaten zeigete/ und durch unglaubliche
dinge geführet hat/ die über alle natur in
der welt je geschehen sind/ welche nicht zu er-
zehlen. Jn warheit/ wenn solches von dem
HErrn befördert worden wäre/ so weiß ich/
(als der ichs alles aus seinem eigenen munde
gehört/ erkannt und diß geschrieben) wol/ daß
dasselbe keinem menschen möglich gewest wä-
re. Jch mag mit Paulo hier wol sagen/ daß
fleisch und blut dazu viel zu untüchtig/ und
menschlichen gedancken zu schwach es zu tra-
gen. Er stund allewege in einer hertzlichen be-
gierde zu Gott gekehret mit beten/ drang auch
ohne unterlaß auß allen seinen kräfften und
vermögen der seelen in Gott ein/ und lebete so
mässig/ daß er gantz ohnmächtig und matt am
leibe war/ nicht allein umb der speise willen/
sondern umb seines eifrigen hertzens willen/
das gantz weg und zu nichte verzehret war.

Er sahe sein eigen hertz in einem bedencken
oder innerlichen gesichte/ als einen außgezehr-
ten fisch/ der einen andern fisch in sich hat/ und
Gott ermahnete ihn in seinem gemüthe/ er sol-
te etwas ruhen in der creatur/ und essen und
trincken was ihm wol schmeckte und gelüstete
zur nahrung und erhaltung/ da es ihm doch
alles frey war/ und sehet/ er muste es thun/ die
noth zwang ihn dazu. Man richtete ihm et-
was zu mit kraut das hertze zu stärcken/ und
wartete ihm etwas besser/ und holte ihm zu-
weilen einen trunck wein; sonst hätte er sich
lieber allen menschlichen dingen wollen entzie-
hen/ denn Gott gab licht und verstand zu er-
kennen was es war/ worauff er sahe/ und hätte
sich gern mit grün kraut vergnügen lassen/
wie er sich denn auch eine zeitlang nur
mit sallat speißte/ aber leider! seine natur

konts
A. K. H. Vierdter Theil. F f f 2

Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens-Beſchreibung.
[Spaltenumbruch] und ſiñen uñ alſo mit groſſer eil und geſchwin-
digkeit/ als ers vom Geiſte empfangen und ihm
alle dinge in ihrer vollkom̃enheit zu der zeit wei-
ter einzuſehen und zu ſchreiben gegeben war/ uñ
ſchrieb es auff Lombardiſche felle in groͤſtem for-
mat/ worinn noch viel andere dinge mehr ent-
halten als das ausgegebene in ſich hatte und
kuͤrtzlich verfaſſet war/ weil ſie nicht alle gedruckt
wurden um der unerhoͤrten dinge willen;
Doch iſt das buͤchlein gedruckt und etliche din-
ge ausgelaſſen worden/ wie es der drucker be-
gehrt/ der ſolches nicht verſtanden oder erkannt
hat.

Jn dieſen geiſt ſchrieb er auch 3. brieffe/ ei-
nen in Engelland/ den andern in Teutſchland/
nach Straßburg und den dritten nach Frieß-
land ins Weſtphaliſche land und die muſten
in ſeinem namen eingehaͤndiget werden/ und
ſolte er ſie auch ſelbſt zu fuß hinbracht haben/
aber es geſchahe/ daß er ſie durch andere ſchickte.
Denn in dem brieff nach Engelland kam zuletzt/
als er gantz geſchrieben und ſchier aus war/ un-
ter andern etwas/ das David ſehr frembd vor-
kam/ wiewol es aus der feder gefloſſen und ge-
ſchrieben war/ ehe es vollkommen eingeſehen
worden/ alſo lautende: Geſchencke und gaben
wird man euch noch zubringen. Da es nun al-
ſo geſchrieben war/ wolte er ſich vor den bruͤ-
dern ſchaͤmen/ was ſie daraus dencken moͤch-
ten/ weil etliche denen von Muͤnſter nachrede-
ten/ daß ſie in ander leute guͤter wolten fallen/
ob D. J. auch auffgewacht und ſolches mit im
ſinn haͤtte/ wovon ſein hertz doch weit geweſen
und immerfort in ewigkeit davon geblieben iſt.
Er kratzte es wieder aus/ durffte aber ſo ſtoltz
nicht ſeyn es alſo zu laſſen/ ſondern muſte es
wieder ſchreiben/ ſo kraͤfftig ward er innerlich
dazu getrieben/ denn es dauchte ihm ſo frembd
als der Sara/ daß ſie einen ſohn ſolte haben/
man mags glauben oder nicht.

