Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mit anhören dürften, worauf ich angeklagt bin. Das öffentliche Gericht, das uns versprochen worden, ist noch nicht eingesetzt; drum möcht' ich bitten, wenn's möglich wär', daß Alle da blieben. Der Amtmann willfahrte mit der Bemerkung, daß nur ein vorläufiges Protocoll aufgenommen werde. Ein Jeder suchte sich nun einen guten Platz, und Mancher sagte leise zu seinem Nachbar, wie der und jener sich ärgern werde, daß er nicht auch dabei sei und das mit anhören könne. Der alte Schäferle trat ein, bleich, mit weißen Haaren und eingefallenen Wangen, eine bejammernswerthe Gestalt. Alle Blicke waren auf Diethelm gerichtet, und dieser wußte, daß dies geschah; mit ruhigem Auge betrachtete er den Mann, in der Wunde am Arme zuckten Pulse, als spürten sie die Nähe des Rächers; in dem Gesichte Diethelm's wollte sich's regen, aber er beherrschte seine Züge, er sah gewaltsam starr drein, und kein Nerv bebte. Sagt, was Ihr habt? ließ sich Diethelm nach einer lautlosen Pause vernehmen, in der man nichts als das Winseln von Medard's Schäferhund vor der Thüre vernahm. Das ist meine Sache, fiel der Amtmann ein, und oft von Weinen und Schluchzen unterbrochen erklärte der alte Schäferle, wie sein Medard ihm schon im Herbst gesagt habe, der Diethelm habe nur eingekauft und versichert um anzuzünden; er habe sichere Anzeichen davon; wie der alte Mann jetzt klagte, daß er nicht eimal die Leiche seines Sohnes habe, um sie zu bestatten, fuhr sich Mancher mit der Hand über das Gesicht; auch Diethelm wischte sich die Augen. Als aber der alte Schäferle schloß: Wenn der Hund da draußen reden könnte, der wüßte mehr was vorgegangen ist, da spielte ein Lächeln auf dem Antlitze Diethelms. Wieder entstand eine Pause, in der man nichts als das Federkritzeln des Protocollanten und das Winseln des Hundes hörte. Soll ich was drauf antworten? fragte Diethelm mit anhören dürften, worauf ich angeklagt bin. Das öffentliche Gericht, das uns versprochen worden, ist noch nicht eingesetzt; drum möcht' ich bitten, wenn's möglich wär', daß Alle da blieben. Der Amtmann willfahrte mit der Bemerkung, daß nur ein vorläufiges Protocoll aufgenommen werde. Ein Jeder suchte sich nun einen guten Platz, und Mancher sagte leise zu seinem Nachbar, wie der und jener sich ärgern werde, daß er nicht auch dabei sei und das mit anhören könne. Der alte Schäferle trat ein, bleich, mit weißen Haaren und eingefallenen Wangen, eine bejammernswerthe Gestalt. Alle Blicke waren auf Diethelm gerichtet, und dieser wußte, daß dies geschah; mit ruhigem Auge betrachtete er den Mann, in der Wunde am Arme zuckten Pulse, als spürten sie die Nähe des Rächers; in dem Gesichte Diethelm's wollte sich's regen, aber er beherrschte seine Züge, er sah gewaltsam starr drein, und kein Nerv bebte. Sagt, was Ihr habt? ließ sich Diethelm nach einer lautlosen Pause vernehmen, in der man nichts als das Winseln von Medard's Schäferhund vor der Thüre vernahm. Das ist meine Sache, fiel der Amtmann ein, und oft von Weinen und Schluchzen unterbrochen erklärte der alte Schäferle, wie sein Medard ihm schon im Herbst gesagt habe, der Diethelm habe nur eingekauft und versichert um anzuzünden; er habe sichere Anzeichen davon; wie der alte Mann jetzt klagte, daß er nicht eimal die Leiche seines Sohnes habe, um sie zu bestatten, fuhr sich Mancher mit der Hand über das Gesicht; auch Diethelm wischte sich die Augen. Als aber der alte Schäferle schloß: Wenn der Hund da draußen reden könnte, der wüßte mehr was vorgegangen ist, da spielte ein Lächeln auf dem Antlitze Diethelms. Wieder entstand eine Pause, in der man nichts als das Federkritzeln des Protocollanten und das Winseln des Hundes hörte. Soll ich was drauf antworten? fragte Diethelm <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="16"> <p><pb facs="#f0116"/> mit anhören dürften, worauf ich angeklagt bin. Das öffentliche Gericht, das uns versprochen worden, ist noch nicht eingesetzt; drum möcht' ich bitten, wenn's möglich wär', daß Alle da blieben.