Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.nicht leben. Sehen Sie unsere morschen, ausgemergelten Knochen -- woher soll uns die Kraft kommen, Tag für Tag sechszehn Stunden zu arbeiten? Wir wollen daher alle einstimmig unsern Herrn bitten, uns wieder unseren früheren Lohn auszuzahlen. Sonst arbeiten wir alle nicht mehr! Noth kennt kein Gebot! Kommt keine Hülfe von oben, so müssen wir uns selbst helfen!" Fast drohend hatte der alte Mann die letzten Worte gesprochen, und schwieg hier erschöpft still. Seine Kniee zitterten, und schienen ihn nicht länger tragen zu können. Der Buchhalter aber sprach freundlich und begütigend, "Setzt euch, Meister Schmidt! Ihr seid müde geworden, und ich hab' auf euer Anliegen doch Manches zu erwiedern. Leider ist es wahr, daß euch in den letzten Jahren bedeutende Abzüge gemacht sind; doch nicht dem bösen Willen des Herrn dürft ihr diese harte Maßregel zuschreiben, die er nur mit Widerstreben ergriff, von ungünstigen Conjunkturen gezwungen. Ihr wißt es nicht, welche großen Verluste der Herr in den letzten Messen erlitten hat durch Gründung neuer Fabriken, welche dieselben Stoffe billiger liefern. Doch vertraut nicht leben. Sehen Sie unsere morschen, ausgemergelten Knochen — woher soll uns die Kraft kommen, Tag für Tag sechszehn Stunden zu arbeiten? Wir wollen daher alle einstimmig unsern Herrn bitten, uns wieder unseren früheren Lohn auszuzahlen. Sonst arbeiten wir alle nicht mehr! Noth kennt kein Gebot! Kommt keine Hülfe von oben, so müssen wir uns selbst helfen!“ Fast drohend hatte der alte Mann die letzten Worte gesprochen, und schwieg hier erschöpft still. Seine Kniee zitterten, und schienen ihn nicht länger tragen zu können. Der Buchhalter aber sprach freundlich und begütigend, „Setzt euch, Meister Schmidt! Ihr seid müde geworden, und ich hab' auf euer Anliegen doch Manches zu erwiedern. Leider ist es wahr, daß euch in den letzten Jahren bedeutende Abzüge gemacht sind; doch nicht dem bösen Willen des Herrn dürft ihr diese harte Maßregel zuschreiben, die er nur mit Widerstreben ergriff, von ungünstigen Conjunkturen gezwungen. Ihr wißt es nicht, welche großen Verluste der Herr in den letzten Messen erlitten hat durch Gründung neuer Fabriken, welche dieselben Stoffe billiger liefern. Doch vertraut <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0129" n="117"/> nicht leben. Sehen Sie unsere morschen, ausgemergelten Knochen — woher soll uns die Kraft kommen, Tag für Tag sechszehn Stunden zu arbeiten? Wir wollen daher alle einstimmig unsern Herrn bitten, uns wieder unseren früheren Lohn auszuzahlen. Sonst arbeiten wir alle nicht mehr! Noth kennt kein Gebot! Kommt keine Hülfe von oben, so müssen wir uns selbst helfen!“ Fast drohend hatte der alte Mann die letzten Worte gesprochen, und schwieg hier erschöpft still. Seine Kniee zitterten, und schienen ihn nicht länger tragen zu können. Der Buchhalter aber sprach freundlich und begütigend, „Setzt euch, Meister Schmidt! Ihr seid müde geworden, und ich hab' auf euer Anliegen doch Manches zu erwiedern. Leider ist es wahr, daß euch in den letzten Jahren bedeutende Abzüge gemacht sind; doch nicht dem bösen Willen des Herrn dürft ihr diese harte Maßregel zuschreiben, die er nur mit Widerstreben ergriff, von ungünstigen Conjunkturen gezwungen. Ihr wißt es nicht, welche großen Verluste der Herr in den letzten Messen erlitten hat durch Gründung neuer Fabriken, welche dieselben Stoffe billiger liefern. Doch vertraut </p> </div> </body> </text> </TEI> [117/0129]
nicht leben. Sehen Sie unsere morschen, ausgemergelten Knochen — woher soll uns die Kraft kommen, Tag für Tag sechszehn Stunden zu arbeiten? Wir wollen daher alle einstimmig unsern Herrn bitten, uns wieder unseren früheren Lohn auszuzahlen. Sonst arbeiten wir alle nicht mehr! Noth kennt kein Gebot! Kommt keine Hülfe von oben, so müssen wir uns selbst helfen!“ Fast drohend hatte der alte Mann die letzten Worte gesprochen, und schwieg hier erschöpft still. Seine Kniee zitterten, und schienen ihn nicht länger tragen zu können. Der Buchhalter aber sprach freundlich und begütigend, „Setzt euch, Meister Schmidt! Ihr seid müde geworden, und ich hab' auf euer Anliegen doch Manches zu erwiedern. Leider ist es wahr, daß euch in den letzten Jahren bedeutende Abzüge gemacht sind; doch nicht dem bösen Willen des Herrn dürft ihr diese harte Maßregel zuschreiben, die er nur mit Widerstreben ergriff, von ungünstigen Conjunkturen gezwungen. Ihr wißt es nicht, welche großen Verluste der Herr in den letzten Messen erlitten hat durch Gründung neuer Fabriken, welche dieselben Stoffe billiger liefern. Doch vertraut
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