Jn dieſer zeit erfuhr er viel wunder von in-
nerlichen traͤumen/ geſichten und andern viſio-
nen/ ja den gantzen tag durch hoͤrte oder ſahe
man anders nicht von ihm als des HErren
wort und Geiſt wozu es nemlich noch kommen
muͤſte/ ehe es alles recht nach Gottes hertz/ ſinn
und gemuͤthe waͤre; Es kam ihm auch endlich
augenſcheinlich nach dem Geiſt und fuͤhlete die
krafft in effect, daß er von allen fleiſch einen
vollkommenen Abſchied an den ſinnen des her-
tzens nehmen muſte/ denn in der zeit wolte Gott
alle dinge nach ihm und in ihm verneuen. Das
ſchalcks-auge/ fleiſchliche gedancken oder was
vor ſuͤndliche luͤſte es nur waren/ muſte alles
weg/ und derſelbe geiſt trieb ihn im hertzen ſo
ſtarck an/ daß er je zuweilen auff dem ſoͤller vor
mattigkeit niedergefallen lag und gantz zuſam-
men gekruͤmmet war vor furcht und ſchrecken
des ſtrengen richters/ ehe er diß befindlicher und
empfindlicher weiſe im hertzen alles freywillig
uͤber geben konte/ alſo daß er in einem augen-
blick in der krafft des hertzens als ein tod-ſter-
bender niederfiel/ eben als obs aͤuſſerlich geſche-
hen waͤre. Und doch war es nicht als in ge-
dancken und gemuͤthe allein dem ſinn und wil-
len Gottes an ihm beyzuſtimmen/ und daſſel-
be hatte ſo viel in ſich/ daß es von gantzer ſeelen-
und hertzens-grund muſte ewiglich gemeynet
ſeyn. Und ſehet/ das gebet hoͤrte nimmermehr
[Spaltenumbruch] auff/ ſo kam ihm auch dis und jenes ſchones in
dem HErrn vor/ daß er nun forthin wol zuſe-
hen ſolte/ daß er ſich von dieſen abgeſchiedenen
ſinn nicht wieder ſolte bewegen noch in eine
fleiſchliche liebe oder geſichte ziehen laſſen/ ſon-
dern muͤſte ſich vergeiſtern oder vergoͤttern laſ-
ſen/ und ſich unterſuchen und ſehen/ obs mit
ihm ſo waͤre und er mit dem ſinn in dem geiſte
der einfaͤltigkeit und reinigkeit des hertzens
bliebe.