</p><lb/> <p>Der Amtmann willfahrte mit der Bemerkung, daß nur ein vorläufiges Protocoll aufgenommen werde. 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Alle Blicke waren auf Diethelm gerichtet, und dieser wußte, daß dies geschah; mit ruhigem Auge betrachtete er den Mann, in der Wunde am Arme zuckten Pulse, als spürten sie die Nähe des Rächers; in dem Gesichte Diethelm's wollte sich's regen, aber er beherrschte seine Züge, er sah gewaltsam starr drein, und kein Nerv bebte.</p><lb/> <p>Sagt, was Ihr habt? ließ sich Diethelm nach einer lautlosen Pause vernehmen, in der man nichts als das Winseln von Medard's Schäferhund vor der Thüre vernahm.</p><lb/> <p>Das ist meine Sache, fiel der Amtmann ein, und oft von Weinen und Schluchzen unterbrochen erklärte der alte Schäferle, wie sein Medard ihm schon im Herbst gesagt habe, der Diethelm habe nur eingekauft und versichert um anzuzünden; er habe sichere Anzeichen davon; wie der alte Mann jetzt klagte, daß er nicht eimal die Leiche seines Sohnes habe, um sie zu bestatten, fuhr sich Mancher mit der Hand über das Gesicht; auch Diethelm wischte sich die Augen. 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mit anhören dürften, worauf ich angeklagt bin. Das öffentliche Gericht, das uns versprochen worden, ist noch nicht eingesetzt; drum möcht' ich bitten, wenn's möglich wär', daß Alle da blieben.
Der Amtmann willfahrte mit der Bemerkung, daß nur ein vorläufiges Protocoll aufgenommen werde. Ein Jeder suchte sich nun einen guten Platz, und Mancher sagte leise zu seinem Nachbar, wie der und jener sich ärgern werde, daß er nicht auch dabei sei und das mit anhören könne.
Der alte Schäferle trat ein, bleich, mit weißen Haaren und eingefallenen Wangen, eine bejammernswerthe Gestalt. Alle Blicke waren auf Diethelm gerichtet, und dieser wußte, daß dies geschah; mit ruhigem Auge betrachtete er den Mann, in der Wunde am Arme zuckten Pulse, als spürten sie die Nähe des Rächers; in dem Gesichte Diethelm's wollte sich's regen, aber er beherrschte seine Züge, er sah gewaltsam starr drein, und kein Nerv bebte.
Sagt, was Ihr habt? ließ sich Diethelm nach einer lautlosen Pause vernehmen, in der man nichts als das Winseln von Medard's Schäferhund vor der Thüre vernahm.
Das ist meine Sache, fiel der Amtmann ein, und oft von Weinen und Schluchzen unterbrochen erklärte der alte Schäferle, wie sein Medard ihm schon im Herbst gesagt habe, der Diethelm habe nur eingekauft und versichert um anzuzünden; er habe sichere Anzeichen davon; wie der alte Mann jetzt klagte, daß er nicht eimal die Leiche seines Sohnes habe, um sie zu bestatten, fuhr sich Mancher mit der Hand über das Gesicht; auch Diethelm wischte sich die Augen. Als aber der alte Schäferle schloß:
Wenn der Hund da draußen reden könnte, der wüßte mehr was vorgegangen ist, da spielte ein Lächeln auf dem Antlitze Diethelms. Wieder entstand eine Pause, in der man nichts als das Federkritzeln des Protocollanten und das Winseln des Hundes hörte.
Soll ich was drauf antworten? fragte Diethelm
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Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/116>, abgerufen am 16.02.2025. |