Summa er wurde gantz auß allem ſchal-
cken oder fleiſchlichen geſichte gezogen/ wie ein
kindlein von ſeinem willen und gemuͤthe abge-
kehret und gelehret wird/ in empfindlicher
weiſe wieder zu dem erſten wunderlichen ge-
ſichte zu kommen. Denn es gab und zeigete
ihm zu erkennen/ daß in dem reiche Gottes
nichts unreines wuͤrde dauren oder bleiben
koͤnnen/ daß auch deß menſchen hertze muͤſſe
gantz lauter/ einfaͤltig und unſchalckhafftig
ſeyn/ deßwegen er ſich auch ſelbſt oͤffters zu
unterſuchen/ und zu pruͤffen haͤtte/ ob er auch
in dem ſinn und willen gruͤndlich ſtuͤnde/ daß
alſo hierauß eine gefahr ſchiene/ deſſelben zu
mangeln/ und das hertze tapffer muͤſſe ange-
fochten und beſtuͤrmet werden/ ehe es gantz
rein und lauter koͤnte erſcheinen. Darauff deñ
ſein glaube und ſeine liebe auffs allerſtaͤrckſte
verſuchet wurden/ deñ der HErr hatte ihn erſt-
lich wol vaͤtterlich angenom̃en/ aber er ſetzte ihn
hernach nicht ſo ſanffte ohne gefuͤhl ſein ſelbſt
nieder/ wiewol er ihm doch dabey maͤchtige
groſſe thaten zeigete/ und durch unglaubliche
dinge gefuͤhret hat/ die uͤber alle natur in
der welt je geſchehen ſind/ welche nicht zu er-
zehlen. Jn warheit/ wenn ſolches von dem
HErrn befoͤrdert worden waͤre/ ſo weiß ich/
(als der ichs alles aus ſeinem eigenen munde
gehoͤrt/ erkannt und diß geſchrieben) wol/ daß
daſſelbe keinem menſchen moͤglich geweſt waͤ-
re. Jch mag mit Paulo hier wol ſagen/ daß
fleiſch und blut dazu viel zu untuͤchtig/ und
menſchlichen gedancken zu ſchwach es zu tra-
gen. Er ſtund allewege in einer hertzlichen be-
gierde zu Gott gekehret mit beten/ drang auch
ohne unterlaß auß allen ſeinen kraͤfften und
vermoͤgen der ſeelen in Gott ein/ und lebete ſo
maͤſſig/ daß er gantz ohnmaͤchtig und matt am
leibe war/ nicht allein umb der ſpeiſe willen/
ſondern umb ſeines eifrigen hertzens willen/
das gantz weg und zu nichte verzehret war.

Er ſahe ſein eigen hertz in einem bedencken
oder innerlichen geſichte/ als einen außgezehr-
ten fiſch/ der einen andern fiſch in ſich hat/ und
Gott ermahnete ihn in ſeinem gemuͤthe/ er ſol-
te etwas ruhen in der creatur/ und eſſen und
trincken was ihm wol ſchmeckte und geluͤſtete
zur nahrung und erhaltung/ da es ihm doch
alles frey war/ und ſehet/ er muſte es thun/ die
noth zwang ihn dazu. Man richtete ihm et-
was zu mit kraut das hertze zu ſtaͤrcken/ und
wartete ihm etwas beſſer/ und holte ihm zu-
weilen einen trunck wein; ſonſt haͤtte er ſich
lieber allen menſchlichen dingen wollen entzie-
hen/ denn Gott gab licht und verſtand zu er-
kennen was es war/ worauff er ſahe/ und haͤtte
ſich gern mit gruͤn kraut vergnuͤgen laſſen/
wie er ſich denn auch eine zeitlang nur
mit ſallat ſpeißte/ aber leider! ſeine natur

konts
A. K. H. Vierdter Theil. F f f 2
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[411/0707] Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens-Beſchreibung. und ſiñen uñ alſo mit groſſer eil und geſchwin- digkeit/ als ers vom Geiſte empfangen und ihm alle dinge in ihrer vollkom̃enheit zu der zeit wei- ter einzuſehen und zu ſchreiben gegeben war/ uñ ſchrieb es auff Lombardiſche felle in groͤſtem for- mat/ worinn noch viel andere dinge mehr ent- halten als das ausgegebene in ſich hatte und kuͤrtzlich verfaſſet war/ weil ſie nicht alle gedruckt wurden um der unerhoͤrten dinge willen; Doch iſt das buͤchlein gedruckt und etliche din- ge ausgelaſſen worden/ wie es der drucker be- gehrt/ der ſolches nicht verſtanden oder erkannt hat. Jn dieſen geiſt ſchrieb er auch 3. brieffe/ ei- nen in Engelland/ den andern in Teutſchland/ nach Straßburg und den dritten nach Frieß- land ins Weſtphaliſche land und die muſten in ſeinem namen eingehaͤndiget werden/ und ſolte er ſie auch ſelbſt zu fuß hinbracht haben/ aber es geſchahe/ daß er ſie durch andere ſchickte. Denn in dem brieff nach Engelland kam zuletzt/ als er gantz geſchrieben und ſchier aus war/ un- ter andern etwas/ das David ſehr frembd vor- kam/ wiewol es aus der feder gefloſſen und ge- ſchrieben war/ ehe es vollkommen eingeſehen worden/ alſo lautende: Geſchencke und gaben wird man euch noch zubringen. Da es nun al- ſo geſchrieben war/ wolte er ſich vor den bruͤ- dern ſchaͤmen/ was ſie daraus dencken moͤch- ten/ weil etliche denen von Muͤnſter nachrede- ten/ daß ſie in ander leute guͤter wolten fallen/ ob D. J. auch auffgewacht und ſolches mit im ſinn haͤtte/ wovon ſein hertz doch weit geweſen und immerfort in ewigkeit davon geblieben iſt. Er kratzte es wieder aus/ durffte aber ſo ſtoltz nicht ſeyn es alſo zu laſſen/ ſondern muſte es wieder ſchreiben/ ſo kraͤfftig ward er innerlich dazu getrieben/ denn es dauchte ihm ſo frembd als der Sara/ daß ſie einen ſohn ſolte haben/ man mags glauben oder nicht. Jn dieſer zeit erfuhr er viel wunder von in- nerlichen traͤumen/ geſichten und andern viſio- nen/ ja den gantzen tag durch hoͤrte oder ſahe man anders nicht von ihm als des HErren wort und Geiſt wozu es nemlich noch kommen muͤſte/ ehe es alles recht nach Gottes hertz/ ſinn und gemuͤthe waͤre; Es kam ihm auch endlich augenſcheinlich nach dem Geiſt und fuͤhlete die krafft in effect, daß er von allen fleiſch einen vollkommenen Abſchied an den ſinnen des her- tzens nehmen muſte/ denn in der zeit wolte Gott alle dinge nach ihm und in ihm verneuen. Das ſchalcks-auge/ fleiſchliche gedancken oder was vor ſuͤndliche luͤſte es nur waren/ muſte alles weg/ und derſelbe geiſt trieb ihn im hertzen ſo ſtarck an/ daß er je zuweilen auff dem ſoͤller vor mattigkeit niedergefallen lag und gantz zuſam- men gekruͤmmet war vor furcht und ſchrecken des ſtrengen richters/ ehe er diß befindlicher und empfindlicher weiſe im hertzen alles freywillig uͤber geben konte/ alſo daß er in einem augen- blick in der krafft des hertzens als ein tod-ſter- bender niederfiel/ eben als obs aͤuſſerlich geſche- hen waͤre. Und doch war es nicht als in ge- dancken und gemuͤthe allein dem ſinn und wil- len Gottes an ihm beyzuſtimmen/ und daſſel- be hatte ſo viel in ſich/ daß es von gantzer ſeelen- und hertzens-grund muſte ewiglich gemeynet ſeyn. Und ſehet/ das gebet hoͤrte nimmermehr auff/ ſo kam ihm auch dis und jenes ſchones in dem HErrn vor/ daß er nun forthin wol zuſe- hen ſolte/ daß er ſich von dieſen abgeſchiedenen ſinn nicht wieder ſolte bewegen noch in eine fleiſchliche liebe oder geſichte ziehen laſſen/ ſon- dern muͤſte ſich vergeiſtern oder vergoͤttern laſ- ſen/ und ſich unterſuchen und ſehen/ obs mit ihm ſo waͤre und er mit dem ſinn in dem geiſte der einfaͤltigkeit und reinigkeit des hertzens bliebe. Summa er wurde gantz auß allem ſchal- cken oder fleiſchlichen geſichte gezogen/ wie ein kindlein von ſeinem willen und gemuͤthe abge- kehret und gelehret wird/ in empfindlicher weiſe wieder zu dem erſten wunderlichen ge- ſichte zu kommen. Denn es gab und zeigete ihm zu erkennen/ daß in dem reiche Gottes nichts unreines wuͤrde dauren oder bleiben koͤnnen/ daß auch deß menſchen hertze muͤſſe gantz lauter/ einfaͤltig und unſchalckhafftig ſeyn/ deßwegen er ſich auch ſelbſt oͤffters zu unterſuchen/ und zu pruͤffen haͤtte/ ob er auch in dem ſinn und willen gruͤndlich ſtuͤnde/ daß alſo hierauß eine gefahr ſchiene/ deſſelben zu mangeln/ und das hertze tapffer muͤſſe ange- fochten und beſtuͤrmet werden/ ehe es gantz rein und lauter koͤnte erſcheinen. Darauff deñ ſein glaube und ſeine liebe auffs allerſtaͤrckſte verſuchet wurden/ deñ der HErr hatte ihn erſt- lich wol vaͤtterlich angenom̃en/ aber er ſetzte ihn hernach nicht ſo ſanffte ohne gefuͤhl ſein ſelbſt nieder/ wiewol er ihm doch dabey maͤchtige groſſe thaten zeigete/ und durch unglaubliche dinge gefuͤhret hat/ die uͤber alle natur in der welt je geſchehen ſind/ welche nicht zu er- zehlen. Jn warheit/ wenn ſolches von dem HErrn befoͤrdert worden waͤre/ ſo weiß ich/ (als der ichs alles aus ſeinem eigenen munde gehoͤrt/ erkannt und diß geſchrieben) wol/ daß daſſelbe keinem menſchen moͤglich geweſt waͤ- re. Jch mag mit Paulo hier wol ſagen/ daß fleiſch und blut dazu viel zu untuͤchtig/ und menſchlichen gedancken zu ſchwach es zu tra- gen. Er ſtund allewege in einer hertzlichen be- gierde zu Gott gekehret mit beten/ drang auch ohne unterlaß auß allen ſeinen kraͤfften und vermoͤgen der ſeelen in Gott ein/ und lebete ſo maͤſſig/ daß er gantz ohnmaͤchtig und matt am leibe war/ nicht allein umb der ſpeiſe willen/ ſondern umb ſeines eifrigen hertzens willen/ das gantz weg und zu nichte verzehret war. Er ſahe ſein eigen hertz in einem bedencken oder innerlichen geſichte/ als einen außgezehr- ten fiſch/ der einen andern fiſch in ſich hat/ und Gott ermahnete ihn in ſeinem gemuͤthe/ er ſol- te etwas ruhen in der creatur/ und eſſen und trincken was ihm wol ſchmeckte und geluͤſtete zur nahrung und erhaltung/ da es ihm doch alles frey war/ und ſehet/ er muſte es thun/ die noth zwang ihn dazu. Man richtete ihm et- was zu mit kraut das hertze zu ſtaͤrcken/ und wartete ihm etwas beſſer/ und holte ihm zu- weilen einen trunck wein; ſonſt haͤtte er ſich lieber allen menſchlichen dingen wollen entzie- hen/ denn Gott gab licht und verſtand zu er- kennen was es war/ worauff er ſahe/ und haͤtte ſich gern mit gruͤn kraut vergnuͤgen laſſen/ wie er ſich denn auch eine zeitlang nur mit ſallat ſpeißte/ aber leider! ſeine natur konts A. K. H. Vierdter Theil. F f f 2

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/707>, abgerufen am 22.12.2024.